M. Hengel: Studien zur Christologie

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Titel
Kleine Schriften, Bd. 4: Studien zur Christologie. Hrsg. von Claus-Jürgen Thornton


Autor(en)
Hengel, Martin
Reihe
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 201
Erschienen
Tübingen 2006: Mohr Siebeck
Anzahl Seiten
660 S.
Preis
€ 179,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Paul Metzger, Fachbereich Katholische Theologie und Evangelische Theologie, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Martin Hengels Texte zu lesen, bereitet Vergnügen; vor allem dann, wenn man nicht persönlich von ihm ins Visier genommen wird. Seine Anmerkungen zu Forschungen der Kollegen sind zuweilen so schmerzhaft treffend (bzw. auch nicht treffend), dass demjenigen, der getroffen wird, das Vergnügen vergeht. Wenn man aber nicht in den Streit der Forscher involviert ist, ist man zuweilen schon amüsiert, mit welcher Nonchalance Hengel seine Pointen setzt und Spitzen abfeuert.1 Dabei spürt man bei ihm immer, dass es ihm um die Sache geht, für die er kämpft. Er ärgert sich darüber, dass Andere – seiner Meinung nach – unhaltbare Thesen vertreten und die Erforschung des Evangeliums von Jesus Christus und damit letztlich die frohe Botschaft selbst behindern.2 In der wissenschaftlichen Literatur, zumal im deutschen Sprachraum, ist sowohl die Klarheit der Auseinandersetzung, die durchaus polemische Züge annehmen kann, wie auch der heilige Zorn und der Eifer für die Sache eher eine Seltenheit. In dem hier anzuzeigenden vierten Band von Hengels „Kleinen Schriften“ sind 13 Studien zusammengestellt. Die Aufsätze entstanden zwischen 1967 und 2004. Sie sind allesamt bereits an anderen Orten publiziert und deshalb – seien diese Orte auch noch so entlegen – muss man an den Verlag die Frage stellen, ob die 179 Euro, die dieser Band den Leser kostet, nicht ein zu hoher Preis sind.

Inhaltlich beschäftigen sich die 13 Studien mit Problemen der Christologie. Genauer gesagt, behandeln sie überwiegend deren Entstehungsproblematik. Hengel interessiert sich dabei vor allem für den Ursprung der Christologie sowie für ihre frühe Entwicklung und Verbreitung. Deshalb verwundert es nicht, dass sich die Aufsätze oft überschneiden, dass sich einzelne Aspekte wiederholen oder dass das gleiche Problem lediglich auf verschiedene Weise angegangen und aus verschiedener Perspektive beleuchtet wird. Da Hengels Texte durch die Jahre in diesem Problemfeld keine grundlegenden Korrekturen seiner früheren Annahmen und Ergebnisse erkennen lassen, erscheint es mir nicht glücklich, die einzelnen Aufsätze für sich zu behandeln, da sich so Dopplungen nicht vermeiden ließen. Stattdessen soll Hengels Sicht der Entstehung und Entwicklung der Christologie nachgezeichnet und so eine Art Synopse der Aufsätze angestrebt werden. Ich nenne vorweg die einzelnen Beiträge: (1.) Der Kreuzestod Jesu Christi als Gottes souveräne Erlösungstat. Exegese über 2. Korinther 5,11–21 (S. 1–26); (2.) Christologie und neutestamentliche Chronologie. Zu einer Aporie in der Geschichte des Urchristentums (S. 27–51); (3.) Ist der Osterglaube noch zu retten? (S. 52–73); (4.) Der Sohn Gottes (S. 74–145); (5.) Der stellvertretende Sühnetod Jesu (S. 146–184); (6.) Hymnus und Christologie (S. 185–204); (7.) Das Christuslied im frühesten Christentum (S. 205–258); (8.) Jesus, der Messias Israels. Zum Streit über das „messianische Sendungsbewußtsein“ Jesu (S. 259–280); (9.) „Setze dich zu meiner Rechten!“ Die Inthronisation Christi zu Rechten Gottes und Psalm 110,1 (S. 281–367); (10.) Die Throngemeinschaft des Lammes mit Gott in der Johannesapokalypse (S. 368–385); (11.) Das Begräbnis Jesu bei Paulus und die leibliche Auferstehung aus dem Grabe (S. 386–450); (12.) Das Mahl in der Nacht, „in der Jesus ausgeliefert wurde“ (1. Korinther 11,23) (S. 451–495); (13.) Abba, Maranatha, Hosanna und die Anfänge der Christologie (S. 496–534). Abgeschlossen wird der Band durch ein umfangreiches und hilfreiches Register, das vom Herausgeber des Bandes, Claus Jürgen Thornton, erstellt wurde.

