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Titel
Adlige - Stifter - Mönche. Zum Verhältnis zwischen Klöstern und mittelalterlichem Adel


Autor(en)
Kruppa, Nathalie
Erschienen
Göttingen 2007: Vandenhoeck & Ruprecht
Anzahl Seiten
325 S.
Preis
€ 46,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Claudia Moddelmog, Humboldt-Universität zu Berlin

Wie schon in der Ankündigung zur 2006 am Max-Planck-Institut für Geschichte abgehaltenen Tagung „Adlige – Stifter – Mönche“ konstatiert die Organisatorin Nathalie Kruppa auch im Vorwort zum 2007 erschienenen Tagungsband, die Beziehung zwischen Adel und Klöstern im Mittelalter sei „unterschiedlichst“ ausgeprägt gewesen (S. 7).1 Ihre folgenden Bemerkungen sind geprägt durch vertraute Stichwörter: „Stiftung“, „Memoria“, „Grablege“, „Vogtei“. Und auch die Schwerpunkte, die Kruppa bei den Autoren ausmacht, sind nicht neu: Memoria adliger Verwandtschaftsverbände und (kritische) Fragen nach dem „Hauskloster“. Der vorliegende Band, so wird schnell deutlich, ist einem etabliertem Forschungsfeld zuzuordnen – in engerem Sinne problemorientiert ist er nicht. So überrascht auch nicht, dass dem mageren Vorwort keine ausführlichere Einleitung folgt und die Beiträge nur chronologisch geordnet sind.

Im ersten der Beiträge widmet sich Eva-Maria Butz dem Liber Memorialis von Remiremont, insbesondere den dort verzeichneten Königsnamen und dem so genannten „Grafeneintrag“, einer 60 Namen adliger Laien umfassenden Liste, die 921/922 niedergeschrieben wurde. Im Einklang mit der älteren Forschung interpretiert sie den vorübergehenden Abbruch der Königsmemoria und die Aufnahme der adligen Elite in den Gedenkhorizont vor dem Hintergrund der politischen Instabilität im beginnenden 10. Jahrhundert. Doch unabhängig davon meint Butz im „Grafeneintrag“ ein Zeugnis erstaunlich weit zurückreichenden Herkunftswissens vorzufinden, das auch die Kenntnis weitläufiger Heiratsverbindungen umfasste. Die Quellen dieses Wissens und Initiatorinnen des Eintrags vermutet sie in einer Gruppe von Remiremonter Nonnen, die selbst den dort verzeichneten Adelsfamilien angehörten. In gefahrvoller Zeit hätten diese Nonnen nicht auf das in die Krise geratene Königtum als Beschützer des Klosters gesetzt, sondern auf ihre Familien. Obwohl diese Überlegungen letztlich hypothetisch bleiben müssen, kann man ihnen hohe Plausibilität nicht absprechen. Allerdings bleiben Zweifel, ob die genealogischen Zusammenhänge, die Butz zwischen den in Remiremont verzeichneten Adligen rekonstruieren kann, tatsächlich mit umfassendem Herkunftswissen zu erklären sind oder doch nur mit Herkunft.

Am stärksten aus dem thematischen Zusammenhang der Tagung heraus fällt der Beitrag von Caspar Ehlers, der „Die Klostergründungen des Adels und die Entstehung diözesaner Ordnungsvorstellungen im sächsischen Frühmittelalter“ untersucht. Im Wesentlichen geht es Ehlers dabei um die Frage, in welchem Umfang und auf welchem Weg bis 1024 die spätere Ausdehnung bzw. Grenzziehung der sächsischen Diözesen vorangeschritten war. Dazu kartiert er zunächst sämtliche Klostergründungen, bildet aus den gewonnenen Punkten für jede Diözese das größtmögliche Vieleck und schreibt dieses in die kartierte Gestalt der Diözese um 1500 ein. Ergebnis: Schon früh zeigt sich ein Zusammenhang zwischen „Klostergürtel“ und späterem Umfang der Diözesen, was Ehlers auf frühe Planungen schließen lässt. In einem zweiten Schritt kartiert er die Klostergründungen nach den adligen Gründergruppen. Ergebnis: Adlige Familien gründeten über „Diözesangrenzen“ hinweg Klöster. Die Schlussfolgerung, diözesane Ordnungskonzepte seien nicht vom Adel, sondern von Königtum und Kirche entwickelt worden, überrascht nicht. Doch scheint die Methode wenig überzeugend, auf der sie beruht. Denn müssten die adligen Gründungen, weil nicht auf diözesane Ordnungsvorstellungen bezogen, nicht aus den Karten herausgenommen werden? Die Untersuchungsgrundlage wäre dahin. Und grundsätzlicher zu fragen ist, ob die moderne und suggestive flächenhafte Darstellung den mittelalterlichen Raumkonzepten entspricht.

