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Titel
Hellenismus.


Autor(en)
Meißner, Burkhard
Reihe
Geschichte kompakt
Erschienen
Anzahl Seiten
VII, 150 S.
Preis
€ 9,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dorit Engster, Georg-August-Universität Göttingen

Der von Droysen geprägte Begriff des Hellenismus wird in der altertumswissenschaftlichen Forschung sehr unterschiedlich gefasst. So werden in der angelsächsischen Literatur besonders auch die kultur- und sozialgeschichtlichen Aspekte betont, in der deutschsprachigen Forschung liegt der Fokus dagegen eher auf den politischen Entwicklungen.1 Meißner legt den Schwerpunkt seiner umfassenden Darstellung ebenfalls auf die politische Geschichte der Zeit von 323 bis 30 v.Chr.; in einem großen Abschlusskapitel setzt er sich aber auch mit den generellen verfassungsgeschichtlichen, ideologischen, wirtschaftlichen und kulturellen Veränderungen und Innovationen dieser Zeit auseinander.

Nach einer knappen Einleitung wird vom Verfasser zunächst die Phase der Konstituierung der hellenistischen Reiche analysiert (S. 4–17). Die komplexen Entwicklungen bis zum Jahre 281 v.Chr. werden in sehr komprimierter Form dargestellt. Knapp werden die Kriege nach dem Tode Alexanders des Großen und die sich ändernden Legitimierungsstrategien geschildert. Die verschiedenen Phasen – vom Einschreiten gegen die Machtkonzentration eines Einzelnen über die Aufgabe des Gedankens eines einheitlichen Reiches und die Annahme des Königstitels durch die Diadochen bis zur Propagierung einer neuen Königsideologie – werden präzise dargelegt. Grundlegende, in die Zukunft weisende Entwicklungen wie unter anderem die Instrumentalisierung der Freiheitspropaganda für die griechischen Städte, die Bedeutung des individuellen Charismas, den Beschluss von Ehrungen für die Herrscher sowie deren erklärte Fürsorge für die Städte werden angerissen, jedoch erst im Schlusskapitel (S. 97ff.) systematisch untersucht. Der Verfasser bemüht sich zunächst um eine Darstellung aller Kriegsereignisse, was in einer – für den Anfänger leicht unüberschaubar werdenden – Fülle von Namen und Daten endet. Hier wäre zum Beispiel die Einfügung von Kartenmaterial bzw. Stammbäumen zur Veranschaulichung der dynastischen Beziehungen hilfreich gewesen.

Dies gilt auch für das folgende Kapitel, in dem Meißner die Zeit der Stabilisierung und der Etablierung der Reiche im 3. Jahrhundert (bis 217 v.Chr.) skizziert (S. 18ff.). Zunächst wird die Entwicklung in Makedonien und Griechenland – vom Kelteneinfall bis zur Herrschaft des Antigonos Doson – geschildert. Dem Autor gelingt es, die Darstellung der makedonischen Geschichte mit derjenigen der innergriechischen Ereignisse zu verknüpfen und die Konsequenzen der Politik der einzelnen Herrscher für die griechischen Städte und Bundesstaaten deutlich zu machen.

Die sich anschließenden Ausführungen erst zum Ptolemäer-, dann zum Seleukidenreich sind ebenfalls stärker auf die außenpolitischen bzw. kriegerischen Entwicklungen konzentriert, jedoch geht Meißner auch auf die Strukturen und inneren Schwierigkeiten der Reiche ein – insbesondere beim Herrscherwechsel, durch die Selbständigkeitsbestrebungen einzelner Territorien und im Verhältnis der herrschenden Elite zur einheimischen Bevölkerung. Dabei werden die Unterschiede zwischen den beiden Reichen bzw. die „größere innere Fragilität“ des Seleukidenreiches herausgestellt, die Kompromisse notwendig machte. Die hier wie auch in den folgenden Kapiteln gewählte einerseits chronologische, andererseits auch regional gegliederte Form der Darstellung bedingt, dass einzelne Ereignisse und Kriege mehrmals, wenn auch aus verschiedener Perspektive, betrachtet werden. Gerade die enge Verflechtung der ptolemäischen und seleukidischen Geschichte bringt zahlreiche Wiederholungen mit sich, was durch eine stärker übergreifende Art der Schilderung vielleicht vermeidbar gewesen wäre. 2

