T. Kater (Hrsg.): Bilder vom Frieden

Titel
"Der Friede ist keine leere Idee ...". Bilder und Vorstellungen vom Frieden am Beginn der politischen Moderne


Herausgeber
Kater, Thomas
Reihe
Frieden und Krieg. Beiträge zur Historischen Friedensforschung 6
Erschienen
Anzahl Seiten
264 S.
Preis
€ 19,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jörg Seiler, Institut f. Kath. Theologie, Universität Koblenz-Landau

Die politische Moderne modelliert eigene und eigenartige Bilder vom Frieden. Elf dieser Bilder werden im vorliegenden Sammelband, der auf die Jahrestagung des Arbeitskreises Historische Friedensforschung 2003 zurückgeht, zusammengetragen – entstanden ist keine Gesamtschau, sondern ein illustres Panoptikum, das die einzelnen Aufsätze fünf Bildräumen zuordnet: Modellierungen, Kunst, Politik und Gesellschaft, Natur und Ausstellungen. Die kluge Einführung von Thomas Kater („Der Friede ist keine leere Idee …“. Zur Transformation von Friedensbildern am Beginn der Politischen Moderne) versucht, die durchaus disparaten Beiträge zusammenzuführen. Damit kann man sich dem Band entspannter nähern. Kater attestiert, dass „Frieden“ bloß für sich weder Bedeutung, noch Bild- und Vorstellungspotenz besitze. Ihm müssten Attribute beigegeben werden; er bedarf der Kontextualisierung. Maßgebend sind die Impulse, die von Kant, aber auch – durchaus versteckter – von Augustinus ausgehen. Frieden ist nach Kant gekennzeichnet durch den Grundzug der Belebung bzw. Bewegung. „Frieden wird begriffen als fortwährende Konfliktlösung ohne Überwindung des Konflikts selbst, der als solcher gar nicht überwunden werden soll bzw. darf, weil so die Natur des Menschen und ihre Entfaltung verfehlt würden“ (S. 18). Im Gegensatz hierzu ist für Augustinus Frieden ohne Krieg denkbar, da für ihn Frieden die Versöhnung der Differenz ist. Die göttliche Schöpfungsordnung kommt in der weltlichen Friedensordnung zum Ausdruck – widerspruchsfrei aufgrund göttlichen Schaffens und Wollens. Politisch konkretisiert sich diese Friedensordnung in concordia und iustitia, die ihrerseits den häuslichen (neuzeitlich: privaten) und politisch-sozialen Raum gestalten. Augustinus und, mehr noch, Kant stecken den semantischen und theoretischen Rahmen ab, sich mit Vorstellungen und Bildern, die „von der Wirklichkeit des Friedens, dem friedlichen Leben und dem Leben in Frieden und im Frieden“ handeln, in der Moderne zu beschäftigen.

