: Der Spanische Bürgerkrieg. Geschichte eines europäischen Konflikts. München 2006 : C.H. Beck Verlag, ISBN 3-406-54095-3 218 S. € 12,90

: Ghosts of Passion. Martyrdom, Gender, and the Origins of the Spanish Civil War. Durham 2007 : Duke University Press, ISBN 978-0-8223-3943-4 244 S. $ 22.95

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Alexandre Froidevaux, Freiburg

2006 jährte sich der Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges zum 70. Mal. In diesem Kontext sind eine ganze Reihe von Neuerscheinungen auf den Markt geworfen worden, von denen zwei hier vorgestellt werden sollen. Sie unterscheiden sich in ihrem Charakter wesentlich. Während wir es bei Collado Seidel mit einer deutschsprachigen Überblicksdarstellung zu tun haben, führt Brian D. Bunk in ein konkretes Forschungsfeld zum Spanischen Bürgerkrieg ein, nämlich die Bedeutung der politischen Instrumentalisierung der Erinnerung an die „spanische Oktoberrevolution“ von 1934 für die Fortentwicklung des Konfliktes.

Der Untertitel des Werkes von Collado Seidel „Geschichte eines europäischen Konflikts“ könnte die Vermutung nahe legen, dass hier einseitig die internationalen Kontexte betont werden, wie dies in der historischen Retrospektive immer wieder geschieht. Der Autor beschreibt aber in den beiden Eingangskapiteln zunächst einmal die innerspanischen Konstellationen, die schließlich zum Bürgerkrieg führten. Er skizziert den sozialen Konflikt zwischen den verarmten Arbeitern und einer großbürgerlich-adligen Elite, die in der Zweiten Republik (1931-39) sich verschärfende Auseinandersetzung zwischen Säkularismus und Katholizismus sowie die gegen Madrid gerichteten Autonomiebestrebungen Kataloniens und des Baskenlandes. Gegen diese Entwicklungen formierte sich die Rechte, als deren Speerspitze sich Offiziere begriffen, die sich durch eine im marokkanischen Kolonialkrieg geprägte militaristisch-nationalistische Weltanschauung auszeichneten. Als diese Offiziere im Juli 1936 gegen die Republik putschten, lösten sie damit eine große Widerstandsbewegung aus, die dort, wo sie siegte, dazu überging, die bürgerliche Ordnung abzuschaffen.

Im Mittelteil des Buches zeigt der Autor, wie der zunächst genuin spanische Konflikt zunehmend internationalisiert wurde. Dem Forschungsstand folgend arbeitet Collado dabei die interessengeleitete Politik der Großmächte heraus, die nicht selten ideologischen Vorgaben widersprach. So eilte Großbritannien keineswegs der bedrängten spanischen Republik zu Hilfe, unter anderem weil es die Folgen der revolutionären Ereignisse in der „republikanischen“ Zone fürchtete, während die Sowjetunion ihre Machtstellung als einziger nennenswerter Waffenlieferant der Republik nutzte, um die soziale Revolution zurückzudrängen. Auch die Intervention des Deutschen Reiches gründete sich weniger auf ideologische Gemeinsamkeiten mit den Putschisten als auf Hitlers gegen Frankreich gerichtetes Machtkalkül, das zudem von wirtschaftlichen Interessen flankiert wurde, die Deutschland gar dazu brachten, über Umwege auch an die Republik Waffen zu liefern (S. 94).

