Titel
How Race Is Made. Slavery, Segregation, and the Senses


Autor(en)
Smith, Mark M.
Erschienen
Anzahl Seiten
208 S.
Preis
€ 17,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Nora Kreuzenbeck, Historisches Seminar, Universität Erfurt

Mit „How race is made“ legt Mark Smith einen äußerst gelungene Beitrag zur Bedeutung der Sinne und der Sinnlichkeit in der Konstruktion von „race“ im Amerikanischen Süden vor. Smith eröffnet mit der Kritik, dass die Konstruktion von „race“ in der Forschung bisher weitgehend als visuelles Phänomen wahrgenommen worden ist und nimmt es sich daher zur Aufgabe, andere sinnliche Ebenen in der Konstruktion, Aufrechterhaltung und Veränderung von „race“ zu untersuchen (S. 2). So knüpft das Buch an eine bereits bestehende Forschungsdebatte zur Visualisierung von „race“ an und erweitert sie darüber hinaus äußerst überzeugend um eine originäre Untersuchung der sinnlichen Ebenen des Fühlens, Schmeckens, Hörens und Riechens in der sozialen Konstruktion von „race“. Dabei argumentiert Smith, dass mit der stetigen Zunahme einer „racially mixed population“ (S. 4) im Amerikanischen Süden spätestens ab den 1850er-Jahren eine binäre Einteilung in „schwarz“ und „weiß“ anhand rein visuell wahrnehmbarer Merkmale wie etwa Hautfarbe kaum mehr funktionieren konnte. Um zu verdeutlichen, wie kompliziert, uneindeutig und zugleich irrational die visuelle Kodierung spätestens im 19. Jahrhundert geworden war, führt Smith die Etablierung der „one-drop-rule“ (S. 7) an, laut der jede Person als „schwarz“ kategorisiert wurde, die in irgend einer Weise afrikanischer „Abstammung“ war. Smith versteht in seiner Argumentation das Sehen als eine Wahrnehmungsform, die eher die Rationalität anspricht, während andere Sinneswahrnehmungen eher auf einer Gefühlsebene rezipiert würden: „Without denying the emotional content of particular sights, a wide range of research suggests that some of the other senses in particular historical contexts and circumstances appeal more to the gut than to the mind.“ (S. 3) Diese Vermutung lädt zweifelsohne zur Diskussion ein, denn die Dichotomisierung von „mind“ und „guts“ scheint problematisch. Zumindest ist zu bezweifeln, ob sich „Rationalität“ und „Gefühl“ sinnvoll voneinander trennen lassen. Smith jedenfalls betont die Irrationalität von „race“ (S. 115), und zeigt dabei die Instabilität und Zufälligkeit des Konstrukts auf.

Im Zentrum der Untersuchung steht die dominante „weiße“ Konzeption von „blackness“. Schwarze Perspektiven eröffnen sich in Smiths Arbeit immer als Antwort auf eine rassistische Stereotypisierung durch andere. Dabei stellt Smith die These auf, dass „schwarze“ Stereotypisierungen von „whiteness“ bei weitem „milder“ und „less systematic“ waren, da sie kaum eine ähnliche politische und soziale Wirkmächtigkeit entfalten konnten. Eine Aneignung von Strategien zur sinnlichen Stereotypisierung „weißer“ Menschen ging daher auch deshalb weitaus verhaltener vonstatten, da dies bedeutet hätte, die Instrumente der Diskriminierung „schwarzer“ Menschen durch andere als gültig anzuerkennen (S. 8). Gerade an diesem Punkt wäre sicherlich eine weiterführende Untersuchung dringend notwendig, da sich doch der Verdacht aufdrängt, dass dieses Themenfeld weit komplexer und vielschichtiger ist, als es Smiths es hier anzureißen vermag (S. 108f.).

