: Das Hakenkreuz. Zeichen im Weltbürgerkrieg. Eine Kulturgeschichte. Wien 2006 : Karolinger Verlag, ISBN 3-85418-119-1 247 S. € 27,00

: Das Hakenkreuz. Geschichte und Bedeutungswandel eines Symbols. Frankfurt am Main 2007 : Peter Lang/Frankfurt am Main, ISBN 978-3-631-56363-2 133 S. € 27,50

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Bernd Buchner, Katholische Nachrichten-Agentur, Hamburg

Zu den Wesensmerkmalen eines Symbols gehört seine bedingte Wandelbarkeit. Vor allem für ein politisches Symbol gilt, dass es seine Wirkung erst durch die Kenntnis und das interpretierende Bewusstsein des jeweiligen Betrachters entfaltet und dass es demzufolge ständigen Umdeutungen und Neuinterpretationen unterliegt. So ist die gesellschaftliche Einordnung von Parteiabzeichen, Farben, Fahnen, Hymnen oder Feiertagen ein „tägliches Plebiszit“, um Ernest Renans berühmte Nationsdefinition heranzuziehen.1 Zu den wirkungsmächtigsten Symbolen des 20. Jahrhunderts gehört zweifelsohne das Hakenkreuz. Prägend für die gegenwärtige und zukünftige Bewertung dieses Abzeichens ist die Geschichte seiner Verwendung zwischen 1920 und 1945. Das schränkt seine Wandelbarkeit zugleich ein. Das Hakenkreuz steht heute zeichenhaft für die Gewaltpolitik des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland und nicht zuletzt für den bürokratisch vorbereiteten, industriell durchgeführten Massenmord an Millionen europäischen Juden. Niemand kann sich 60 Jahre nach diesen Verbrechen das Hakenkreuz ans Revers heften und unter Verweis auf entsprechendes historisches Auftreten sagen, er sei ein Anhänger Buddhas, der Samarra-Keramik im heutigen Irak oder der Industalkultur. Er wird, zumindest in Deutschland und bald vielleicht in der ganzen Europäischen Union, mit dem Strafgesetzbuch in Berührung kommen. Die Verwendung des Symbols in vermeintlich unpolitischen Zusammenhängen, etwa in der Mode, stößt auf Irritation und Kritik.

Die Herkunft des Hakenkreuzes, auch Swastika genannt, ist bei weitem nicht so gut erforscht wie die Geschichte seiner Okkupation durch völkische Kreise und Nationalsozialisten.2 Fest steht aber, dass das Symbol seit etwa 10.000 v.Chr. in bildlichen Darstellungen im Orient auftaucht; ein einheitlicher Ursprung ist nicht erkennbar. Durch seinen hohen Wiedererkennungseffekt und die relativ leichte Reproduzierbarkeit, die noch die Demokraten der Weimarer Republik vor große Probleme stellte, erweist es sich in zahlreichen vorgeschichtlichen Kulturen als sehr beliebt. Die Bedeutungen wechseln. Das Hakenkreuz gilt als Sonnenrad oder als Hammer des germanischen Gottes Thor, stellt einen Geschlechtsakt oder zwei auffliegende Störche dar, versinnbildlicht die Fußspur Buddhas und wird im Hinduismus als Zeichen von Weisheit oder Freigebigkeit betrachtet. Oft wird es schlicht ornamental und dekorativ gebraucht.

Auch das frühe Christentum verwendete die „crux gammata“ nicht selten. Danach tauchte das Symbol ins Dunkel der Geschichte ein. Erst im 19. Jahrhundert, offenbar mit der Renaissance des Buddhismus im Westen, wurde es ebenfalls wiederentdeckt und durch Fanatiker des so genannten Ariertums wie Guido von List und Jörg Lanz von Liebenfels rasch politisiert. Der Swastika3 war fortan Mode in völkischen Kreisen, aber auch in der Jugendbewegung und bei den Lebensreformern. Noch befand sich das Symbol jedoch nicht endgültig in den Händen deutscher Rechtsradikaler. Die Kerenski-Regierung in Russland, völkischer Tendenzen eher unverdächtig, druckte das Hakenkreuz im Jahr 1917 auf ihre Banknoten. Dann aber kam Hitler. Im „Nazi-Meyer“, dem in den 1930er-Jahren erschienenen Universallexikon, lässt sich zusammenfassend nachlesen: „Die Überzeugung, daß es sich beim H[akenkreuz] urspr[ünglich] um ein Sonnensymbol handelt, hat sich heute allg[emein] durchgesetzt. Für diese Erklärung hat sich ein großer Teil der Forscher ausgesprochen, wobei die Möglichkeit der Sinnänderung, Sinnentleerung und des Herabsinkens zum Ornament nicht in Abrede gestellt wird.“4 Erst Hitler habe das Symbol aus seiner Vieldeutigkeit erlöst, so die NS-konforme Enzyklopädie. Ein Zitat aus „Mein Kampf“ identifiziert in dem Lexikonbeitrag das Hakenkreuz schließlich mit dem „Sieg des Gedankens der schaffenden Arbeit, die selbst ewig antisemitisch war und antisemitisch sein wird“.5

