F. A. Balogh u.a. (Hrsg.): Deutsche Presse aus Ungarn

Cover
Titel
Deutsche Presse aus Ungarn in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Literatur, Theater, Sprache und Aspekte der Identität. Auswahl und Nachwort von Rózalia Bódy-Márkus


Herausgeber
Balogh, F. Anrás; Tarnói, Laszló
Reihe
Deutschsprachige Texte aus Ungarn
Erschienen
Budapest 2007: Argumentum Kiadó
Anzahl Seiten
440 S.
Preis
€ 27,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Andrea Seidler, Universität Wien

Der vorliegende Band enthält eine Auswahl von journalistischen Texten aus Zeitschriften – ausschließlich Beiblättern der Pressburger und Vereinigten Ofner sowie der Pester Zeitung – und der Pester Zeitung selbst, allesamt aus dem Zeitraum 1810 bis 1847. Er gliedert sich in sechs thematische Kapitel, denen folgende Auswahlkriterien zugrunde liegen: Programmatische Texte der Redakteure der einzelnen Blätter, literarische Texte, vor allem erzählende Prosa und Lyrik, rezeptionsgeschichtlich relevante Texte, die sich auf die deutsche, österreichische und ungarische Literatur beziehen, Theaterkritiken, Äußerungen zu Fragen der nationalen Identität, der Sprachenproblematik sowie imagologischen Aspekten. Das sechste Kapitel enthält als Hintergrund Texte aus insgesamt acht in Ungarn erschienenen, deutschsprachigen Zeitungen, darunter sechs Pester Blätter, eine Kaschauer sowie eine Raaber Zeitschrift. Zweck dieser Erweiterung sollte sein, andere Pressestimmen als jene der für diesen Band als Kern vorgesehenen Periodika zu Wort kommen zu lassen, um sie als inhaltliche Vergleichsbasis heranziehen zu können.

Warum gerade deutschsprachige Blätter? Die ungarische Presse des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts ist durch die Dominanz deutschsprachiger Blätter geprägt. Die erste bedeutende Zeitung des Landes, die Preßburger Zeitung war 1764 erstmals in deutscher Sprache erschienen (sie bestand bis ins 20. Jahrhunderts hinein), ihre Beiblätter gelten als die ersten unterhaltenden Zeitschriften und waren Nachkommen des aus England und den deutschen Landen importierten Modegenres der Moralischen Wochenschriften. Auch der gelehrte Journalismus trat in Ungarn zu allererst deutschsprachig auf – übrigens waren diese Publikationen allesamt Produkte eines einzigen Initiators, des Pressburger Privatgelehrten, Kaufmannes und späteren Bürgermeisters der Stadt, Karl Gottlieb Windisch. Diese Tradition setzte sich im 19. Jahrhundert vor allen Dingen in der Hauptstadt des Königreichs Ungarn fort. Rozália Bódy-Márkus schätzt die Gesamtzahl der deutschsprachigen Blätter, die von den 1770er-Jahren bis heute erschienen sind, auf 2000 Titel, von den Anfängen bis 1848 verweist sie auf rund 200 deutsche und 200 ungarische, wobei erst nach der Jahrhundertwende ein Aufschwung der ungarischsprachigen Periodika zu verzeichnen ist (die erste ungarischsprachige Zeitung – Magyar Hírmondó – erschien in Pressburg 1780.) Diese Zahlen unterliegen Schwankungen, weshalb die Herausgeber sich für die langlebigsten Beiblätter der beiden oben genannten Zeitungen entschieden, um einen möglichst umfassenden Erscheinungszeitraum beobachten zu können. In einem Nachwort zum vorliegenden Band findet sich eine kurze Darstellung der ungarischen Presselandschaft in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts sowie eine fokussierende Beschreibung der Ofner und Pester wie auch der Pressburger Zeitung. Ein Personen- und Ortsverzeichnis erleichtert die gezielte inhaltliche Suche innerhalb der sechs Kapitel. Abbildungen der Zeitschriften und einige Stiche daraus lassen die Materie auch für Nichtkenner der einstigen Medien lebendiger erscheinen.

Die Herausgeber haben sorgfältig gearbeitet und ausgewählt, die für die Publikation vorgesehenen Texte zum Teil durch Fußnoten kommentiert und auch fehlende Titel – eine durchaus übliche journalistische Praxis der frühen Presse – der besseren Lesbarkeit halber offensichtlich ergänzt. Der Band ist sehr brauchbar, wenn der Leser bereits weiß, wofür er/sie eventuelle Belege aus der Journalistik sucht – Theater, Identitätsfragen etc. Nicht ganz deutlich nachvollziehbar sind die Kriterien der Auswahl selbst, das heißt ist hier alles erfasst, was in den Blättern zu den einzelnen Kapiteln gefunden wurde oder nur eine Auswahl der möglichen Gesamtdarstellung? Und wenn ausgewählt wurde: Welchen Texten wurde Vorrang gegeben, was wurde nicht aufgenommen? Rozália Bódy-Márkus geht zwar in ihrem Nachwort auf die Kerninhalte ein, lässt für mich allerdings einige methodologische Aspekte offen. Und dies führt uns unweigerlich zu der Frage, ob man heutzutage nicht besser beraten ist, als Presseforscher die Möglichkeiten, die die digitalisierende Bibliothekspraxis anbietet, zu nutzen und den Leser entweder mit der Quelle allein zu lassen, ihm selbst die Auswahl zu überantworten oder eben auch durch kommentierte digitalisierte Editionen durch die Nutzung der Möglichkeiten im World Wide Web ein weltweites Publikum endlich zur extensiveren Behandlung bzw. überhaupt zur Kenntnisnahme dieses Quellenmaterials zu erziehen. Dennoch: als Handbuch für all diejenigen, die mit der Materie der Presse erst Bekanntschaft schließen wollen, oder Studierende, die sich entweder mit der Pressegeschichte selbst beschäftigen oder sich innerhalb ihrer Arbeiten auf Pressezitate stützen möchten, ist dieser ansehnliche Band sehr zu empfehlen.

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