A. Behrens: Das Adlige Gut Ahrensburg 1715-1867

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Titel
Das Adlige Gut Ahrensburg von 1715 bis 1867. Gutsherrschaft und Agrarreformen


Autor(en)
Behrens, Angela
Reihe
Stormarner Hefte 23
Erschienen
Neumünster 2006: Wachholtz Verlag
Anzahl Seiten
478 S.
Preis
€ 28,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Marie-Elisabeth Hilger, Historisches Seminar, Schwerpunkt Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Universität Hamburg

An dieser Publikation sollte niemand, der an der Agrargeschichte allgemein und an der Landesgeschichte Schleswig-Holsteins im Besonderen interessiert ist (beides Felder, die sich nicht gerade großer Beachtung oder leichter Bearbeitung zugänglich erweisen), vorbeisehen. Denn sie zeichnet sich – bei aller Dichte und ebenso Breite der Thematik – sowohl durch ihre gute Lesbarkeit wie, hier noch bedeutsamer, durch das sie prägende durchweg sehr reflektierte Vorgehen aus.

Die Verfasserin unterscheidet in ihrer Untersuchung im Groben vier Phasen einer über 150jährigen Entwicklung, die sie in ihrer Bedeutung nicht unwesentlich als von den Persönlichkeiten der jeweiligen Gutsherren geprägt und nicht nur von den sich wandelnden politischen und demographischen Rahmenbedingungen abhängig zu kennzeichnen sieht.

In der Frühzeit bis 1758 geht es um die Herausstellung der Situation der adligen Gutsherrschaft unter Detlev Rantzau, dem neuen Herrn des Gutes Ahrensburg, mit der dazugehörigen speziellen Form der Leibeigenschaft. Es geht um die Gutswirtschaft und ihre „Meliorations“-Reform, um die Guts- und Dorfgebiete mit den Bewohnern und ihren Frondiensten und insbesondere um die „Widerständigkeit der Gutsuntertanen“ gegen Reformvorstellungen. Die zweite Phase bis 1782 ist durch Verkoppelungsvorgänge, also durch Veränderung des Dorfflurbildes, und durch Impulse bei Gewerbeansiedlungen und Armutsbekämpfung durch den neuen (zunächst bürgerlichen) Besitzer Heinrich Carl Schimmelmann gekennzeichnet, einen sozial aufstrebenden reichen Handelsunternehmer, der in das Gut zwar sehr förderlich sein Kapital einbrachte, jedoch nicht vornehmlich an dessen agrarischer Verwertung interessiert war, sondern mehr an dessen „ideeller Verzinsung“ als Zugang zum Adelsstand. Die weitere Phase bis 1803 bringt unter dem Sohn Friedrich Joseph Schimmelmann die „Auflösung des gutswirtschaftlichen Systems“ mit sich unter dem im Mittelpunkt stehenden Ziel, durch diese weitreichende rechtliche und wirtschaftliche Neuorientierung die Geldeinkünfte des Gutes zu heben. Das hat dann gravierende Folgen hinsichtlich der sozialen Differenzierung der bäuerlichen Dorfbewohner gehabt. Schließlich geht es in der letzten behandelten Phase bis 1867, dem Zeitpunkt des Anschlusses der Herzogtümer an Preußen, im wesentlichen um die Folgen der allgemeinen Abschaffung der Leibeigenschaft in Schleswig-Holstein und deren rechtliche, wirtschaftliche und soziale Auswirkungen auf die Bevölkerung im Gutsgebiet nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund kriegerischer und konjunktureller Einbrüche.

Methodisch stellt Angela Behrens ihre Abhandlung in den Fokus sowohl der älteren wie einer jüngeren, neuen methodischen und thematischen Anforderungen gerecht werdenden Agrargeschichte, indem sie bereits in der Einführung einen lesenswerten Überblick über die bisherige agrargeschichtliche Forschung gibt. Sie verfolgt in landesgeschichtlicher und zugleich in überregionaler Perspektive die Absicht, Antwort auf Fragen einer neuen „Gutsherrschaftsgeschichte“, insbesondere nach der Lebens- und Arbeitswelt eines „Gutes“, die Jan Peters vor wenigen Jahren aufgeworfen hat, zu geben. Dies gelingt ihr, – indem sie die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte eines adligen Gutes in Zeiten tiefgreifender Umstrukturierung durch Reformen, die Verflechtungen und Wechselwirkungen zwischen Gutsherr und der Lebenssituation der Gutsbevölkerung und deren Möglichkeiten und Erfolgsaussichten bei gerichtlichen Auseinandersetzungen sowie die Familiengeschichte von Gutsherren, hier vor allem der Schimmelmanns, einer der vermögendsten und wirkungsmächtigsten Familien Nordeuropas, herausarbeitet, – sowohl durch einen breiten deskriptiven, an den reichhaltigen Archivalien orientierten, wie mehr noch durch einen theoretisch-konzeptionellen Zugriff. Sie profiliert ein besonderes Bild der Ahrensburger Gutswirtschaft und legt damit überaus verdienstvoll eine Grundlage für weitere komparatistische Studien.

Einen Einblick in die Fülle der von Angela Behrens erstmalig in großer Differenziertheit herausgestellten agrargeschichtlichen Entwicklungsschritte des adligen Gutes Ahrensburg erhalten Interessierte in der knappen, auf einige Thesen reduzierten Schlusszusammenfassung, in der Einzelheiten der wesentlichen neuen wissenschaftlichen Erträge betont werden.

Die Darlegungen sind insgesamt durch jeweils klare Hinweise auf plausibel Beabsichtigtes sowie im Fazit auf das tatsächlich Behandelte überaus leserfreundlich gestaltet. Ihnen sind zahlreiche Abbildungen und Tabellen beigefügt, die nicht nur orts- oder regionalgeschichtlich Neugierige ansprechen dürften. Sie beruhen auf profunder intellektueller Anstrengungs- und Arbeitsleistung und gehören meines Erachtens zu den bemerkenswertesten sozial- und agrargeschichtlichen Ausführungen der letzten Jahre.

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