Smiths Untersuchungszeitraum erstreckt sich über fast 200 Jahre von der Kolonialzeit bis in die segregierten 1950er-Jahre. Die einzelnen Kapitel fügen sich dabei chronologisch aneinander. Bereits seit der Kolonialzeit machten Engländer/innen Gebrauch von allen Sinnen in der rassischen Konzeptionalisierung von Afrikaner/innen. Als ab Mitte des 19. Jahrhunderts die Institution der Sklaverei immer größeren Druck von außen erfuhr, bedienten sich weiße Südstaatler/innen aller Sinne, um die angebliche Unterlegenheit „schwarzer“ Menschen unter Beweis zu stellen und zudem ihre besondere und natürliche Eignung für harte körperliche Plantagenarbeit zu behaupten. So wurde argumentiert, dass „schwarze“ Haut rauer und robuster sei als „weiße“ Haut, was „schwarze“ Menschen nicht nur besonders geeignet scheinen ließ für lange Arbeitstage auf Baumwoll- und Tabakfeldern unter sengender Sonne, sondern auch die Vorstellung begünstigte, dass raue, minderwertige und somit billige Stoffe völlig ausreichend seien, um „schwarze“ Körper zu bekleiden. Die Vorstellung, dass der Geschmackssinn „schwarzer“ Menschen weniger gut ausgebildet sei, erlaubte es, versklavte Menschen mit minderwertigem, eintönigen Nahrungsmitteln zu verpflegen (S. 23f., 88).

Wie Smith aufzeigt, trafen einige Stereotype tatsächlich manchmal auf „schwarze“ Menschen zu – allerdings nicht aufgrund biologischer Grundbeschaffenheiten, sondern verursacht durch Lebensumstände. Harte körperliche Arbeit auf Plantagen und eingeschränkte Waschmöglichkeiten begünstigten die Entwicklung von Körpergerüchen. Hände konnten von harter landwirtschaftlicher Arbeit rau werden, Füße spröde vom Laufen ohne Schuhe. Haut wurde trocken und ledrig vom ungeschützten Arbeiten in der Sonne und vernarbt durch Prügelstrafen (S. 42ff.).

Smiths Arbeit ist immer dann besonders spannend, wenn sich Brüche und Widersprüche in der Konzeption von „race“ auftun. Besonders gelungen ist in diesem Kontext Smiths Versuch, Stereotypisierungen von armen „weißen“ Südstaatlern, die oft ähnlichen lebten und arbeiteten wie versklavte Menschen, von Vorstellungen „schwarzer“ Stereotype abzugrenzen. So wurden etwa Körpergerüche armer „Weißer“ nicht mit einer Vorstellung von rassischer Minderwertigkeit in Verbindung gebracht (S. 93).

Nach dem Ende der Sklaverei brachten die Jahre der „Reconstruction“ und der Segregation neue Strategien in der Begründung von „race“. Im Namen der „white supremacy“ galt es, die angeblichen Gefahren enger Kontakte zwischen „schwarzen“ und „weißen“ Menschen zu untermauern. Es waren dabei alle Sinne im Einsatz, um „blackness“ zu entlarven. Besondere Aufmerksamkeit erfuhr dabei die Idee von einem distinktiven „schwarzen“ Körpergeruch, der auch hellhäutigen African Americans zueigen sei. Auch Stimmen konnten „blackness“ verraten, beziehungsweise konnte der Gehörsinn zwischen „schwarzen“ und „weißen“ Stimmen unterscheiden. Die Vorstellung, dass „blackness“ übertragbar sei, verbot den engen Kontakt zwischen „schwarzen“ und „weißen“ Menschen.

