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Titel
Mensa regia. Das Bankett beim hellenistischen König und beim römischen Kaiser


Autor(en)
Vössing, Konrad
Reihe
Beiträge zur Altertumskunde 193
Erschienen
München u.a. 2004: K.G. Saur
Anzahl Seiten
15, 627 S.
Preis
€ 110,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dorit Engster, Althistorisches Seminar, Georg-August-Universität Göttingen

Die große Bedeutung gemeinsamer Mahlzeiten in der Antike – von der griechischen Frühzeit bis in die christliche Spätantike – stellt eine der Konstanten des sozialen Lebens dar und hat in den letzten Jahren verstärkt Aufmerksamkeit in der Forschung gefunden. Dabei wurde teils die materielle Seite betrachtet 1, teils wurden stärker die politischen Aspekte thematisiert.2 Die Arbeit von Vössing zeichnet sich durch eine umfassende, kritische Diskussion der literarischen Zeugnisse aus, und er wählt diese bewusst als Ausgangspunkt der Analyse. Einleitend wird von Vössing die soziale Funktion des gemeinsamen Mahles diskutiert, seine gemeinschaftsstiftende, aber auch hierarchisierende Rolle. Wie er bereits durch den programmatisch gewählten Titel „mensa regia“ anzeigt, geht es ihm vor allem um die politischen und ideologischen Komponenten des gemeinsamen Mahles. Dies bedingt eine Konzentration auf die Bankette der Oberschicht bzw. der Herrscher.

Zunächst analysiert Vössing die griechischen Symposia (S. 27ff.), wobei er in der archaischen Zeit ansetzt und den Wandel von einer aristokratischen Institution zum Gastmahl der demokratischen Polis skizziert, bei dem der Gleichheitsgedanke betont wurde. Mit diesem Ideal wird von Vössing dann das Herrscherbankett des persischen Großkönigs kontrastiert, das gerade aufgrund der demonstrativen Ungleichheit der Speisenden und der herrscherlichen Prachtentfaltung von den griechischen Autoren kritisiert wurde. Auch das Gastmahl der griechischen Tyrannen war durch mangelnde Egalität und eine Zurschaustellung von Luxus geprägt. Wie Vössing herausstellt, nahm es aber eine gewisse Zwischenstellung ein, da auch typisch griechische Elemente präsent waren, wie die Anwesenheit von Künstlern oder die Tendenz des Tyrannen, sich ganz bewusst auf eine Stufe mit rangniederen Gästen zu stellen. Das Bankett der Könige der vorhellenistischen Zeit zeigte dann bereits Elemente, die auf die hellenistische Praxis vorauswiesen, wie etwa die Betonung der tryphe. Ausführlich diskutiert Vössing in diesem Zusammenhang den Wandel der Bankette Alexanders des Großen unter dem Einfluss des persischen Herrschermahls. Das Symposium wurde, so Vössing, zum Ort, an dem sich manifestierte, wer zum engeren Kreis gehörte, an dem aber gleichzeitig auch – zumindest ideell – die Gesamtheit teilnahm. Dies galt auch für die Bankette der hellenistischen Herrscher. Generell waren diese stark hierarchisch geprägt, sie stellten – bei aller Unterschiedlichkeit der Örtlichkeiten – stets „Gravitationszentren monarchischer Selbstdarstellung“ dar (S. 113). Wie Vössing etwa hinsichtlich der Ausstattung der Speiseräume, des Geschirrs, der Speisen und der Sitzordnung zeigt, stand die Hervorhebung der herrscherlichen Stellung immer im Vordergrund. Hier wäre ein Vergleich mit den archäologischen Befunden interessant, um möglicherweise topische Beschreibungen in den Quellen von den realen Gegebenheiten zu differenzieren.