Hengel bekämpft durchgehend einen „geschichtsfernen Kritizismus“ (S. 273; vgl. z.B. S. 388, 492). Er ist davon überzeugt, dass die neutestamentliche Wissenschaft ihren Quellen zu kritisch gegenübersteht und somit nicht mehr „richtig“ historisch arbeitet. Den nur spärlich sprudelnden Quellen sollte mehr Vertrauen entgegengebracht werden. Dies gilt sowohl für die alttestamentlich-jüdischen, wie auch für die neutestamentlichen und altkirchlichen Texte. Nimmt man dies ernst, so kommt der Evangelienliteratur ebenfalls eine größere Glaubwürdigkeit zu, als andere Forscher 3 ihr zubilligen wollen. Zugleich rechnet Hengel mit dem menschlichen Faktor: Er versucht, sich in die Autoren des Neuen Testaments einzudenken, deren Empfinden in seine Forschung einzubeziehen: „Wie sollten die Jünger den erschütterndsten Tag ihres Lebens vergessen?“ (S. 270). So braucht er nicht davor zurückzuschrecken, Leerstellen der Überlieferung phantasievoll auszufüllen und durch spekulative Überlegungen Wahrscheinlichkeiten plausibel zu machen. Dass er dabei lediglich Hypothesen aufstellt und sie zuweilen kombinationsfreudig miteinander verzahnt und aufeinander baut, ist ihm wohl auch selbst bewusst (vgl. S. 42), aber er scheut das Risiko nicht. Hier fließt dann zuweilen auch sein eigener Enthusiasmus in die Texte ein.4

Das Interesse der versammelten Studien richtet sich zunächst vor allem auf die Frühzeit der christlichen Gemeinschaft. Ganz besonders beschäftigt ihren Verfasser der kurze Zeitraum, in dem sich eine recht breit entfaltete Christologie entwickelte. Zwischen dem Tode Jesu und den frühsten christlichen Dokumenten, die wir besitzen, muss sich eine christologische „Explosion“ (S. 179) ereignet haben (S. 29). Wenn er dabei voraussetzt, dass die paulinische Theologie „vor Beginn der großen Missionsreisen [des Paulus] in allen wesentlichen Zügen voll ausgebildet vorlag“ (S. 29), dann verengt sich dieser Zeitraum noch weiter. Schließlich rechnet er von diesem Zeitpunkt nach „Gal 1 und 2 noch 14–16 Jahre weiter zurück“ (S. 29), und schon hat die Christologie zwischen dem Tod Jesu und ihrer relativ vollständigen Ausformung nur noch zwei bis vier Jahre Zeit, sich zu entwickeln (S. 29). Obwohl die maßgebliche Entwicklung „in den griechisch sprechenden, judenchristlichen Gemeinden Jerusalems, Cäsareas, Damaskus, Antiochiens und anderer syrisch-palästinischer Orte“ (S. 43) stattgefunden haben wird, muss doch in Jerusalem die Keimzelle der Verehrung Jesu als Christus gesucht werden. Um die Wurzeln dieser Verehrung zu verstehen, muss man den historischen Jesus in den Blick nehmen. Christologie beginnt demnach mit Jesus von Nazareth selbst, davon ist Hengel überzeugt: „Bereits die Wirksamkeit und die Verkündigung Jesu enthielten Ansätze zu einer expliziten Christologie, die den Einsatzpunkt des christologischen Denkens der Urgemeinde überhaupt erst verständlich macht“ (S. 48; vgl. auch S. 120, 143 u.ö.). Ostern allein reiche nicht aus, um zu begründen, wie aus einem „völlig unmessianischen Jesus“ (S. 167) der verkündigte Christus werden konnte (S. 167).

