Titel
Soul Power. Culture, Radicalism, and the Making of a U.S. Third World Left


Autor(en)
Young, Cynthia
Erschienen
Durham, NC 2006: Duke University Press
Anzahl Seiten
307 S.
Preis
$ 22,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Wilfried Mausbach, Heidelberg Center for American Studies (HCA), Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Cynthia A. Youngs Buch (die überarbeitete Fassung ihrer Dissertation von 1999 an der Yale University) reiht sich in die zunehmende Zahl an Studien ein, die die gängigen Periodisierungen und Polarisierungen in der Forschung zu den sozialen Bewegungen der 1960er- und 1970er-Jahre überwinden wollen. So schreibt die Autorin gegen eine von ihr ausgemachte Tendenz an, das Scheitern der Neuen Linken in den 1960er-Jahren auf eine um sich greifende Identitätspolitik zurückzuführen, die den ursprünglichen Ansatz einer klassenbasierten Revolution untergraben habe. Wenn das Postulat einer solchen Tendenz auch nicht ganz zu überzeugen vermag, so gelingt es Young doch zu zeigen, dass eine Reduzierung der „U.S. Third World Left“ auf Identitätspolitik schon deshalb problematisch ist, weil diese ganz unterschiedliche lokale Zusammenhänge ebenso wie vielfältige klassen-, rassen- oder geschlechtsspezifische Identitäten thematisierte. Indem Young sich zudem ganz überwiegend der kulturellen Produktion der „U.S. Third World Left“ zuwendet, erschließt sie der historischen Forschung zu linken sozialen Bewegungen in den USA neue Perspektiven.

Young sondiert ihren Untersuchungsgegenstand anhand von sechs Fallstudien. Im ersten Kapitel beschreibt sie den Einfluss, den eine gemeinsame Reise nach Kuba im Juli 1960 auf die drei afroamerikanischen Schriftsteller Harold Cruse, LeRoi Jones und Robert F. Williams hatte. Auch wenn die Bedeutung der kubanischen Revolution für die amerikanische Bürgerrechtsbewegung und Neue Linke längst bekannt ist1 und auch der Einfluss, den der internationale Antikolonialismus auf LeRoi Jones hatte2 und die engen Verbindungen, die Robert F. Williams zur Dritten Welt pflegte3, bereits eingehend analysiert wurden, kann Young die bisherige Forschung doch zu dem Befund verdichten, dass die kubanische Erfahrung ihrer drei Protagonisten gleichsam an der Wiege der „U.S. Third World Left“ steht, indem sie der Bürgerrechtsbewegung eine antikoloniale Perspektive verschaffte. Selbst Cruse, der zu Castros Kuba eine größere Distanz wahrte und eine umstandslose Identifikation mit der Dritten Welt kritisierte, setzte die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung fortan mehrfach in Analogie zu den revolutionären Befreiungsbewegungen der Dritten Welt.

Nach dieser Befassung mit eher theoretisch orientierten Intellektuellen, wendet Young sich im zweiten Kapitel Akteuren zu, die praktische Basisarbeit betrieben. Sie wählt dazu die im Gesundheitssektor aktive Gewerkschaft Local 1199 aus, der es gelungen sei, eine wirksame Koalition zwischen traditioneller Arbeiterbewegung und internationalistisch-antikolonialistischen Strömungen innerhalb der Neuen Linken zu schmieden, was zugleich zeige, dass zu dem oftmals als unvermeidlich angesehenen Zerwürfnis zwischen alter und neuer Linke durchaus Alternativen vorstellbar gewesen seien.4 Young illustriert, wie wichtig dabei die kulturelle Produktion der Organisation war, die neben dem eigenen Gewerkschaftsblatt auch Theateraufführungen, Lesungen, Konzerte und Filmvorführungen umfasste. Das Bemühen, antiimperialistische und antirassistische Kulturpolitik an der Basis zu machen, weise Local 1199 als Teil der „U.S. Third World Left“ aus.

Auch in den beiden folgenden Kapiteln zeigt Young, wie Politik und Kultur in täglichen Praktiken zusammenfließen konnten. Sie untersucht dazu die Filmemacher der Gruppe Newsreel bzw. deren Nachfolgeorganisation „Third World Newsreel“. Gegen die bisherige Forschung betont sie dabei die Kontinuitäten zwischen beiden Gruppen im Hinblick auf antikoloniale Einstellungen und die Verwendung kubanischer „Third Cinema“-Techniken. Young zeigt an Dokumentarfilmen von Newsreel über die „Young Lords Party“ in East Harlem und eine wesentlich von puertoricanischen Frauen getragene Hausbesetzerbewegung an der New Yorker Upper West Side, wie die Beschäftigung mit lokalen „Drittweltgemeinden“ bereits zu Beginn der 1970er-Jahre zum beherrschenden Thema linker Politik in den USA wurde. Die Autorin sieht in der Umbenennung in „Third World Newsreel“ und der Durchsetzung des Prinzips, dass Filme über Minderheiten nur noch von diesen selbst gedreht werden dürften, daher keinen radikalen Bruch, sondern eher eine Transformation von Newsreel. Neu sei nun insbesondere die Verbindung lokaler Kämpfe farbiger städtischer Gemeinden mit der umfassenderen antikolonialen Dynamik in der Dritten Welt gewesen. Young führt dies insbesondere anhand einer detaillierten Analyse des Films „Teach Our Children“ (1972) vor, der die Bedingungen, welche im September 1971 die Revolte im Gefängnis von Attica auslösten, mit den sozialen Umständen in verarmten afroamerikanischen und hispanischen Ghettos vergleicht und beides in den Kontext des globalen antikolonialen Kampfes stellt.

