Ph. Gassert u.a.: Kleine Geschichte der USA

Cover
Titel
Kleine Geschichte der USA.


Autor(en)
Gassert, Philipp; Häberlein, Mark; Wala, Michael
Erschienen
Stuttgart 2007: Reclam
Anzahl Seiten
550 S.
Preis
€ 19,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Heike Bungert, Universität Köln

Mit der „Kleinen Geschichte der USA“ legt auch der Reclam-Verlag eine Überblicksdarstellung der Geschichte der Vereinigten Staaten vor – nach der revidierten Neuauflage von Kröner, dem schmalen Band bei Beck-Wissen, dem Klassiker von Jürgen Heideking bei UTB, den eher für Studierende konzipierten zwei Bänden in der Reihe Oldenbourg Grundriss der Geschichte und dem achtbändigen, detailreichen Werk beim Lit-Verlag sowie geplanten Bänden bei Kohlhammer und Böhlau.1 Da die Geschichte der USA aber trotz der überragenden politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Rolle der Vereinigten Staaten kaum in der Schule gelehrt wird und mit 15 Professuren bundesweit auch in der deutschen Geschichtswissenschaft unterrepräsentiert ist, kann man den neuen Band nur begrüßen. Die Autoren wollen auch explizit „historische Orientierung“ (S. 11) für ein Gegenwartsinteresse an den USA bieten.

Der Band ist sehr einleuchtend in vier Teile gegliedert: die Epoche von der ersten permanenten Besiedlung durch die Engländer 1607 bis zur Verschärfung der Konflikte zwischen Mutterland und Kolonien 1763, die Revolutionszeit 1763 bis 1800, das 19. Jahrhundert sowie das 20. und 21. Jahrhundert. Die ersten beiden Teile stammen aus der Feder von Mark Häberlein, das 19. Jahrhundert von Michael Wala und die Zeit bis zur Gegenwart von Philipp Gassert. Damit sind alle Teile von Spezialisten verfasst. Sehr begrüßenswert ist, dass der Zeit von 1607 bis 1800 genauso viel Platz eingeräumt wurde wie den beiden späteren Epochen, da in der Zeit der Besiedlung und der Gründung der amerikanischen Republik viele Weichen für die Entwicklung der USA gestellt wurden.

Der Schwerpunkt des Bandes liegt im Allgemeinen auf der (Außen)Politik. Es sind jedoch leichte Unterschiede zwischen den Autoren festzustellen. Mark Häberlein legt viel Wert auf Sozial- und Regionalgeschichte sowie die Einwanderung, Michael Wala betont die Außenpolitik, während Philipp Gassert ein Drittel seiner Unterkapitel der Kulturgeschichte im weiteren Sinne widmet. Dennoch handelt es sich um einen sehr einheitlichen Text, bei dessen Lektüre man sich der unterschiedlichen Autoren kaum bewusst ist. In den Übergängen zwischen den Teilen zum 17./18., zum 19. und zum 20./21. Jahrhundert gibt es zwar einige kleinere Wiederholungen, diese ermöglichen aber ein separates Lesen der einzelnen Teile.

Bei der „Kleinen Geschichte der USA“ handelt es sich um eine rundum gelungene Interpretation, die, obwohl sie ein breiteres Publikum anvisiert, an kritischen Stellen Forschungskontroversen erwähnt. Die Autoren kennen die neueste Literatur in allen Bereichen und scheuen sich nicht, immer wieder vorsichtig Stellung zu beziehen. Wenn man etwas bemängeln kann, so ist es, dass ethnische Geschichte und Frauengeschichte etwas zu kurz kommen. Das Werk beginnt mit der Besiedlung durch die Engländer, die indianischen Bewohner wie auch die spanischen Eroberer im Südwesten und in Florida werden ausgelassen. Indianer finden jedoch bei der Besiedlung durch die Weißen, bei der Eroberung des Westens und in der Zwischenkriegszeit Erwähnung. Afroamerikaner spielen eine relativ große Rolle, Mexikaner und die Chicano-Bewegung hingegen nicht. Frauen werden in der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts immer mal wieder gestreift, aber beispielsweise nur zweimal in der Zeitleiste erwähnt; selbst der Verweis auf das erste Frauenrechts-Treffen in Seneca Falls 1848 fehlt. Wie bei jedem Überblickwerk werden Fachleute bei einzelnen Interpretationen oder Schwerpunktsetzungen anderer Meinung sein; so nimmt die Jacksonian Democracy nur geringen Raum ein, und die Sklaverei in den Nordstaaten gilt mit 1804 als erloschen.

Im Gegensatz zum Vergleichsband, der Geschichte der USA von Jürgen Heideking, zeichnet sich die „Kleine Geschichte der USA“ in Reclam-Manier durch sehr nützliche Epochenüberblicke aus, die den vier Hauptteilen vorausgehen. Auch die Zusammenfassung des Charakters der amerikanischen Revolution (S. 165-169) ist positiv hervorzuheben. Dafür gibt es nur drei Karten und keine Statistiken oder Graphiken über Bevölkerungswachstum, Urbanisierung usw. Neu gewählte Präsidenten werden jedoch mit wenigen Ausnahmen in der Zeitleiste erwähnt. Für weitere Auflagen, die sicher folgen werden, wäre eine Erweiterung der Bibliographie zu erwägen, deren Auswahlkriterien – mit Ausnahme einer einleuchtenden Bevorzugung deutschsprachiger Literatur – nicht ganz einsichtig sind. Während der Band ein Personen- und Ortsregister enthält, täte ein Sachregister dringend not. Denn dieser Band wird sicher nicht nur von Anfang bis Ende gelesen, sondern auch immer wieder zum Nachschlagen genutzt werden. Insgesamt richtet sich die „Kleine Geschichte der USA“ sowohl an ein allgemeines Publikum als auch an Studierende und interessierte KollegInnen anderer Fachrichtungen.

Anmerkung:
1 Sautter, Udo, Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, Stuttgart, 7. Aufl., 2006 [1976]; Dippel, Horst, Geschichte der USA, München, 7. Aufl., 2005 [1996]; Jürgen Heideking, Geschichte der USA, Stuttgart, 5. Aufl., 2007 [1996]; Adams, Willi Paul, Die USA vor 1900, München, 2000; Adams, Willi Paul, Die USA im 20. Jahrhundert, München, 2000; Wellenreuther, Hermann/Finzsch, Norbert/Lehmkuhl, Ulla, Geschichte Nordamerikas in atlantischer Perspektive von den Anfängen bis zur Gegenwart, Münster, 2004.

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