K.-D. Henke (Hrsg.): Die Dresdner Bank im Dritten Reich

Henke, Klaus-Dietmar (Hrsg.): Die Dresdner Bank im Dritten Reich. 4 Bände. München 2006 : Oldenbourg Verlag, ISBN 3-486-57780-8 2.341 S. € 79,80

: Die Dresdner Bank in der Wirtschaft des Dritten Reichs. Unter Mitarbeit von Ralf Ahrens, Michael Schneider, Harald Wixforth und Dieter Ziegler. München 2006 : Oldenbourg Verlag, ISBN - 673 S.

: Die Dresdner Bank und die deutschen Juden. Unter Mitarbeit von Maren Janetzko, Ingo Köhler und Jörg Osterloh. München 2006 : Oldenbourg Verlag, ISBN - 483 S.

: Die Expansion der Dresdner Bank in Europa. Unter Mitarbeit von Johannes Bähr, Jörg Osterloh, Friederike Sattler und Dieter Ziegler. München 2006 : Oldenbourg Verlag, ISBN - 953 S.

: Die Dresdner Bank 1933-1945. Ökonomische Rationalität, Regimenähe, Mittäterschaft. München 2006 : Oldenbourg Verlag, ISBN - 232 S.

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Gerd Hardach, Philipps-Universtität Marburg

Die Geschichte der deutschen Unternehmen in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur wird seit einiger Zeit intensiv erforscht. Klaus-Dietmar Henke legt als Herausgeber nunmehr ein schon mit einiger Spannung erwartetes Werk vor, nämlich eine umfassende Geschichte der Dresdner Bank im Nationalsozialismus. Die in siebenjähriger Forschungsarbeit von einem Autorenteam verfassten vier Bände sind die bisher umfangreichste Darstellung der Geschichte eines Unternehmens im „Dritten Reich“.

Im ersten Band wird von Johannes Bähr unter Mitarbeit von Ralf Ahrens, Michael C. Schneider, Harald Wixforth und Dieter Ziegler die allgemeine Entwicklung und Geschäftspolitik der Dresdner Bank in der Zeit des Nationalsozialismus untersucht. Im zweiten Band stellen Dieter Ziegler sowie Maren Janetzko, Ingo Köhler und Jörg Osterloh die Beteiligung der Dresdner Bank an der Verfolgung der jüdischen Minderheit in Deutschland dar. Es geht in den einzelnen Abschnitten des Buches um das Schicksal der jüdischen Angestellten der Bank, um die „Arisierung“ und Verwertung der gewerblichen Vermögen und um den Raub der privaten Vermögen. Im dritten Band wird von Harald Wixforth zusammen mit Johannes Bähr, Jörg Osterloh, Friederike Stattler und Dieter Ziegler die Expansion der Dresdner Bank in den besetzten Gebieten Europas behandelt. Die Expansionspolitik des nationalsozialistischen Regimes eröffnete aus der Sicht der Bankmanager eine günstige Gelegenheit, die Stagnation des inländischen Geschäfts durch neue Auslandsaktivitäten zu kompensieren. So folgte die Dresdner Bank der Wehrmacht nach Österreich, der Tschechoslowakei, Polen, der Sowjetunion, Südosteuropa, Belgien, Luxemburg, den Niederlanden und Frankreich. In einem kurzen vierten Band fasst Klaus-Dietmar Henke die Ergebnisse zusammen.

Die Dresdner Bank wurde durch die Bankenkrise von 1931 stärker getroffen als die beiden anderen Filialgroßbanken, die Commerzbank und die Deutsche Bank, und sie wurde weiter belastet durch die Übernahme der überschuldeten Darmstädter und Nationalbank. Das Reich stützte die Bank mit erheblichen Subventionen. Als Folge der Stützungsaktion war die Dresdner Bank zu über neunzig Prozent im Besitz des Reiches und, über die Deutsche Golddiskontbank, der Reichsbank. Das nationalsozialistische Regime hat die privaten Banken nicht verstaatlicht, wie viele Anhänger erwarteten und einige Banker befürchteten, sondern hat mit dem Kreditwesengesetz von 1934 die differenzierte Bankenlandschaft mit privaten Banken, öffentlichen Banken, insbesondere den kommunalen Sparkassen, und Genossenschaftsbanken bestätigt. Allerdings wurde das Bankwesen einer strikten Regulierung und Kontrolle durch das Reich und die Reichsbank unterworfen.

Die Dresdner Bank erholte sich nur langsam von der Krise. 1935 konnte sie erstmals eine Dividende ausschütteten, und seit 1937 stieg die Bilanzsumme, die bis dahin zurückgegangen war, wieder an. Nachdem die wirtschaftliche Situation sich stabilisiert hatte, wurde die Dresdner Bank 1937 reprivatisiert. Über die Eigentümer der Bank ist kaum etwas bekannt. Dieter Ziegler nimmt an, dass der Aktienbesitz relativ breit gestreut war; nach der Währungsreform von 1948 gab es mindestens 12000 Aktionäre (Bd. 1, S. 73). Offenbar hat keiner der Aktionäre in der Zeit von 1937 bis 1945 jemals versucht, auf die Geschäftspolitik der Bank Einfluss zu nehmen. Vorstand und Aufsichtsrat konnten die Bank ohne Kontrolle durch die Eigentümer lenken, in deren Auftrag sie nach dem Aktienrecht handelten. Damit richtet sich die Frage nach der historischen Verantwortung vor allem an das Führungspersonal der Bank. Ab 1933 holte die Dresdner Bank einige Nationalsozialisten in Führungspositionen, um gute Beziehungen zum herrschenden Regime zu pflegen, und weitere exponierte Nationalsozialisten wurden der Bank von der NSDAP und ihren Organisationen aufgedrängt. Die Bank hat sich aber nicht als Instrument von Partei und Staat verstanden, sondern hat als privates gewinnorientiertes Unternehmen gehandelt, auch wenn sie im Laufe der Zeit immer enger mit dem nationalsozialistischen Regime zusammenarbeitete.