Die beiden hier zu besprechenden Bücher haben nicht nur den schlichten Titel „Das Hakenkreuz“ gemeinsam, sondern darüber hinaus die Tatsache, dass sie aus der Feder von Nicht-Historikern stammen.6 Lorenz Jäger ist Soziologe und Germanist und arbeitet im Feuilleton der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ); bei der Publikation von Elisabeth Weeber handelt es sich um eine vor fast zehn Jahren verfasste Magisterarbeit am Institut für Vorderasiatische Archäologie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die Bücher stoßen offenkundig in eine Lücke, die durch Historiker bisher nicht zu füllen war: eine Kulturgeschichte des Hakenkreuzes zu schreiben, die in ihrem wesentlichen politischen Teil des 19. und 20. Jahrhunderts eine Geschichte der Unkultur sein müsste.

Weeber schildert in ihrem schmalen Band nach einer Symboldefinition das Auftreten des Hakenkreuzes in der so genannten chalkolithischen Zeit sowie als Heils- und Glückzeichen in Indien, Tibet, China und Japan. Diese Passagen sind brauchbar und entsprechen wissenschaftlichen Standards. Oberflächlich und etwas unbedarft hingegen geht die Autorin im Folgenden auf die Wiederentdeckung des Swastika als eines „arischen“ Symbols im 19. Jahrhundert und schließlich durch die Nationalsozialisten ein. Wenn sie zum Beispiel Ernst Bloch als Kronzeugen für den vermeintlichen Mythen- und Symbolmangel der Weimarer Linken heranzieht, versäumt sie den Brückenschlag etwa zu Willi Münzenberg, Carlo Mierendorff oder Sergej Tschachotin, die sich mit vielen anderen der NS-Propaganda nicht nur analytisch, sondern auch symbolpraktisch entgegenstellten und deren propagandistischer Kampf gegen das heraufziehende „Dritte Reich“ nicht unterschätzt werden darf.7 Auch wartet Weeber gelegentlich mit Bemerkungen auf, die den Leser ratlos zurücklassen, etwa: „Wie sich zeigte, wurde die Frage nach dem Hakenkreuz immer mehr zu einer solchen der Rasse, und das Hakenkreuz avancierte dabei sehr schnell zu einem Sinnbild der nationalen Identität.“ (S. 68) Die Versuche der Nationalsozialisten, das Hakenkreuz zum nationalen Symbol zu machen, sollten keineswegs zu dem automatischen Schluss führen, dass dies zwischen 1933 und 1945 auch gelungen ist.

Jäger schildert die Geschichte des Hakenkreuzes von Heinrich Schliemann, der es Ende des 19. Jahrhunderts bei seinen Troja-Ausgrabungen fand, bis zur Gegenwart. Dabei erweckt er den Eindruck, als bedauere er die Tabuisierung des Symbols nach dem Zweiten Weltkrieg und wünsche sich eine Art Revival. In seinem essayistisch, stellenweise in nur schwer erträglichem Ton geschriebenen Buch führt er alle möglichen Vertreter der Geistesgeschichte an, die in irgendeiner Weise mit dem Swastika in Berührung kamen – darunter Alfred Schuler, Ludwig Klages, Stefan George, H.P. Lovecraft (Kapitelüberschrift: „Amerikanischer Holocaust“) oder Rudyard Kipling, der immerhin das lange Zeit als persönliches Logo verwendete Symbol 1935 als von den Deutschen „besudelt, nicht zu retten“ bezeichnete (S. 36). Selbst Rainer Maria Rilke wird nicht verschont, der 1921, wie längst bekannt, in seiner Hauskapelle im schweizerischen Muzot ein Hakenkreuz vorfand und sich daraufhin nach dessen Bedeutung erkundigte. Schließlich greift Jäger wie Weeber auf das Stereotyp der „linken Symbolblindheit“ in der Weimarer Republik zurück (S. 156), als hätten die Sozialdemokraten nicht gemeinsam mit DDP und Zentrum einen ganzen Kanon republikanischer Nationalsymbolik ins Werk gesetzt, darunter die schwarz-rot-goldene Fahne und die Hymne „Deutschland, Deutschland über alles“. Zum Hakenkreuz schreibt er hingegen, religiös verbrämt und hilflos verrutscht, durch kein Lektorat gemildert: „Ist es nicht einfach das Zeichen all jener, die Europa retten wollten, als Gott tot war, totgesagt?“ (S. 13)