Eine prinzipiell chronologische Darstellungsweise, verbunden mit Zustandsbeschreibungen der Reiche, hat der Verfasser auch für das anschließende Kapitel gewählt, in dem er die Geschichte der hellenistischen Staatenwelt von 217 bis 107 v.Chr. beschreibt (S. 52ff.). Hier werden die zunehmenden Verwicklungen Roms in die Verhältnisse des östlichen Mittelmeerraumes und vor allem die Politik Philipps V. und Antiochos III. beleuchtet. Die unterschiedlichen Interessen, die Verschiebung der machtpolitischen Gewichte und wandelnden Allianzen werden im Einzelnen aufgeführt. Auch hier tritt die systematische Erfassung politischer Grundlinien und die Diskussion von Forschungsproblemen zugunsten einer sehr detaillierten Darstellung der Ereignisgeschichte etwas in den Hintergrund. Meißner gelingt es jedoch, den zunehmenden Einfluss Roms, sich ändernde Zielsetzungen und die stärker werdende Machtpolitik – vor dem Hintergrund der Schwäche der hellenistischen Reiche – deutlich werden zu lassen.

Die innere Zerrissenheit und zunehmende Schwächung der zentralen Königsmacht veranschaulicht der Verfasser besonders eindringlich am Beispiel des Makkabäeraufstandes und der Auseinandersetzungen der seleukidischen Herrscher mit den Eliten in Palästina. Der Autor zeigt weiter auf, wie Konflikte um den Thron im Seleukiden- wie im Ptolemäerreich auch äußeren Mächten die Möglichkeit zu Einflussnahme eröffneten. Vergleichsweise knapp geht Meißner jeweils auf die Situation in Griechenland und in Kleinasien ein. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt eindeutig auf der Geschichte der großen Monarchien in dieser Zeit.

Abgeschlossen wird der chronologische Durchgang durch die hellenistische Geschichte mit einer Diskussion der Jahre 129–30 v.Chr. Hier geht es dem Verfasser vor allem um eine Schilderung der Durchsetzung der römischen Herrschaft. So werden zunächst ausführlich die Auseinandersetzungen mit Mithridates VI. sowie die Grundlagen seiner Herrschaft und die Gründe für seinen zeitweiligen Erfolg erörtert. Meißner bezieht hierbei stark die römische Perspektive mit ein. Eingehend thematisiert er die Rückwirkungen der „weitgehend privat und unabhängig von einer politisch verantworteten Zielsetzung geführten Eroberungskriege“ auf die römische Innenpolitik. So geht er detailliert auf die durchgreifenden Änderungen der politischen Landkarte im Osten bis zur Einrichtung der Provinz Syria ein. Die inneren Verhältnisse und Konflikte des Seleukidenreiches werden allerdings sehr verkürzt dargestellt und beim Leser gewisse Grundkenntnisse erwartet.

Auch der anschließende Abriss der Geschichte des Ptolemäerreichs ist sehr voraussetzungsreich – besonders was die Auseinandersetzungen innerhalb des Herrscherhauses und die Phasen der Herrschaftsteilung betrifft. Die ptolemäische Geschichte ab dem Jahre 60 v.Chr. betrachtet der Verfasser dann als „Faktor der römischen Innenpolitik“. Konsequenterweise mündet seine Darstellung in einer ausführlichen Schilderung des römischen Bürgerkriegs und – abschließend – in einer Skizzierung der augusteischen Ordnung. An den geschichtlichen Überblick schließt sich ein übergreifendes Kapitel zu generellen Strukturen und Entwicklungslinien im Hellenismus an (S. 97ff.).