Collados Stärke ist es, eine schlüssige Gesamtdarstellung zu liefern, die zentrale Aspekte wie die internationale Gemengelage, den Kriegsverlauf sowie die Entwicklung innerhalb der beiden Bürgerkriegslager präsentiert. Er wagt pointierte Interpretationen besonders dann, wenn sie durch die Forschung bereits bestens fundiert sind. So darf es als gesicherte Tatsache gelten, dass der Putsch militärisch schnell zusammengebrochen wäre, hätten nicht deutsche Flugzeuge das spanische Afrikaheer über die Meerenge von Gibraltar, die von der regierungstreuen Kriegsmarine blockiert wurde, auf das spanische Festland transportiert (S. 89ff.). Wenig überraschend ist auch, dass Collado das entstehende Francoregime im wieder verstärkt auf Spanien bezogenen Kapitel „Ideologie und Krieg“ zwar in seinen autoritär-faschistoiden Zügen charakterisiert, aber dennoch feststellt, die Identifikation zwischen dem rechten Militärputsch und der Kirche habe letztlich die Ausprägung eines „totalitären Anspruchs“ (S. 173) verhindert. Auffallend ist allerdings, dass Collado an Punkten, die in der historischen Debatte umstritten sind, ausgesprochen vorsichtig agiert. So erwähnt er die zeitgenössische Bemerkung von Gerald Brenan, wonach der spanische „rote Oktober“ von 1934, einem linken Aufstand gegen den Regierungseintritt der philofaschistischen Partei CEDA von Gil Robles, die erste Schlacht des Bürgerkriegs gewesen sei – ein Gedanke, der heutzutage von rechten Pseudohistorikern benutzt wird, den Linken die Schuld für den Krieg in die Schuhe zu schieben (S. 50). Doch Collado geht nicht weiter auf diesen Punkt ein, wie er ohnehin zwar zahlreiche Fluchtpunkte beschreibt, die auf den Ausbruch des Bürgerkrieges verweisen, die umstrittene Schuldfrage jedoch ausklammert.

Das mag daran liegen, dass er den Krieg in allererster Linie als „größte menschliche Tragödie der spanischen Geschichte“ (S. 12, auch S. 201) begreift. Damit übernimmt er das Geschichtsbild, das sich im konsensgeleiteten Übergang von der Francodiktatur zur parlamentarischen Monarchie (Transición) in den 1970er-Jahren ausgeprägt hat. Zwar lässt Collado durchaus Verständnis dafür durchblicken, dass das „Gebot des Vergessens“ (S. 201), das ein Ergebnis des Versöhnungsdiskurses der Transición war, in den letzten Jahren von linken Erinnerungsaktivisten in Frage gestellt wurde. Den Bürgerkrieg allerdings versteht er als Auseinandersetzung zweier ideologisch verblendeter Lager, denen es jeweils „im Kern um einen Kampf gegen dämonische Mächte“ ging (S. 183). Diese Kennzeichnung des Krieges als dualistischem Kampf ist zwar nicht falsch, doch liegt ihr implizit eine Gleichsetzung beider Lager und eine Abwertung des Antifaschismus als solchem zugrunde. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn man, wie Collado, den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust als „unvorstellbaren Höhepunkt“ (S. 203) ideologischer Intoleranz begreift – beides immerhin Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands, das im Spanischen Bürgerkrieg Partei für die aufständischen Militärs ergriff.

Collado stellt fest, dass der „Spanische Bürgerkrieg zu Recht als ausgesprochener Klassenkonflikt interpretiert worden ist“ (S. 11). Er beschreibt kenntnisreich, wie sich der Widerstand gegen den Putsch in eine von Millionen Menschen getragene soziale Revolution ausweitete, die jedoch aufgrund innerer und äußerer Schwierigkeiten scheiterte. Bedauerlich ist jedoch, dass Collado die Revolution unter dem Ereignis Bürgerkrieg subsumiert (dies schon im Titel!). Dies ist umso erstaunlicher als Collado es für „durchaus denkbar“ hält, dass der Aufstand bei konsequenter Bewaffnung der Arbeiterschaft „niedergerungen worden wäre“ (S. 67) und er auch erkennt, dass der „Elan der Massen“ (S. 131) sich zu dem Zeitpunkt erschöpfte, als die Revolution in erster Linie von stalinistischer Seite zerstört worden war.

Prononciert ist Collados Urteil in der Frage der politischen Repression, die von gesellschaftlichen wie fachinternen Debatten der letzten Jahre besonders fokussiert wurde. Ihr widmet er sich im Abschnitt zum „republikanischen“ Exil, aber auch im Schlusskapitel mit einem Ausblick auf die neue Thematisierung der Vergangenheit in den letzten Jahren. Für die „republikanische“ Seite spricht Collado davon, dass neben den eher unkontrollierten Gewaltausbrüchen der Anfangszeit auch „eine gezielte Repression des Gegners“ (S. 83) stattfand, wobei er die bekannten Massenerschießungen politischer Gefangener anspricht. Dem „nationalen“ Lager weist er überzeugend die tendenziell genozidale Intention nach, Spanien durch die „physische Vernichtung alles als unspanisch wahrgenommenen Lebens“ (S. 187) zu reinigen. Inwieweit eine solche Vernichtungsabsicht auch auf das linke Bürgerkriegslager zutraf oder ob gerade in deren Abwesenheit ein qualitativer Unterschied zwischen den beiden Seiten auszumachen ist, wie dies der vom Verfasser zitierte Michael Richards behauptet 1, lässt Collado jedoch offen.