Das alles wäre in Jägers Buch schon fragwürdig genug, wenn nicht noch das Kapitel „Jakob Jurowski erschießt die abergläubische Alexandra Fedorowna“ bevorstünde. Darin wird zunächst breit geschildert, wie vermeintlich groß der Anteil der Juden an der bolschewistischen Revolution von 1917 gewesen sei – Martin Hohmanns antisemitische Rede vom jüdischen „Tätervolk“ lässt grüßen.8 Dann schlägt der Autor einen Bogen zur Zarin Alexandra, die eine esoterische Anhängerin des Hakenkreuzes gewesen sei, das unter anderem als Kühlerfigur der Zarenlimousine oder auf ihrem persönlichen Tagebuch aufgetaucht sei. Zum Mord an der Zarenfamilie, der natürlich von einem Juden begangen worden sei, steht laut Jäger Heinrich Heines Gedicht „Belsatzar“ in einem besonderen Zusammenhang, da dessen letzte beide Zeilen am Tatort gefunden worden seien. Das Gedicht wird deshalb in voller Länge abgedruckt (S. 104ff.). Der als Jude stigmatisierte Heine wird hier flugs zum geistigen Mittäter gemacht. Das Hakenkreuz, so Jäger wenig später (S. 127), sei von den Zeitgenossen als Antwort auf den als jüdisch verstandenen Sowjetstern empfunden worden. Jäger ist erklärtermaßen Anhänger der These Ernst Noltes vom „kausalen Nexus“, der zufolge dem NS-Rassenmord der kommunistische Klassenmord vorausgegangen sei, und versucht diese These symbolisch zu orchestrieren. In seiner Danksagung würdigt der FAZ-Feuilletonredakteur den von breiten Historikerkreisen als revisionistisch eingestuften Nolte denn auch folgerichtig als „großen Gelehrten“ (S. 241).

Jägers Buch ist eine Hakenkreuz-Apologie. Er macht sich darin nicht einmal die Mühe, das völkische und von den Nationalsozialisten freudig aufgegriffene Gegensatzpaar „Arier“ – „Jude“ als das zu bezeichnen, was es ist, nämlich als historisch und wissenschaftlich unhaltbar. Die „Arier“ sind genauso wenig eine „Rasse“ wie die Juden – es handelt sich hier um einen Begriff aus der Sprachwissenschaft, der die Völker des indoiranischen Zweiges der indogermanischen Sprachfamilie kennzeichnet. Stattdessen schildert Jäger die vermeintliche „Lage um 1900: Man hatte eine Vorstellung vom Rassenkampf als Geschichtsgesetz, man hatte eine arische Rasse – und ein Symbol, ein Feldzeichen, das man dieser zuschreiben konnte“ (S. 29). Nachdem er im Schlusskapitel die Nachkriegsgeschichte des Hakenkreuzes mit der Verwendung unter anderem in der Punk-Szene und bei der chinesischen Sekte „Falun Gong“ geschildert hat, beendet der Autor sein Buch mit der Bemerkung: „Gegenwärtig werden in Deutschland die letzten noch verbliebenen Hakenkreuze entfernt.“ (S. 222) Ob er diese Entwicklung nun als Demokrat begrüßt oder aber bedauert, wie es Rechtsradikale tun, lässt der Autor offen. Eine fundierte und zeitgemäße Kulturgeschichte des Hakenkreuzes bleibt weiterhin zu schreiben.

Anmerkungen:
1 Zit. nach Dann, Otto, Nation und Nationalismus in Deutschland. 1770–1990, 3., überarb. und erw. Aufl. München 1996 (1. Aufl. 1993), S. 15.
2 Quinn, Malcolm, The Swastika. Constructing the Symbol, London 1994; Weißmann, Karlheinz, Schwarze Fahnen, Runenzeichen. Die Entwicklung der politischen Symbolik der deutschen Rechten zwischen 1890 und 1945, Düsseldorf 1991, S. 55-73; Behrenbeck, Sabine, Der Kult um die toten Helden. Nationalsozialistische Mythen, Riten und Symbole 1923 bis 1945, Vierow bei Greifswald 1996, S. 412-420.
3 Weeber weist darauf hin, dass die männliche Genusbezeichnung korrekt ist, auch wenn die weibliche größere Verbreitung gefunden habe (S. 19, Anm. 52).
4 Meyers Lexikon, Bd. 5: Gleichenberg – Japan, 8. Aufl. Leipzig 1938, S. 711.
5 Zit. nach Hitler, Adolf, Mein Kampf, 73. Aufl. München 1933 (1. Aufl. 1925/26), S. 557.
6 Karlheinz Weißmanns kurz zuvor erschienenes Buch „Das Hakenkreuz. Symbol eines Jahrhunderts“ (Schnellroda 2006) ist nach Verlagsangaben bereits vergriffen und konnte für diese Besprechung nicht herangezogen werden.
7 Münzenberg, Willi, Propaganda als Waffe. Ausgewählte Schriften 1919–1940, hrsg. von Til Schulz, Jossa 1977; Mierendorff, Carlo, Die Bedeutung der neuen Propaganda, in: Neue Blätter für den Sozialismus 3 (1932), S. 386ff.; ders.; Tschachotin, Sergej, Grundlagen und Formen politischer Propaganda, Magdeburg 1932. Zum symbolischen Abwehrkampf der Republik gegen die NSDAP vgl. Buchner, Bernd, Um nationale und republikanische Identität. Die deutsche Sozialdemokratie und der Kampf um die politischen Symbole in der Weimarer Republik, Bonn 2001, S. 288-300.
8 Zum Fall Hohmann siehe Benz, Wolfgang, Was ist Antisemitismus?, München 2004, S. 155-173.

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