Nach der Privatisierung konnte die Dresdner Bank ihr Geschäftsvolumen stetig ausdehnen. Das normale Bankgeschäft stagnierte zwar, aber die Kreditinstitute wurden zunehmend in die Rüstungsfinanzierung und ab 1939 in die Kriegsfinanzierung eingebunden. Die Rüstungsindustrie wurde durch staatliche Aufträge und Zuschüsse finanziert. Die Kreditinstitute nahmen die Ersparnisse der Haushalte und Unternehmen auf und gaben sie als langfristige oder kurzfristige Kredite an den Staat weiter. Allerdings waren die Geschäftsbanken für die Kriegsfinanzierung weniger wichtig als die Sparkassen, die den größten Teil der Spareinlagen aufnahmen und daher auch den größten Anteil an den Staatsschulden hatten.

Unternehmenskredite und Emissionsgeschäfte, die traditionell die Kernkompetenz der Geschäftsbanken ausmachten, hatten im Schatten der Kriegsfinanzierung nur geringe Bedeutung. Überdies war der Bankenmarkt in Deutschland strikt reguliert. Das Kreditwesengesetz von 1934 war der vorläufige Schlusspunkt einer Marktregulierung durch Kartelle und öffentliche Interventionen, die schon im Kaiserreich begonnen hatte. Die Dresdner Bank hatte daher keine Möglichkeit, als Alternative zur Kreditgewährung an den Staat ihren Marktanteil im privaten Bankgeschäft zu vergrößern.

Die Stagnation des normalen Bankgeschäfts und die enorme Ausdehnung der Staatskredite, deren Risiken aus den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs bekannt waren, trugen dazu bei, dass die Dresdner Bank und andere Geschäftsbanken sich mit größter Eile und ohne jede Bedenken auf die neuen Betätigungsfelder stürzten, die sich durch die nationalsozialistische Herrschaft eröffneten. Es waren genau die Aktivitäten, die schon nach zeitgenössischen Normen moralisch verwerflich waren und die nach dem Ende der Diktatur den Banken zum Vorwurf gemacht wurden: die Verwertung der jüdischen gewerblichen und privaten Vermögen, die Finanzierung der Rüstungsindustrie, die Geschäfte mit dem Regime und seinen Terrororganisationen und die Ausbreitung in den besetzten Gebieten (Bd. 1, S. 181-198). Die Autoren zeigen die einschlägigen Aktivitäten der Dresdner Bank bis ins Detail mit vielen Beispielen auf. Die Bankmanager mochten auf Chancen zur Erweiterung ihrer Geschäfte nicht verzichten, auch in Situationen, in denen nach moralischen Kriterien größte Zurückhaltung angebracht gewesen wäre. Klaus-Dietmar Henke sieht zusammenfassend in der unbedingten, gegenüber allen moralischen Normen blinden Kooperation mit dem nationalsozialistischen Regime die besondere Verantwortung der Dresdner Bank (Bd. 4, S. 221-225).

Trotz aller Betriebsamkeit und Rücksichtslosigkeit konnte die Dresdner Bank dem Desaster von Diktatur und Krieg nicht entkommen. Zwar suggerierten die Bilanzen, dass das Geschäftsvolumen der Bank zunahm und die Gewinne stiegen. Die nominalen Werte waren aber durch die Inflation einer enormen realen Erosion ausgesetzt. Da es eine zurückgestaute Inflation war, ließen die kontrollierten Preise die Geldentwertung nicht erkennen. Finanzexperten konnten aber frühzeitig an dem starken Anstieg der Staatsschulden den Inflationsprozess ermessen, und spätestens bei der Währungsreform von 1948 wurden die realen Verluste auch dem allgemeinen Publikum deutlich.

Die Geschichte der Dresdner Bank unter der nationalsozialistischen Diktatur wird in dem vorliegenden Werk mit größter Sorgfalt recherchiert, dargestellt und bewertet. Die Autoren und Autorinnen zeigen die Motive der Akteure, die vielfältigen Aktivitäten der Bank im Inland und im Ausland, die enge Zusammenarbeit mit dem nationalsozialistischen Regime. Die umfassende Aufklärung nach einer langen und kontroversen Debatte über die Rolle der Dresdner Bank in der nationalsozialistischen Diktatur ist das wichtigste Ergebnis dieses Forschungsprojektes. Über die Folgen nach dem Untergang des „Dritten Reichs“ bis zur Rekonzentration 1957 informiert in Kürze ein weiteres Werk.1

Anmerkungen:
1 Ahrens, Ralf, Die Dresdner Bank 1945-1957. Konsequenzen und Kontinuitäten nach dem Ende des NS-Regimes. Unter Mitarbeit von Ingo Köhler, Harald Wixforth und Dieter Ziegler, München 2007.

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