Meißner diskutiert zunächst die Grundlagen des hellenistischen Königtums, wobei er auch auf die Problematik der „charismatischen“ Herrschaft eingeht. Daran anschließend skizziert er die Verhältnisse an den hellenistischen Höfen und die – unter Umständen prekäre – Stellung der philoi. Der Autor konstatiert zum einen die Wirksamkeit des Vorbildes Alexanders, gleichzeitig aber auch eine Tendenz zur „Verhofung“. In den folgenden zwei Unterkapiteln (S. 101ff.) werden dann kurz die Rechts- und Verwaltungsstrukturen und – ausführlicher – Wirtschaft und Gesellschaft behandelt. Auch aufgrund der Quellenlage ist die Darstellung auf das Seleukiden- und Ptolemäerreich fokussiert, wobei allerdings in diesem Zusammenhang auch Ebene und Perspektive der Städte, der Eliten wie der einheimischen Bevölkerung thematisiert werden. Dem Verfasser gelingt es hier, die Unterschiede zwischen den ptolemäischen und seleukidischen Wirtschaftsstrukturen deutlich zu machen. Auch die in beiden Reichen existierenden Gegensätze zwischen Makedonen, Griechen und Einheimischen sowie zwischen Stadt und Land werden in diesem Zusammenhang angesprochen.

In einem weiteren Abschnitt (S. 109ff.) geht Meißner auf wissenschaftliche, technologische und kulturelle Entwicklungen ein, wobei er den Schwerpunkt zum einen auf die hellenistische Literatur – insbesondere auf die Geschichtsschreibung –, zum anderen auf die Philosophie und politische Theorie legt. So werden von ihm die wichtigsten Strömungen und Vertreter vorgestellt sowie die Stätten der wissenschaftlichen und literarischen Arbeit, die Bibliotheken und Herrscherhöfe. Auch spezifische hellenistische Entwicklungen wie die Betonung von Originalität und Gelehrsamkeit oder die Konzentration auf Emotionen und Privates werden thematisiert sowie – für den Bereich der Philosophie – eine Tendenz zur Verwissenschaftlichung und eine veränderte Art der Reflexion über politische Verhältnisse; dabei wird die Perspektive des Stadtstaates zunehmend überwunden, die Monarchie theoretisch begründet und die Idee des Weltbürgers entwickelt. Leider nur knapp werden die durchschlagenden Entwicklungen auf dem Gebiet der Technik angesprochen.

In einem abschließenden Abschnitt (S. 127ff.) thematisiert der Verfasser die Neuerungen und Entwicklungen auf religiösem Gebiet. Hier wird deutlich, wie sehr gerade die hellenistischen Herrscher auch schöpferisch tätig wurden, sei es durch die Etablierung neuer Kulte (Serapis), sei es durch die Förderung einheimischer Religion. Ausführlicher geht Meißner auf Formen und Funktionen des Herrscherkultes ein. Abschließend wird ausgehend von der Frage der Bürgeridentität und des Kosmopolitismus sowie der Rolle der Institution des Gymnasiums die Frage nach Kulturaustausch und einer gemeinhellenistischen Kultur diskutiert. Der Verfasser will lieber von einer „Vielzahl von Partikularkulturen“ sprechen, auch wenn er die Rolle der Gymnasien bei der Vermittlung griechischer Wertvorstellungen betont. Hier wäre möglicherweise ein die Darstellung abschließender Ausblick auf das Fortwirken der hellenistischen Kultur auch in der römischen Kaiserzeit von Interesse gewesen.

Abgerundet wird die Darstellung durch eine umfangreiche, nach Sachgebieten gegliederte Bibliographie. Insgesamt bietet das vorliegende Werk einen guten Einblick in die verschiedenen Bereiche der hellenistischen Geschichte. Die detailreiche, aber auch komprimierte Form der Darstellung macht sie allerdings eher für den bereits mit dem Thema grundlegend vertrauten Leser geeignet.

Anmerkungen:
1 Vgl. in diesem Zusammenhang Green, Peter, Alexander to Actium. The Hellenistic Age, London 1990; Shipley, Graham, The Greek World after Alexander 323–30 BC, London u.a. 2000. Gleichberechtigt berücksichtigt werden die verschiedenen Aspekte der hellenistischen Geschichte bei Gehrke, Hans-Joachim, Geschichte des Hellenismus, München 2003.
2 Eine ähnliche Form der Gliederung ist allerdings auch im Werk von Heinen, Heinz, Geschichte des Hellenismus, München 2003, gewählt.

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