Deckt Collado ansonsten alle wichtigen Aspekte des Spanischen Bürgerkrieges ab, so gilt das leider nicht für den Geschlechteraspekt. Mehr als einen knappen Hinweis auf die sexistische Gewalt der Francotruppen erhält man hierzu nicht, und das obwohl gerade in der Zeit der Zweiten Republik althergebrachte Geschlechterrollen zur Disposition standen, wie insbesondere die amerikanische Historikerin Mary Nash herausgearbeitet hat. 2 Dennoch bietet die Monografie von Collado sowohl Laien als auch Fachhistorikern einen auch sprachlich gelungenen Überblick. Ergänzt wird der positive Gesamteindruck durch einen umfangreichen Serviceapparat, der insbesondere durch zahlreiche Kurzbiografien wichtiger Persönlichkeiten besticht. Leider fehlt ein Namens- und Sachregister, das das Buch als Nachschlagewerk noch nützlicher machen würde.

In „Ghosts of Passion“ von Brian D. Bunk werden die kulturellen Ausgangsbedingungen des Spanischen Bürgerkrieges unter dezidiertem Einschluss der Geschlechterperspektive genauer unter die Lupe genommen. Bunks zentrale These lautet, dass die Erinnerung an den oben erwähnten Oktoberaufstand von 1934 von pro- und antirevolutionären Kräften politisch instrumentalisiert worden sei. Beide Seiten hätten sich manichäistischer Interpretationen mit Rückgriff auf dieselben überkommenen Bilderwelten bedient und so den jeweiligen Gegner als Inkarnation des absoluten Bösen dargestellt. Diese geistige Konfrontation hätte moderate Kräfte auf beiden Seiten an den Rand gedrängt und letztlich einen finalen Entscheidungskampf heraufbeschworen.

Nach einem einführenden Kapitel zur Ereignisgeschichte der spanischen „Oktoberrevolution“ lässt Bunk zwei Kapitel folgen, in denen er die politisch motivierte Erinnerung charakterisiert, die sich bis zu den Februarwahlen von 1936 in Flugblättern, Gedichten, Büchern u.a. entfaltete. Dabei arbeitet der amerikanische Historiker eindrücklich heraus, wie beide Seiten etwa das christlich geprägte Bild des Märtyrers für ihre Zwecke benutzten. So trug die Erinnerung an durch die Revolutionäre getötete Kleriker zur Spaltung des Landes bei: „divide Spaniards into ‚good’ and ‚evil’ beings, with the former presented as individuals who embodied the traits most prized by conservative society while the latter appeared as dehumanized creatures bent on destruction” (S. 36). Während die reaktionären Kräfte nach der Armee zum Schutz Spaniens riefen, das sie durch unchristliche Kommunisten bedroht sahen, stellten die Linken das Leiden der besiegten Aufständischen selbst als ein Martyrium dar, das als Teil des revolutionären Kampfes sinnhaft sei: „In the eyes of many radicals, the suffering of the prisoners and their families would be rewarded in the end with the final victory of revolution, an idea that echoed traditional martyr literature where eternal glory is bestowed for those killed for their beliefs.“ (S. 62) Diese linke Erinnerungspolitik nach dem Herbst 1934 leistete einen wichtigen Beitrag, die Volksfront zu begründen, die im Februar 1936 die Wahlen gewann.