Überraschend spannend liest sich der Beitrag von Jürgen Dendorfer, der mit dem Titel „Verwandte, Freunde und Getreue ...“ auf einen „Klassiker“ der Adels- und Memorialforschung Bezug nimmt.2 Dendorfer gelingt es, in methodisch wie theoretisch gleichermaßen bestechender Weise enge Zusammenhänge zwischen Stiftungsverhalten, Gruppenbindung und Herrschaftsbildung von Adligen nachzuweisen. Die vier bayrischen Stifter(-innen) des 12. Jahrhunderts, die er in den Blick nimmt, stifteten vor allem für Klöster, die von – agnatischen und kognatischen – Verwandten oder auch Freunden und Getreuen bevogtet wurden. Den darin erkennbaren herrschaftlichen Bezug fasst Dendorfer allerdings nicht als zentrales Motiv, sondern „Begleiterscheinung“ des Stiftungsverhaltens. Der „Handlungshorizont“, den er bei seinen Stiftern nachweisen kann, erweist das bislang beherrschende Hauskloster-Modell als unzureichend für die Interpretation adliger Memoria im hohen Mittelalter.

Auf andere Weise nähert sich Diana Zunker ihrem Thema „Adel und Westfalen“. Wie Dendorfer beschreibt sie adliges Stiftungsverhalten anhand mehrerer Fälle aus der Zeit um 1200. Allerdings hat Zunker wohl vor allem Diversifikation im Sinne. Da geht es einmal um den Widerstand der Erben gegen die Stiftung eines Verwandten, einmal um den Zusammenhang von Stiftungen und familiären Krisen und schließlich um adliges Stiftungsverhalten vor dem Hintergrund einer spezifisch „kirchenpolitisch“ ausgerichteten Herrschaftsausbildung. So interessant die einzelnen Fälle sein mögen – in welchem Untersuchungszusammenhang sie stehen, klärt auch das Resümee nicht.

Einem weiteren klassischen Problemfeld der Adelsforschung widmet sich Stefan Pätzold in seinem Beitrag über „Die Hausüberlieferung der Wettiner“. Im Zentrum stehen zwei Texte, die im frühen 13. Jahrhundert im Augustinerchorherrenstift auf dem Petersberg bei Halle (Saale) abgefasst wurden: die Genealogia Wettinensis und das Chronicon Montis Sereni. Nach ausführlichen forschungskritischen und quellenkundlichen Erwägungen entwickelt Pätzold die These, dass die Genealogia durchaus Elemente Wettinischer Hausüberlieferung aufgenommen habe und eine Auftragsarbeit für einen wettinischen Seitenverwandten mit Aspirationen auf die Markgrafenwürde gewesen sei. Ganz anders beurteilt Pätzold das Petersberger Chronicon. Verfasserschaft und Initiative zur Abfassung schreibt er Heinrich von Röcken, einem der ansässigen Chorherren zu. Wettinische Hausüberlieferung, Stiftsgeschichte und individuelle Darstellungsabsichten des Chronisten seien im Text des Chronicon in ein kaum zu entwirrendes Traditionsknäuel verwickelt. Pätzolds Argumentation, die insgesamt stark personenbezogen ist und weder auf die Struktur der Texte noch auf spezifische Narrative Bezug nimmt, dürfte nicht die letzte Wortmeldung zum Thema sein.