Da es gerade um das Selbstbewusstsein Jesu eine intensiv geführte Diskussion gibt, muss Hengel diese Annahme näher begründen (S. 261). Er geht von der Beobachtung aus, dass durch die Auferstehung allein noch kein Frommer zum Messias wurde (S. 262). Er fragt deshalb scharfsinnig: „Wenn die elf Jünger mit Petrus an der Spitze aufgrund der für uns so schwer fassbaren Erscheinungen völlig unmotiviert zu der Einsicht kamen, dass Jesus der zu Gott erhöhte Menschensohn sei, obwohl er doch nur ein Verkünder des Gottesreiches, Rabbi und Profet war, der von eschatologischen Funktionen nichts wissen wollte, haben sie dann nicht die lautere (und dabei so unmythologisch modern klingende) Intention ihres Meisters völlig verfälscht?“ (S. 263). Diese rhetorische Frage bereitet den Boden für Hengels weitere Argumentation. Für ihn liegt „ein wesentlicher Ausgangspunkt“ (S. 122) des Glaubens an Jesus als Gottes Sohn in dessen singulären Gottesverhältnis begründet. Die von Jesus verwendete Abba-Anrede Gottes stellt für Hengel beispielsweise einen Grund für die Bezeichnung Jesu als Sohn Gottes dar (S. 122 u. 522ff.). Ebenso beweise die (christliche) Deutung von 2.Sam 7,12–14 die Sohnschaft Jesu. Schließlich habe sich Jesus selbst als „Menschensohn“ bezeichnet, was die Verwendung des Sohn-Gottes-Titels ebenfalls begünstigt habe (S. 123). Jesus muss also nach Hengel ein messianisches Bewusstsein zugesprochen werden (S. 271). Sein Tod am Kreuz sei nur durch die Anklage als König der Juden verständlich. Auf diese Anklage sei der Hohepriester im Verhör Jesu gekommen. Als dieser Jesus „die beschwörende Frage nach Jesu messianischer Würde“ (S. 272) stellte, scheint es Hengel plausibel, dass „Jesus auf diese Frage mit einem provozierenden Gerichtswort geantwortet hat, seine ihm von Gott gegebene eschatologische Vollmacht bejahte und zugleich die Hierarchie auf den kommenden Menschensohn hinwies, mit dem er auf untrennbare Weise verbunden war“ (S. 272). Deshalb habe man mit ihm kurzen Prozess gemacht (S. 273).

Wie ist aber der Tod Jesu näher zu verstehen? „Wie erhielt die Kreuzigung Jesu ihren Platz in der Mitte der frühchristlichen Predigt?“ (S. 146). Aus dem Alten Testament konnte kaum eine Deutung gewonnen werden. „Der Tod oder das Leiden des Frommen durch die Hand des Frevlers bildet [hier] kein eigenständiges Thema“ (S. 150). In der hellenistischen Kultur war ein Sterben für andere jedoch bekannt. Was im Alten Testament in der Regel zurückgewiesen wird (Dtn 24,16), nämlich das stellvertretende Sterben für andere, ist in Griechenland und Rom hingegen gut bekannt: dulce et decorum est pro patria mori, sagt Horaz (S.152). Es ist deshalb zunächst zu konstatieren, dass „die Vorstellung eines freiwilligen Todes als sühnendes Opfer […] dem heidnischen Hörer des Evangeliums […] durchaus vertraut“ (S. 154) war. Der Ursprung der Stellvertretungsvorstellung muss aber deshalb nicht zwingend außerhalb der jüdischen Tradition gesucht werden. Dies zeigt Hengel, indem er paulinische Formeln zum Sühnetod Christi untersucht (Dahingabe- und Sterbensformeln; S. 156f.) und so auf die Spuren der frühesten Christen kommt. Da „die christologische Basis des paulinischen Kerygmas […] eine feste Prägung“ zeigt und „keinen wesentlichen Metamorphosen mehr unterworfen“ (S.159) ist, darf man annehmen, dass ein Text wie 1.Kor 15,3–8, den Paulus bereits gelehrt bekam, seine Wurzeln in der „griechisch sprechende[n] judenchristliche[n] Gemeinde […] in Jerusalem“ (S. 159) hat. Dort musste „das schlechterdings einzigartige, religionsgeschichtlich nicht verrechenbare Ereignis der Passion und Kreuzigung des Messias Israels“ (S. 161) gedeutet werden. Meisterhaft geschildert findet Hengel diese Deutung in der Passionsgeschichte des Markus (S. 161). Dieser nehme sich der Frage an: „Warum muß der Messias-Menschensohn nach Gottes Willen, jedoch gegen die uns bekannte zeitgenössische jüdische Messiastradition leiden?“ Um diese Frage zu beantworten zieht Hengel den in seinen Augen traditionsgeschichtlich alten, vielleicht auf Jesus selbst zurückgehenden Vers Mk 10,45 heran (S. 170). Der Tod des Messias sei als stellvertretender Sühnetod für alle Menschen zu verstehen.5