Dabei ergaben sich aber auch zahlreiche Brüche und Widersprüchlichkeiten. Wurden Menschen in Schulen, Schwimmbädern, öffentlichen Toiletten, öffentlichen Verkehrsmitteln, Restaurants und anderen öffentlichen Einrichtungen rigide von einander getrennt, so gab es doch weiterhin viele intime und sinnliche Kontakte zwischen „schwarzen“ und „weißen“ Menschen. So arbeiteten zum Beispiel viele Frauen als Reinigungskräfte, Dienstpersonal oder als Köchinnen in „weißen“ Haushalten und drangen somit in intimste Bereiche menschlichen Zusammenlebens vor. „Schwarze“ Frauen betreuten und versorgten außerdem „weiße“ Kleinkinder, und zweifelsohne bestand dabei ein enger körperlicher Kontakt. Außerdem gab es wie schon während der Sklaverei auch im Jim-Crow-Süden nicht selten sexuelle Kontakte zwischen „weißen“ Männern und „schwarzen“ Frauen, die häufig von weißen Männern gewaltsam erzwungen wurden. Dabei galten allerdings „weiße“ Männer oft als Opfer schwarzer weiblicher Verführung, die dem Körpergeruch, der Bewegung und Berührung „schwarzer“ Körper willenlos erlagen (S. 58, 90ff.). Smith reißt dabei die Stellung von Sexualität und Geschlecht in der Geschichte von „race“ und der Sinne nur kurz an, und wie Martha Hodes bereits festgestellt hat, bleibt in diesem Bereich noch viel Arbeit zu tun.1
Auch in der Diskussion um die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im Fall „Brown vs. Board of Education“, die im Jahre 1954 die Segregation in öffentlichen Schulen formell abschaffte, spielten die Sinne eine wichtige Rolle. Dabei befürchteten „weiße“ Eltern nicht nur, dass sich ihre Kinder vom Körpergeruch „schwarzer“ Kinder belästigt fühlen könnten (S. 126, 131). Weitaus bedrohlicher erschien vielen die Möglichkeit, dass es zu sexuellen Kontakten zwischen „weißen“ Mädchen und „schwarzen“ Jungen kommen könnte, was in der Logik rassistischer Ideologie „weiße“ weibliche Körper unwiederbringlich verunreinigen würde (S.132ff.).

„Schwarze“ Menschen wehrten sich gegen eine sinnliche Stereotypisierung, in dem sie stereotypischen Vorstellungen von „blackness“ widersprachen bzw. aufzuzeigen versuchten, dass nicht Biologie, sondern Lebensumstände „schwarze“ Körper formten (S. 109f., 113). Smith lässt dabei nicht außer Betracht, dass African Americans durchaus keinen homogenen Block darstellten. Mitglieder einer hellhäutigen Elite übernahmen in einem Versuch der Abgrenzung rassistische Stereotypisierungen von dunkleren Menschen. Besonders zwischen 1880 und 1920 versuchten viele hellhäutige „schwarze“ Menschen – die Absurdität von „race“ drängt sich in dieser Formulierung förmlich auf – von der Gesellschaft als „weiß“ wahrgenommen zu werden, um sich den überwältigenden gesellschaftlichen Restriktionen im Jim-Crow-Süden zu entziehen. Der Versuch des „passing for white“ ließ sich für die Betroffenen nur durch eine klare Abgrenzung von allem verwirklichen, was als „niggery“ (S. 103) verstanden werden konnte, wie etwa auffällige Kleidung, ein lautes Auftreten und eine „schwarz“ klingende Sprache. Im Prozess des „passings“ galt es also nicht nur, der visuellen Fremdidentifizierung als „black“ zu entgehen, sondern auch allen übrigen Sinnen keinen Grund für die Vermutung von „blackness“ zu liefern.

„How Race is Made“ ist nicht nur äußerst lesenswert, sondern auch lesbar, bedient es sich doch einer Sprache, die pointiert und dabei leicht zugänglich ist, ohne ins Triviale abzudriften. Das Buch dürfte daher auch Menschen ansprechen, die nicht mit dem so oft sehr exklusiven Fachjargon vertraut sind, den Texte zur Theoretisierung von „race“ häufig mit sich bringen. So ist „How Race Is Made“ ein überaus empfehlenswertes Buch nicht nur für ein Fachpublikum, dem Smith originäre Zugänge zur Bedeutung der Sinne in der Konstruktion von „race“ anbietet, sondern eignet sich auch als Lektüre für Leser/innen, die mit der Thematik bisher weniger vertraut sind. „How Race is Made“ dürfte dabei gerade wegen seiner teils provokanten Thesen und seiner Anschaulichkeit einiges an Diskussionsstoff bieten.

Anmerkung:
1 Hodes, Martha, Rezension zu Smith, Mark M., How Race is Made. Slavery, Segregation and the Senses. Chapel Hill, NC, 2006, in: Slavery and Abolition, 28 (2007), 1, S. 140–142, hier S. 142.

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