Im nächsten Schritt untersucht Bunk, wie sich die Opponenten auch der Werte und der Bilderwelt der traditionellen Geschlechterordnung bedienten. So wurden patriarchale Stereotype für Männlichkeit benutzt, um die eigenen Helden positiv zu beschreiben, während die Feinde als Gefahr für die Integrität der Frauen und Familien beschrieben wurden. In einer Zeit, in der jene traditionellen Geschlechterrollen durch den zunehmenden Einbruch von Frauen in die „männliche“ öffentliche Sphäre oder durch Diskussionen um Abtreibung und freie Liebe zur Disposition standen, führte der Rekurs auf entsprechende Repräsentationen zur Bestätigung traditioneller Geschlechterrollen. Bunks besonderes Verdienst ist es, diese Perspektive in die Diskussion um die Gründe für den Bürgerkrieg einzubeziehen. Im nachfolgenden Kapitel erweitert er diesen Blickwinkel zudem um die retrospektiv verzerrten Darstellungen der aktiven Teilnahme von Frauen am Aufstand.

Bunk betont die Offenheit der historischen Situation nach dem Herbst 1934 und verwirft somit auch die neurechte These, der Aufstand habe zwangsläufig in den Bürgerkrieg führen müssen. Bunk argumentiert dagegen, „[t]he commemorative imagery of the October 1934 revolution proved to be a key factor in triggering the outbreak of the Spanish Civil War“ (S. 150). Damit verfolgt er den innovativen Ansatz, die kollektive Erinnerung in ihrer Wirkungsweise in der Vergangenheit selbst zu untersuchen. Er rundet diese Perspektive zum Ende hin ab, indem er die erinnerungskulturellen Repräsentationen der Ereignisse von 1934 im post-franquistischen Spanien seit 1975 untersucht. Für diese Phase kommt er zu dem Ergebnis, dass sie vornehmlich, durch Historisierung einerseits, interessengeleitete Bedeutungsverschiebungen andererseits, geprägt seien.

Bunk hebt besonders auf mentalitätsgeschichtliche Aspekte ab. Soziale und politische Deutungen werden dagegen weniger betont. „Ghosts of passion“ ist bei der historischen Lektüre denn auch als sinnvolle Ergänzung, nicht aber als Ersatz für Bücher wie Collados Überblicksdarstellung zu sehen. Auch der realgeschichtliche Gehalt der historischen Ereignisse kommt zuweilen etwas kurz. Bei den seitenlangen Beschreibungen dessen, wie linke und rechte Autoren nach dem Oktober 1934 von gewalttätigen Übergriffen der jeweils anderen Seite berichteten, stellt sich unweigerlich die Frage nach den faktischen Grundlagen dieser Darstellungen. Dabei wird man das Gefühl nicht los, dass Bunk es sich mit Hinweis auf die schwierige Quellenlage zu einfach macht, wenn er wiederholt erklärt, die Wahrhaftigkeit solcher Berichte sei kaum zu überprüfen (Vgl. u.a. S. 108).

Bunks Perspektive ist dort stark, wo sie die mentalen Überschneidungen der beiden politischen Lager verdeutlicht. Allerdings unternimmt er wenig, um nach möglichen Unterschieden zu fahnden. So erwähnt er zwar antisemitische Ressentiments, die augenscheinlich ein Ideologem bestimmter reaktionärer Fraktionen aber nicht der Linken waren, unterzieht sie jedoch keiner genaueren Untersuchung (S. 56f.). Nichtsdestotrotz hat Brian D. Bunk mit seiner Monografie einen sehr lesenswerten Beitrag zur Vorgeschichte des Bürgerkriegs geliefert. Dieser ist zudem ansehnlich aufgemacht und bedient sich einer klaren Sprache. Die einzelnen Kapitel lesen sich wie abgeschlossene Aufsätze, was abschnittsweises Lesen erleichtert. 3

Anmerkungen:
1 Vgl. Richards, Michael, Civil War, violence and the construction of Francoism, in: Preston, Paul; Mackenzie, Ann L. (Hrsg.), The republic besieged. Civil War in Spain 1936-1939, Edinburgh 1996, S. 197-239.
2 Vgl. Nash, Mary, Rojas, Las mujeres republicanas en la Guerra Civil, Madrid 1999.
3 Tatsächlich sind manche Kapitel zuvor schon als Aufsätze erschienen. Vgl. Bunk, Brian D., „Your comrades will not forget“. Revolutionary memory and the breakdown of the Spanish Second Republic, 1934-1936, in: History & Memory 14 (2002) 1-2, S. 65-92.

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