Das fünfte Kapitel porträtiert Angela Davis als ureigene Vertreterin der „U.S. Third World Left“, bei der gemeinhin übersehen worden sei, dass ihre frühe internationale Orientierung ihren innenpolitischen Radikalismus geprägt habe und nicht umgekehrt. Young liest Davis’ Autobiografie als „slave narrative“, in dem deutlich werde, wie die Aktivistin – aufgrund ihrer Hautfarbe von ihrem Heimatland entfremdet – nach neuen Formen internationaler Zusammenarbeit und Solidarität gesucht habe. Sie rekonstruiert, wie die Auseinandersetzungen um Algerien in Frankreich und Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg in Paris und Frankfurt Davis’ antikoloniale Perspektive während ihrer Studienjahre in Europa schärften, und sie legt als Kern des 1971 in der Untersuchungshaft geschriebenen Aufsatzes „Political Prisoners, Prison, and Black Liberation“ die Beobachtung frei, dass das Verhältnis von Gefängnis und Gefangenem in den USA genau die Struktur des Kolonialismus widerspiegele.

In ihrer abschließenden Fallstudie kehrt Young zum Film zurück und unterzieht die Produktionen der kalifornischen Gruppe „L.A. Rebellion“ einer eingehenden Analyse. Sie veranschaulicht zunächst die Bedeutung, die Frantz Fanon und Ngugi wa Thiong’o für die Filmemacher hatten. In dem Bemühen, ihre eigene relative Privilegierung als Studierende und Professoren an der University of California, Los Angeles, mit der Hoffnungslosigkeit in Watts zu vermitteln, setzten diese sich insbesondere mit Fanons Figur des intellektuellen Revolutionärs auseinander. Während bei Fanon aber die Verbindung zwischen antikolonialen Intellektuellen und den unterdrückten Massen letztlich unklar bleibt, gelingt es Ngugi hier eine Brücke zu bauen, indem er den kritischen und durch die postkoloniale Gegenwart kontrollierten Rückgriff auf vorkoloniale Traditionen erlaubt. Young zeigt anschließend wie sich diese Lösung in den Filmen „Bush Mama“ (1979), dessen Protagonistin über das Bekenntnis zu afrikanischen Traditionen zum Widerstand findet, und „Killer of Sheep“ (1977), in dem die afroamerikanische Vergangenheit mit der Gegenwart von Watts verbunden wird, widerspiegelt. Zugleich kann Young überzeugend veranschaulichen, wie sehr den mit alltäglicher staatlicher Gewalt konfrontierten Minderheiten in den Werken von L.A. Rebellion jeglicher Heroismus der früheren Dokumentarfilme fehlt. Young deutet dies als Indiz für eine Wandlung innerhalb der „U.S. Third World Left“, die sich fortan statt auf den globalen Zusammenhang mehr und mehr auf Lokales konzentriert habe.

Die Stärken dieses anregenden Buches liegen zweifelsohne in der gründlichen Analyse bisher weitgehend vernachlässigter, im Umkreis der afroamerikanischen Neuen Linken entstandener filmischer Produktionen sowie überhaupt in der Freilegung des engen Zusammenhangs zwischen kulturellen Manifestationen und politischem Radikalismus innerhalb der Bewegung insgesamt und der „Third World Left“ insbesondere. Freilich bleibt weitgehend unklar, was unter der „U.S. Third World Left“ eigentlich zu verstehen sei. Zwar bestimmt Young diese als kulturelle und politische Formation, die die Emanzipationsbestrebungen der Bürgerrechtsbewegung mit den klassenkämpferischen und antikolonialen Anliegen der alten Linken und dem basisdemokratischen Schwung der Neuen Linken verbunden habe. Zuweilen – etwa wenn es um die Gewerkschaftsaktivisten von „Local 1199“ geht – scheint aber bereits die bloße Herkunft aus Puerto Rico oder dem segregierten Süden der USA für die Zugehörigkeit zur „Third World Left“ zu bürgen. Wenn dieses Kriterium allzu lose ist, so engt die Beschränkung auf afroamerikanische und puertoricanische Aktivisten den Kreis einer „U.S. Third World Left“ andererseits über Gebühr ein. Eine Studie, die all jene Gruppen in den USA umfasst, welche die afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Befreiungskämpfe als weltgeschichtlich zentrale Auseinandersetzung zwischen Dritter Welt und Imperialismus auffassten, die auch für das Schicksal politischer und sozialer Emanzipationsbewegungen in den Metropolen entscheidend sei, bleibt somit weiterhin ein Desiderat.

Anmerkungen:
1 Vgl. Moore, Carlos, Castro, the Blacks, and Africa, Los Angeles 1988; Gosse, Van, Where the Boys Are: Cuba, Cold War America, and the Making of a New Left, London/ New York 1993.
2 Vgl. Woodard, Komozi, A Nation within a Nation: Amiri Baraka (LeRoi Jones) and Black Power Politics, Chapel Hill, N.C., 1999.
3 Vgl. Tyson, Timothy B., Radio Free Dixie: Robert F. Williams and the Roots of Black Power, Chapel Hill, N.C., 1999.
4 Young argumentiert hier vor allem – dessen Ergebnisse allerdings bewusst zuspitzend – gegen Levy, Peter, The New Left and Labor in the 1960s, Urbana, Ill., 1994.

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