Ob dieser theologischen Aussage, die – so Hengel – eine sehr frühe Stufe der christologischen Deutung darstellen soll, sei Stephanus gesteinigt worden (S. 164). Das Ärgernis für Israel, für das dieser starb, sei nun darin zu erkennen, dass durch den Opfertod Christi „der Tempel als Stätte der immerwährenden Sühne für die Sünden Israels obsolet geworden sei“ (S. 164). In Aufnahme von Jes 43,3–4 und Jes 53 (S. 174) hätten die judenchristlichen Hellenisten in Jerusalem der eigentlichen Auffassung ihrer Bibel, der LXX, widersprochen, nach der es kein Sterben für andere gibt: „Der Tod des Messias schafft die Möglichkeit der Stellvertretung“ (S. 168). Deshalb sei die Frage nach der Bedeutung des Todes Jesu schon in der Gründungsphase der Gemeinde beantwortet worden (S. 178): „um als Unschuldiger für die Schuldiggewordenen zu sühnen, das heißt Vergebung für ihre Sünden zu wirken,“ musste der Messias Jesus sterben (S. 181). Trotzdem bleibt unklar, wie die Jünger zu dieser Einsicht gekommen sein sollen. Warum haben sie die Bestätigung der messianischen Ansprüche Jesu durch seine Auferstehung „als endzeitliches Heilsereignis im Sinne des stellvertretenden Sühnetodes des Messias“ (S. 182) verstanden?

Hier meint Hengel nach Jesus selbst fragen zu müssen (S. 182). Jesus selbst habe „seinen bevorstehenden Tod als endzeitliches Heilsgeschehen dargestellt, das – im Anschluß an Jes 53 – im Blick auf die hereinbrechende Gottesherrschaft für alle Menschen Versöhnung mit Gott bewirkt und Gottes endzeitlichen neuen Bund mit seinen Geschöpfen besiegelt“ (S. 183). Jesus selbst habe sich also als Messias gesehen, der mit den Worten vom gegenwärtigen und leidenden Menschensohn „einerseits seine Vollmacht […] als verborgener ‚Messias designatus‘ zur Sprache brachte, andererseits seine Niedrigkeit und die Anfechtungen, die ihn am Ende in den Tod führten“ (S. 275). Der Weg nach Jerusalem sei für Jesus demnach ein Weg in den Tod gewesen: „Jesus geht um seines messianischen Dienstes an Israel willen in den Tod“ (S. 278). Spätestens an diesem Punkt möchte man der Spekulation nicht mehr ganz folgen. Wenn Jesus sich selbst willentlich als Opfer darbringen wollte, wenn Mk 10,45 ein authentisches Jesuswort sein soll (S. 183), wie ist dann die Gethsemaneperikope (bes. Mk 14,35–36) zu verstehen und wie der Schrei am Kreuz (Mk 15,34)? So eindeutig wie Hengel vorgibt, belegt das Markusevangelium in meinen Augen den sich freiwillig opfernden Jesus nicht. Die Auferstehung wird dann als Erhöhung und Inthronisation verstanden (S. 49). Gleichzeitig werden verschiedene Titel auf Christus übertragen, um „die Einzigartigkeit seines Heilswerkes zu verherrlichen“ (S. 117).