Mit dem Lebensweg, den Stiftungen und der Memoria des Grafen Aldolf IV. von Schaumburg (1224-1261) beschäftigt sich Nathalie Kruppa in einem Beitrag, der vornehmlich entlang der Quellen gearbeitet ist und von da aus mit ganz verschiedenen Beobachtungen und Deutungen aufwartet.

Ein weiteres Mal in die Nähe des Konzeptes „Hauskloster“ begibt sich Przemysław Wiszewski, der untersucht, wie die Beziehungen zwischen zwei von den schlesischen Piasten gegründeten Zisterzienserkonventen und der Stifterfamilie sich über die Zeit hinweg gestaltete (12.-14. Jahrhundert). Weder die Mönche von Leubus, noch die Nonnen von Trebnitz konnten sich kontinuierlicher Förderung von piastischer Seite erfreuen. Während aber in Leubus die Stiftergrablege und mit ihr der Konvent um 1300 aus politisch-ideologischen Gründen neue Attraktivität für die Piasten gewann, war dies in Trebnitz nicht der Fall. Die Ursache für letzteres sieht Wiszewski im alles andere dominierenden Kult der heiligen Hedwig, die gemeinsam mit ihrem Gemahl das Kloster gestiftet hatte. Doch belässt es Wiszewski nicht dabei, die sich wandelnde Rolle der gestifteten Klöster für die Piasten zu beleuchten, sondern fragt auch nach der Sicht der religiösen Gemeinschaften auf die Stifter und deren Rechtsnachfolger. Dies gelingt insbesondere anhand der Leubuser Überlieferung, die unter anderem eine Reihe von Urkunden mit Empfängerdiktat umfasst.

Ebenfalls diachron angelegt, aber auf Bestattungstradtionen adliger Familien (14.-15. Jahrhundert) fokussiert ist der Beitrag von Carola Fey, dessen Titel „Vom Kloster zur Residenz“ das wichtigste Untersuchungsergebnis anzeigt. Der Wandel in der Wahl der Grablege folgte den Veränderungen der Herrschaftsstrukturen und war etwa durch Herrschaftsteilungen veranlasst, war aber auch durch neue spirituelle Bedürfnisse motiviert. Irritierend wirkt an Feys Analyse, dass sie kaum Aussagen darüber macht, wer denn jeweils über den Ort der Grablege entschieden hat. Auch begleitende Stiftungen verfolgt sie nicht systematisch. Allerdings baut sie die Beobachtung, dass einige Frauen bei der Wahl der Grablege und der Organisation der Memoria auffällig eigenständige Wege gingen, zu einem Exkurs über weibliches Bestattungsverhalten aus. Inwiefern die dabei akzentuierten Besonderheiten tatsächlich geschlechtsspezifisch zu nennen sind, werden nur weitere Forschungen zeigen können.

Im letzten Beitrag des Bandes widmet sich Dagmara Adamska den Begräbnisstätten des Adels im spätmittelalterlichen Fürstentum Schweidnitz-Jauer. Die dem Fürstenhof eng verbundenen Adligen hätten, so Adamska, entweder von den Piasten besonders geschätzte Klöster als Bestattungsort gewählt oder solche, die in der Nähe ihrer Güter gelegen hätten.

Insgesamt wird, wer sich vom vorliegenden Band eine Versammlung neuerer Ansätze der Adels- und Memorialforschung verspricht, eher enttäuscht sein. Hauptsächlich liegen die Erträge der präsentierten Beiträge auf landesgeschichtlichem Gebiet und bleiben in der Mehrzahl klassischen Zugängen und Problemen verpflichtet. Herrschaft ist die zentrale Deutungskategorie. Eine gewisse Verlagerung der Forschungszugänge erweist sich immerhin daran, dass (auch) die Perspektive der Mönche – und Nonnen – auf Adlige und Stifter zu ihrem Recht kommt.

1 Vgl. auch <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=5507> (11.01.2008).
2 Althoff, Gerd, Verwandte, Freunde und Getreue. Zum politischen Stellenwert der Gruppenbindungen im früheren Mittelalter, Darmstadt 1990.

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