Generell war das Verhalten des Herrschers und das der Gäste normiert, die Grenzen der sozialen Ordnung allerdings fließend. Die Bediensteten hatten teilweise hohe Vertrauensstellungen inne und ihre Positionen waren auch für die Oberschicht attraktiv. Die Gäste wiederum wurden vom Herrscher teilweise großzügig beschenkt, dadurch aber auch zu Empfängern degradiert. Eine Integration des Herrscherkultes in den Bankettkontext erfolgte allerdings nicht. Wie Vössing betont, war das Symposion seinem Ursprung nach zu eng mit dem Gedanken der Ausgelassenheit verbunden, als dass Religion überhaupt eine nennenswerte Rolle gespielt hätte.

In seinem anschließenden Hauptteil geht Vössing auf Bankette in Rom ein (S. 187ff.), und zwar primär auf die Gastmähler der Oberschicht. Diese sieht er zum einen durch Traditionen, zum anderen durch das griechische Vorbild geprägt. Auch hier spielte Luxus bei der Ausstattung eine große Rolle, gab es eine große Spezialisierung bei den Bediensteten. Andererseits stellt er hinsichtlich der hierarchischen Strukturierung der Gastmähler signifikante Unterschiede zur griechischen Praxis fest. Als Ideal galt zwar das einfache, egalitäre Gastmahl. Wie Vössing hervorhebt, war das römische Gastmahl aber durch eine starke Hierarchisierung gekennzeichnet, während in der Literatur nur ein „realitätsfremdes Ideal“ beschrieben wurde (S. 254). Entsprechend wurde der Luxus einerseits kritisiert, in der Realität aber zur Selbstdarstellung instrumentalisiert. Vössing zeigt auf, dass eine Rangordnung der Gäste generell akzeptiert wurde, solange ein gewisser Stil gewahrt wurde. Gerade die nach gewissen Normen verlaufende Unterhaltung schuf eine angenehme Atmosphäre und nicht umgekehrt. Ähnliches stellt Vössing in seinem dritten, umfangreichsten Hauptteil (S. 265ff.) für die Bankette der römischen Kaiser fest. Den Kernpunkt der Betrachtung des kaiserlichen Gastmahls stellt eine nach verschiedenen Kategorien (so etwa Gäste, Räumlichkeiten, Ausstattung, Tischsitten oder Speisen) gegliederte Untersuchung dar, in der der Verfasser die jeweilige Praxis der Herrscher von Augustus bis zu den Severern auf Basis einer detaillierten Quellenanalyse vergleicht (S. 290ff.).

Der sich wiederholende „Durchgang“ durch die verschiedenen Herrscher zeigt auf, wie sehr gerade auch die individuelle Bankettpraxis generelle Züge der jeweiligen Herrschaft spiegelte. Insbesondere das Verhältnis zur Oberschicht bzw. Störungen manifestierten sich beim Bankett. Dabei ließe sich allerdings fragen, ob die Darstellung in den Quellen nicht auch bewusst verzerrt, wenn – wie Vössing bemerkt – im Falle Neros besonders die Ausschweifungen hervorgehoben werden (S. 305). Problematisch bleibt zudem, dass ein echter Vergleich aufgrund der unterschiedlichen Quellenlage kaum möglich ist. Eine intensivere Diskussion der Baulichkeiten ist etwa nur bei Nero und Domitian möglich. Die Problematik der Quellen – wie beispielsweise der berüchtigten Historia Augusta – wird von Vössing durchaus gesehen. Generell bieten die Texte eher die Sicht der senatorischen Oberschicht, sie sind stark typisiert, die Beschreibung der Gastmähler ist auch Mittel der Charakterisierung einzelner Herrscher.