Schließlich hätten sich die weiteren Prädikationen Jesu folgerichtig aus der Messianität und der Sohnschaft Jesu entwickelt. „Dem endzeitlichen Bewußtsein der Urgemeinde“ (S. 127) entsprach es dabei, vom Ende her auch den Anfang zu bedenken. In dieser Hinsicht „war der Präexistenzgedanke ein beliebtes Ausdrucksmittel, um die besondere Heilsbedeutung bestimmter Phänomene herauszustellen“ (S. 127). Damit war gleichzeitig auch die Schöpfungsmittlerschaft verbunden und so musste auch der Inkarnationsgedanke zum Tragen kommen (S. 129). Schließlich wurden weitere Gottesprädikationen auf Jesus übertragen und damit die „Unüberbietbarkeit und Endgültigkeit der Offenbarung Gottes in Jesus von Nazareth in letzter, abschließender Weise zum Ausdruck gebracht“ (S. 129). Sodann markiert Hengel als historisch bedeutsame Stufen der Entwicklung: zum einen „die gottesdienstliche Trennung zwischen den aramäisch und griechisch sprechenden Gemeindegruppen in Jerusalem […], die sich schon sehr früh, etwa um 31/32 n.Chr. ereignet haben muß“ (S. 45), zum anderen die Ermordung des Stephanus und die Zerschlagung der griechischsprachigen Gemeinde (32/33 n.Chr) und schließlich die Bekehrung des Paulus (32/34 n.Chr) sowie die gleichzeitig beginnende Mission des aus Jerusalem vertriebenen Gemeindeteils (S. 45). Die rasche Entwicklung der Christologie erklärt sich innerhalb dieses Schemas aus der Wirksamkeit Jesu und der Aufeinanderfolge „der Katastrophe der Kreuzigung Jesu […] und der radikalen Wende durch die Auferstehungserscheinungen“ (S. 48). Dies „löste einen einzigartigen ‚dynamisch-schöpferischen‘ Impuls aus“ (S. 48), der das Nachdenken über Christus entscheidend voran brachte und in dem praktisch alle späteren Ausformungen enthalten gewesen sein sollen.

Im Überblick bestechen Hengels Studien zur Christologie wie viele seiner Texte einerseits mit einer großen Gelehrsamkeit, andererseits mit einer klaren theologischen Aussage. Viele Hypothesen erscheinen zuweilen zu gewagt und der Leser kommt oft zu dem Schluss: Kann sein, muss aber nicht! Allerdings – und das betone ich ausdrücklich – stellt Hengel zumindest seine Deutungen und Überzeugungen zur Diskussion und versteckt sie nicht hinter zuviel Konjunktiv und vorsichtigen Minimalzielen. Allein weil er große Linien aufzeigt und sich dabei auch angreifbar macht, lohnt sich die Auseinandersetzung mit ihm. Deshalb liest man das Buch mit Gewinn, ob man Hengels Thesen nun zustimmt oder nicht, ob man seinen Spekulationen folgt oder nicht. Eine Bereicherung der exegetischen Landschaft sind die versammelten Forschungen allemal.

Anmerkungen:
1 Vgl. z.B. S. 27, Anm. 2: „Vgl. […] die freilich nicht sehr ergiebige Studie von W. Marxsen […]; die christologischen Abschnitte bei H. Conzelmann […], die leider nicht zu den stärksten Partien dieses Werkes gehören.“ Oder: S. 42: „Wenn man freilich manche Arbeiten zur Geschichte des Urchristentums durchsieht, könnte man den Eindruck erhalten, als ob man dort mit der Chronologie auf dem Kriegsfuße stehe.“ Schärfer wird dann die dazu gehörende Anm. 50.
2 Vgl. S. 73: Der Osterglaube „beansprucht uns nicht, daß wir ihn stützen und sichern, sondern daß wir hören und nachdenken: über den Text und von dort her über uns selbst. Ob freilich – an dieser Aufgabe gemessen – wir Exegeten ‚noch zu retten sind‘, daran möchte man zuweilen füglich zweifeln.“
3 Z.B. Hans Conzelmann und Andreas Lindemann, S. 273.
4 Ein schönes Beispiel ist in dieser Hinsicht seine Beschreibung des Paulus: „Seine Persönlichkeit ist gleichsam von einem glühenden Lavastrom der Leidenschaft erfüllt, in dem sich ein – man muß fast sagen – fanatischer Missionseifer und eine nicht auszulotende Tiefe und Vielseitigkeit des Denkens miteinander verschmelzen, und das alles unter dem Vorzeichen der völligen Hingabe an den Gekreuzigten“ (S. 23).
5 Auf die Problematik des Begriffs Stellvertretung geht Hengel weder an dieser noch an anderer Stelle ein. Vgl. dazu die Untersuchung von Schaede, Stephan, Stellvertretung, Tübingen 2004.

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