Cover
Titel
Making Indigenous Citizens. Identity, Education, and Multicultural Development in Peru


Autor(en)
García, María Elena
Erschienen
Anzahl Seiten
213 S.
Preis
$ 16.34
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ulrich Mücke, Historisches Seminar, Universität Hamburg

Ganz im Gegensatz zu den Träumen und Hoffnungen der Modernisierungstheoretiker der 1960er- und 1970er-Jahre ist das „Indianische“ nicht aus den Gesellschaften Mesoamerikas und der Anden verschwunden, sondern spielt für die Artikulation politischer und sozialer Interessen eine wachsende Rolle. Dies ist en détail für Mexiko, Guatemala, Ecuador und Bolivien beschrieben worden. Peru dagegen scheint in diesem Kontext eine Ausnahme zu bilden. Hier haben sich lediglich auf lokaler Ebene starke Indianerorganisationen gebildet, während in der nationalen Politik solche ethnischen Bündnisse keine größere Rolle spielen. María Elena García nimmt in ihrem Buch diesen Sachverhalt zum Ausgangspunkt, um danach zu fragen, wie und ob sich indianische Bewegungen in Peru finden lassen.

Das zentrale Argument ihres Buches lautet, dass sich die These von Perus Ausnahmestellung (insbesondere im Vergleich zu den Nachbarländern Bolivien und Ekuador) nicht aufrecht erhalten lässt, wenn man den Fokus von der nationalen Ebene auf die lokale und transnationale verlagert. Empirisch beschäftigt sich García vor allem mit der lokalen Ebene und hier speziell mit zwei Gemeinden in der Nähe von Cuzco, der alten inkaischen Hauptstadt, welche heute vor allem vom Tourismus lebt. Auseinandersetzungen über Schulerziehung und Sprachunterricht dienen ihr als Beispiele, anhand derer sie die Existenz indianischer Bewegungen auch für Peru nachzuweisen versucht.

Sieht man von Einleitung und Zusammenfassung ab, gliedert sich das Buch in fünf Kapitel. Die ersten beiden bieten historische Abrisse mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Zum einen wird die Geschichte der Jahre seit 1980 beschrieben, in denen die indianische Bevölkerung in besonderer Weise dem Terror des Staates und der Guerillaorganisation des „Leuchtenden Pfades“ ausgesetzt war. Gerade dieser Terror, so argumentieren einige Autoren, habe verhindert, dass sich in Peru am Ende des 20. Jahrhunderts eine starke indianische Bewegung habe formieren können. Das zweite einleitende Kapitel beschreibt die Geschichte vom „Indigenismo“ der 1920er-Jahre zur „Interculturalidad“ der 1990er-Jahre. Während mit „Indigenismo“ der mittlerweile recht kritisch betrachtete städtische Diskurs über die Landbevölkerung bezeichnet wird, versteht Elena García unter „Interculturalidad“ nicht nur das Nebeneinander verschiedener Kulturen, sondern ihr Miteinander, das sich durch gegenseitigen Respekt und Unterstützung auszeichne. „Interculturalidad“ ist also die Utopie von einem besseren Peru, wobei nicht immer ganz klar ist, inwieweit García meint, dieses bessere Peru sei schon in Ansätzen vorhanden.

Die drei zentralen Kapitel des Buches umfassen zusammengenommen keine 80 Seiten. Hier wird zunächst die These des Widerstandes auf Gemeindeebene (Kap. 3), dann die Auseinandersetzung von Indianern mit Nichtregierungsorganisationen und dem Staat (ebenfalls auf Gemeindeebene – Kap. 4) und die Einbindung von Indianern auf transnationaler Ebene vor allem durch Intellektuelle (Kap. 5) diskutiert. Empirisch stark ist dabei vor allem die Beschreibung der lokalen Ebene. Hier werden von lokalen Akteuren eigene Positionen in Auseinandersetzung mit überlokalen Einrichtungen und Akteuren formuliert. Die transnationale Einbindung indianischer Bewegungen wird dagegen weniger plausibel begründet, beschäftigt sich García hier doch mit Personen, die nur bedingt als „indianisch“ bezeichnet werden können bzw. sich selbst so bezeichnen.

Garcías Überlegung, indianische Bewegungen nicht auf der nationalen, sondern der lokalen Ebene zu suchen, ist originell und kann tatsächlich die These von der peruanischen Ausnahme in Frage stellen. García gelingt es allerdings kaum, ihr Hauptziel zu erreichen, nämlich zu zeigen, dass solche lokalen indianischen Bewegungen existieren. Statt dessen verdeutlicht sie, dass auf Gemeindeebene Interessen von Gemeindeangehörigen formuliert werden. Inwiefern sich diese aber als „Indianer“ definieren und dies tun, um ihre Interessen zu befördern, bleibt unklar. Es könnte sich sogar als unmöglich erweisen, einen solchen Nachweis von lokalen indianischen Bewegungen zu führen, weil die Vorstellung von „Indianertum“ eben eine überlokale ist. Der Versuch Garcías zu zeigen, dass Peru sich in spezifischer Form in die Entwicklungen einreihen lässt, welche in Mexiko, Guatemala, Ekuador und Bolivien der letzten Jahrzehnte beobachtet werden können, ist daher nur teilweise gelungen. 1 Der Ertrag des Buches besteht daher vor allem darin, am Beispiel Perus danach zu fragen, was denn überhaupt unter indianischen Bewegungen verstanden werden kann.

Anmerkung:
1 Für überzeugendere Antworten auf diese Frage vgl.: Büschges, Christian; Pfaff-Czarnecka, Johanna (Hrsg.), Die Ethnisierung des Politischen. Identitätspolitiken in Lateinamerika, Asien und den USA, Frankfurt am Main 2007.

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