Grundlinien der kaiserlichen Bankettgestaltung werden jedoch bei aller Divergenz der Quellen deutlich. So war trotz aller Reglementierung der Institutionalisierungsgrad zumindest im 1. Jahrhundert noch gering. Zudem wurde nicht prinzipiell zwischen politischen und persönlichen, hochstehenden und niederrangigen Gästen unterschieden; entscheidend war nur das Verhältnis zwischen Kaiser und Gast. So sollten auch die Räumlichkeiten zwar einerseits die Integration des Herrschers in die Oberschicht verdeutlichen, andererseits durch Größe und Schmuck aber auch seine herausgehobene Stellung zeigen. Hinsichtlich der Ausstattung und der Speisen kommt der Verfasser generell zu dem Schluss, dass bei den kaiserlichen Gastmählern zwar „Spitzenqualität“ verwendet worden sei, diese aber nicht exklusiv gewesen sei. Auch in seiner ausführlichen, umfangreiches epigraphisches Material einbeziehenden Analyse der verschiedenen Ämter und Funktionen zeigt Vössing, dass es erst spät zur Ausbildung kaiserlicher Spezifika kam (wie etwa dem Vorkoster).

Detailliert geht der Autor auf das Verhalten des Kaisers ein (S. 422ff.). Das Spektrum der kaiserlichen Verhaltensweisen reichte von bewusster Ungezwungenheit über demonstrative Volksnähe bis zur absichtlichen Demütigung der Senatoren. Die den „guten“ Kaisern zugeschriebenen Tugenden bestanden in Freigebigkeit, Selbstbeschränkung und Leutseligkeit; die „schlechten“ Kaiser speisten nur im engen Kreis der Vertrauten, zeigten sich einerseits geizig, neigten andererseits aber auch zu Ausschweifungen und bizarren Unterhaltungsdarbietungen. Ausführlich wird von Vössing auch der in sich widersprüchliche Charakter des kaiserlichen Gastmahles thematisiert. So galt theoretisch auch hier das Ideal der Ungezwungenheit, und es bot den Senatoren die Möglichkeit, dem Kaiser nahe zu kommen. Andererseits konnten die dort geführten Gespräche gefährliche Konsequenzen haben und die Informalität war fiktiv. So spricht Vössing denn auch vom Doppelcharakter des Banketts, das einerseits „Mahl von gleichen“, andererseits „Speisung von Abhängigen“ gewesen sei.

In seinen kurzen abschließenden Betrachtungen (S. 540ff.) vergleicht Vössing die drei vorgestellten Typen von Banketten und geht auf Kontinuitäten, grundsätzliche Unterschiede wie Parallelen zwischen griechischer und römischer Praxis ein – hier wäre vielleicht eine ausführlichere Würdigung der zahlreichen wertvollen Einzelergebnisse möglich gewesen. Abgerundet wird die Untersuchung durch eine Reihe von Appendizes, die in sich geschlossene Einzeluntersuchungen darstellen.

Vössing kann mit seinem fundierten Vergleich griechischer und römischer Gastmähler eine Lücke der bisherigen Forschung schließen. Durch die von ihm gewählte umfassendere Herangehensweise wird deutlich, wie sehr die Bankettpraxis auch Spiegel politischer Situationen war und das Gastmahl bestehende Hierarchien reflektierte. Damit gelingt ihm ein wesentlicher Schritt über den bisherigen Stand der Erkenntnisse hinaus, und er gibt Anstöße zu ähnlichen Untersuchungen für andere Aspekte des antiken kulturellen Lebens.

Anmerkungen:
1 Vergleiche Gerlach, G., Zu Tisch bei den alten Römern. Eine Kulturgeschichte des Essens und Trinkens, Darmstadt 2001; Weeber, K.-W., Die Schwelgerei, das süße Gift... Luxus im alten Rom, Darmstadt 2003.
2 So bei Fellmeth, U., Brot und Politik. Ernährung, Tafelluxus und Hunger im antiken Rom, Stuttgart u.a. 2001. Vergleiche auch Donahue, John F., The Roman Community at Table during the Principate, Ann Arbor 2004; Stein-Hölkeskamp, Elke, Das römische Gastmahl. Eine Kulturgeschichte, München 2005.

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