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Titel
Krieg. Eine Einführung in die Theorien bewaffneter Konflikte.


Autor(en)
Etzersdorfer, Irene
Erschienen
Wien 2007: UTB
Anzahl Seiten
264 Seiten
Preis
€ 19,50
Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung bei H-Soz-Kult von:
Rüdiger von Dehn, Historisches Seminar, Bergische Universität Wuppertal

Weniger ist oft mehr. Dies ist ohne Zweifel das Motto, das sich über den von der Wiener Politikwissenschaftlerin Irene Etzersdorfer vorgelegten Einführungsband über die Theorie von bewaffneten Konflikten schreiben lässt. Als Einstieg in die Diskussion um Formen der Gewaltausübung ist der in drei große Teilbereiche gegliederte Text auf jeden Fall gut geeignet. Im Grunde lebt das Werk durch die Verwebung von Klassikern der Politik- und Sozialwissenschaft – zum Leidwesen der Geschichte. So wird der Leser zunächst, nach einem sehr ausführlichen Forschungsbericht, mit den Formen des Krieges – seien es nun Staatenkriege, Bürgerkriege oder die so genannten Neue Kriege – vertraut gemacht, bevor ein Blick auf die Legitimation für diese Waffengänge geworfen wird. Abgerundet werden die weit gefassten Begriffserklärungen im dritten, die Kriegstheoretiker beschreibenden Teil. Das dort angerissene Theoriekonvolut wird durch Hinweise auf Machiavelli, Clausewitz, Che Guevara oder aber auch Mao ausgestaltet. Viel ließe sich über all die Gedankengänge dieser Vordenker von Kriegen weiter sagen, dennoch: inhaltlicher Tiefgang wird vergeblich gesucht, wie es in einem Einführungswerk wohl nicht anders zu erwarten ist. Der Griff zu den Einzelwerken von Clausewitz oder Mao lässt sich in keiner Weise ersetzen, wenn es darum geht, sich dem von Etzersdorfer gesetzten Ziel, das Wesen des Krieges genauer zu ergründen, anzunähern.

So leuchten auch nur Schlaglichter die Degeneration von Staatenkriegen hin zu „Neuen Kriegen“ aus. Freilich fällt dabei, der Aktualität geschuldet, ein erster Blick auf die Überschrift „Der kleine Krieg“. Die jeweiligen historischen Ereignisse und Personen, seien es Mao oder Che Guevara, bilden dabei lediglich einen Pool von Material, aus dem immer dann geschöpft wird, wenn theoretische Ansätze und abstrakte Erklärungsversuche mit Inhalt gefüllt werden müssen. Ein Hinweis auf die Bedeutung des so genannten "heiligen Krieges" darf nicht fehlen. Interessant wird dieses Kapitel aber dadurch, dass Etzersdorfer zum Ausdruck bringt, mit welchen Ansprüchen bewaffnete Auseinandersetzungen theoretisch zu erfassen sind. So erstaunt es doch, dass „[a]us Gründen seiner politischen Aktualität soll […] nur der islamische ‚heilige Krieg’ Berücksichtigung finden, da alle anderen Form historisch sind.“ (172). Überzeugend sind indes ihre Beschreibungen und Analysen in der Art, dass immer wieder die verschiedenen Varianten des Djihads und des Islam als politisches Aktionsprogramm besonders hervorgehoben werden.

Nachdem Etzersdorfer so ihre Theorieninterpretationen einführt, folgt der Wechsel zu den klassischen Denkmustern eines Machiavelli oder Clausewitz, die durch ihre eigenen Werke zur Evolution und Entstehung von Kriegen berühmt wurden. Einmal mehr wird jeder historische Kontext zur bloßen Folie, auf der die Strukturen politikwissenschaftlicher Analysen ausgebreitet werden. Es scheint als ob die Geschichtswissenschaft hier in einem politikwissenschaftlichen Einführungsband nur den Charakter einer Hilfswissenschaft besitzt.

Verstärkt wird dieser Eindruck durch den Blick in das Literaturverzeichnis, in dem Quellenmaterial und Sekundärtexte gänzlich ineinander vermischt worden sind. Dennoch wäre es falsch, die Bibliographie als oberflächlich abzuwerten, da die breit gestreute Auswahl jederzeit eine konzentrierte – eigene – Bearbeitung der Themen durchaus möglich macht. Was ist nun aber insgesamt von der Einführung zu halten?

Etzersdorfers Band ist ein gut und breit gefächerter Überblick, der sicherlich dienlich für eine schnelle Informierung innerhalb und außerhalb der Fachwissenschaft sein kann. Von Plato über Ulrich Beck bis hin zu Bassam Tibi werden viele Muster und Variationen der Kriegstheorie angerissen oder darauf verwiesen – dies allerdings in einer nicht immer einfach lesbaren Art. Eben dieser Punkt lässt es auch fraglich erscheinen, ob die über 250 Seiten reine Kriegstheorie direkt im ersten Fachsemester gelesen werden sollten. Der erste Glanz, der noch in der Einleitung entstanden war, wird so immer schwächer, und es verfestigt sich der Eindruck, dass es sich letztendlich um nicht mehr als ein in Kapitel gegossenes Politiklexikon handelt. Immerhin liegt darin auch ein gewisser Gebrauchswert der Arbeit, da sich auf der vorliegenden Textbasis einige Begriffsdefinitionen leicht nachschlagen lassen. Wer die jeweiligen Argumente und Aussagen von Machiavelli bis Mao als Produkte ihrer Zeit verstehen und nachvollziehen will – und dies ist sicherlich immer erforderlich –, sollte dagegen weiterhin zu den Originalwerken greifen.

Als Ergänzung zu Andreas Herberg-Rothes Einführungsband zu Kriegen in Geschichte und Gegenwart ist Etzersdorfers Arbeit sicherlich zu empfehlen.1 Gleiches ließe sich im Hinblick auf Münklers 2006 vorgelegte Betrachtungen zum Wandel des Krieges festhalten.2 Kurz und gut: ihrem Ziel, ein weiteres politikwissenschaftliches Überblickswerk „für Studierende, Journalisten, Beamte und andere Interessierte“ geschaffen zu haben, wird Etzersdorfer sicherlich gerecht (9).

Anmerkungen:
1 Herberg-Rothe, Andreas, Der Krieg. Geschichte und Gegenwart, Frankfurt am Main 2007.
2 Münkler, Herfried, Der Wandel des Krieges. Von der Symmetrie zur Asymmetrie, Weilerswist 2006.

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Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit dem Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung. (Redaktionelle Betreuung: Jan Hansen, Alexander Korb und Christoph Laucht) http://www.akhf.de/
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