Cover
Titel
Die Kanzler und die Medien. Acht Porträts von Adenauer bis Merkel


Autor(en)
Rosumek, Lars
Erschienen
Frankfurt am Main 2007: Campus Verlag
Anzahl Seiten
325 S.
Preis
€ 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Daniela Münkel, Historisches Seminar, Leibniz Universität Hannover

Die sich wandelnden vielfältigen Beziehungsgeflechte zwischen Politik und Massenmedien im 20. Jahrhundert stehen seit einigen Jahren in der Zeitgeschichtsforschung hoch im Kurs. Inzwischen sind einige größere Arbeiten und mehrere Sammelbände zum Thema erschienen. Dabei geraten – wie nicht anders zu erwarten – immer wieder die Kanzler ins Blickfeld des Interesses. Auch in neueren Bänden über die „Kanzler der Bundesrepublik“ wird das Thema der medialen Darstellung von Person und Politik sowie der Public Relations umfassend gewürdigt. 1 Dennoch: Eine Studie, die alle Kanzler nach 1945 systematisch auch jenseits der Wahlkämpfe in ihrem Umgang mit den Medien untersucht, fehlte bisher. Lars Rosumek, Historiker und Publizist, will nun mit seinem Buch über „Die Kanzler und die Medien“ diese Lücke schließen.

Das Erkenntnisinteresse des Autors liegt darin „die besonderer Beziehung, die sich seit 1949 zwischen den Bundeskanzlern und den Medien etabliert hat, skizzenhaft“ zu umreißen (S. 18). Dabei geht es ihm nicht darum, eine „vollständige Übersicht aller PR-Aktivitäten der Bundeskanzler“ zu geben und diese miteinander zu vergleichen (S. 19). Er will vielmehr Wandlungsprozesse im Verhältnis von Politik und Massenmedien vor dem Hintergrund der sozioökonomischen sowie technischen Veränderungen untersuchen. Das Buch ist, nach zwei einleitenden Abschnitten über die „behauptete Amerikanisierung“ und „Politische Public Relations“, anhand der einzelnen Kanzler gegliedert. Mit Ausnahme von Ludwig Erhard und Kurt Georg Kiesinger sind an die Texte des Autors ein und im Falle Helmut Kohls zwei Zeitzeugeninterviews angehängt. Die abgedruckten Zeitzeugeninterviews können sicherlich auch für zukünftige Forschungen genutzt werden.

Schon beim Blick ins Inhaltverzeichnis fällt allerdings ins Auge, dass die Texte zu den jeweiligen Kanzlern sehr unterschiedlich lang ausgefallen sind, warum das so ist, bleibt im Dunkeln und kann auch nicht immer auf die Bedeutung der jeweiligen Person und ihrer Kanzlerschaft für die Geschichte der Bundesrepublik zurückgeführt werden. Konrad Adenauer, Willy Brandt, Helmut Kohl und Gerhard Schröder werden ungefähr im gleichen Umfang gewürdigt. Für Helmut Schmidt und Angela Merkel wird gerade mal ein Drittel des Umfangs der längeren Beiträge zur Verfügung gestellt. Ludwig Erhard und Kurt Georg Kiesinger werden kurzerhand als „Kanzler des Übergangs“ kategorisiert und zusammen auf gerade mal fünf Seiten abgehandelt. Schon damit ist der formulierte Anspruch des Buches, eine Beziehungsgeschichte aller Bundeskanzler zu den Massenmedien schreiben zu wollen, ad absurdum geführt. Die Texte bieten dann auch wenig Neues, Einfallsreiches oder Überraschendes, sie gehen nicht über bereits Bekanntes hinaus – einzig der kurze Text über Angela Merkel bietet Interessantes, was wahrscheinlich vor allem der Tatsache geschuldet ist, dass Frau Merkel erst seit kurzem im Amt ist.

Der Schluss wird eingeleitet mit der wenig überraschenden Erkenntnis, dass sich durch das Internet und die weitere Ausdifferenzierung der Medienlandschaft die politische Kommunikation in der Bundesrepublik rasant verändert beziehungsweise verändern wird. Darüber hinaus betont Rosumek Kontinuitäten von Adenauer bis heute – auch dies keine wirklich neue Erkenntnis. Er hebt dabei Adenauers „Selbstinszenierung aus machtpolitischem Kalkül“, seine professionellen Medienberater oder die „human touch“-stories hervor (S. 285 f.).

Insgesamt hat der Band viele strukturelle und inhaltliche Schwächen. Dies wird schon in der Einleitung deutlich: Dort arbeitet sich der Autor an Thesen ab, die niemand, der sich auch nur annähernd mit dem Thema „Politik und Medien seit 1945“ befasst hat, ernsthaft vertreten würde. So meint Rosumek unter anderem, dass es notwendig sei, die Behauptung Gerhard Schröder sei der erste Medienkanzler in der Geschichte der Bundesrepublik gewesen, zu widerlegen (S. 15) – als sei dies wirklich in der Historiografie oder Politikwissenschaft jemals behauptet worden. Diese und andere Fehleinschätzungen resultieren nicht zuletzt aus der ungenügenden Wahrnehmung der aktuellen Forschungslage (S. 16f.). Die in den letzten Jahren zahlreich erschienen historiografischen Aufsätze und Monografien zum Themenfeld „Medien und Politik“ werden nur bruchstückhaft rezipiert, um dann zu beklagen, dass „allgemeine und einordnende Beiträge fehlen“ würden. Auch nimmt Lars Rosumek die in den letzten Jahren in der Geschichtswissenschaft außerordentlich differenziert geführte Amerikanisierungsdebatte kaum wahr (S. 21 ff.).

Gänzlich irritierend wird es dann, wenn der Autor aus der Annahme, dass viele Bestände nicht zugänglich und die Überlieferung in den Parteiarchiven wohl nicht lückenlos seien, die Konsequenz zieht, keine Archivrecherchen anzustellen und stattdessen lieber auf Zeitzeugeninterviews mit Beratern und Regierungssprechern der jeweiligen Bundeskanzler zurückgreift – ein methodisch zumindest nicht unproblematisches Vorgehen. Dass Überlieferungen nie lückenlos sind, ist wohl eine Binsenweisheit, dennoch sind die Archive zu dem Themenkomplex des Buches voll mit Akten und vertraulichen Unterlagen, die großteils wissenschaftlichen Zwecken zugänglich sind. Dies gilt sowohl für die jeweiligen Archive der politischen Parteien als auch für die amtliche Überlieferung im Bundesarchiv Koblenz.

Den postulierten Anspruch löst dieses Buch nicht ein – dazu hat es zu viele Schwächen. Auf eine systematische Aufarbeitung der Geschichte aller Kanzler und der Medien müssen wir wohl noch warten.

Anmerkungen:
1 Vgl. dazu Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland/Bundeskanzleramt (Hrsg.), Die Bundeskanzler und ihre Ämter, Bonn 2006.

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