Unter „Modellierungen“ finden sich theoretische Überlegungen. Klaus Dicke (Friedensvorstellungen in der deutschen philosophischen Diskussion um 1800) vertieft Katers Ausführungen. Ausgehend von den Friedensvorstellungen bei Herder, Constant, Sieyes und Hegel lassen sich sieben verschiedene Modelle der um 1800 diskutierten Friedensvorstellungen finden: Friede erscheint als Inbegriff menschlicher Glückseligkeit; er bedarf der Stiftung und der Institutionalisierung; er ist Werk der Gerechtigkeit, Werk guten Regierens (letztlich Werk der Republik) und der Ruf der Freiheit, Not zu wenden. Wichtiger Garant friedfertiger Gesinnung ist der Handel. Die Ambivalenz dieser Vorstellungen – so Dicke – ist offensichtlich: „Sie können zum Frieden führen, sie müssen es aber nicht“ (S. 45). Sie münden in bzw. bedürfen der Hoffnung. So sei zu fragen, ob wir es hier nicht „mit einer Säkularisierung eines im Grunde theologischen, das Seelenheil des Menschen und der Menschheit insgesamt betreffenden Denkens zu tun“ hätten (ebd.). Der zweite Beitrag widmet sich Friedrich Karl Moser. Dieser verwendet Begriffe wie Glückseligkeit, Ordnung, Wohlstand, das gemeine Beste, um Frieden – dieser Begriff ist dem jenseitigen Frieden vorbehalten – zu beschreiben, so Helke Dreier in ihrem Beitrag (Pietismus und Patriotismus als Garanten de Friedens. Vorstellungen vom Frieden bei Friedrich Karl von Moser [1723-1798]). Frieden ist hier Ergebnis einer positiven Rechtsordnung und der Freiheit, jedoch konservativ gewendet: Die Rechtsordnung ist jene des Alten Reichs, die es gegenüber nationalstaatlichem Denken zu sichern gelte. Mosers Friedensethos speist sich hierbei ganz aus pietistischen Grundüberzeugungen. Derart auf Glaubenssysteme eingestimmt, gelingt es, den Beitrag von Albert Kümmel (Utopien des Adorzismus) einzuordnen. Adorzismus – als eine dem Exorzismus entgegen gesetzte Strategie des Umgangs mit Besessenheit – ermögliche ein Leben mit den Geistern, indem man sie zu eigenen Geistern macht. Ob der moderne Spiritismus um 1900 als euroamerikanische Version der hier inhärenten Friedensutopie anzusehen ist, bleibt unklar.

Konkreter ist der Beitrag von Hans-Otto Mühleisen (Bilder vom Frieden zwischen Französischer Revolution und Wiener Kongress), mit dem der Bildraum „Kunst“ betreten wird. Mittels der Untersuchung von emblematischen Darstellungen und von Ereignisbildern wird der These nachgegangen, „dass es in kriegerischen Auseinandersetzungen einen Kulminationspunkt gibt, der die Theoriebildung und die Entwicklung von Friedenskonzepten unterstützt“. Allerdings ist diese Unterstützung eine nachgängige, ohne normatives Potential. Nahtlos schließt der souveräne Beitrag von Hans-Martin Kaulbach (Allegorie und Realität in den Friedensbildern des 19. Jahrhunderts) an. Kaulbach kontrastiert konstitutionelle Herrscherdenkmäler mit für den Kunstmarkt geschaffenen Bildern. In „Peace concluded. 1856“ von J. E. Millais erkennt er die Auflösung der vorherrschenden bildlichen Identifikationsangebote für eine Kriegsbeteiligung hin zur friedvollen Familienidylle bürgerlicher Welten.

Unter „Politik und Gesellschaft“ firmieren zwei Beiträge im Umfeld der spät-/nachnapoleonischen Ära. Dierk Spreen (Friedensbildlichkeit und Gesellschaftsbegriff zur Zeit der Romantik) stellt anhand der Zeitschrift „Phöbus – Ein Journal für die Kunst“ (hg. von Heinrich v. Kleist und Adam H. Müller) eine Beschreibung der militanten Semantik des Sozialen vor. Die Romantik, deren Friedensideal in der Vorstellung der Versöhnung kulminiert (als dynamisches Spiel von Gegensätzen, die in gegenseitige Ergänzung und Totalität münden), entwickle über die Fähigkeit, Krieg zu denken, die Möglichkeit, normative Friedensbilder zu entwerfen. Im Zentrum des Beitrags von Peter Glaser (Das Nibelungenlied im Tornister. Freiheit, Einheit und Reinheit im nationalen Diskurs der Befreiungskriege) steht die Interpretation des Nibelungenliedes durch Johann August Zeune (1778-1853), das Zeune im Sinne kriegsmotivierender negativer Friedensbilder zu instrumentalisieren verstand. Seine Mini-Ausgabe der Nibelungen (1815) sollte Kriegsertüchtigung sein zur Schaffung von Freiheit, Einheit und Reinheit in einem befreiten Deutschland. Angezielt war eine „dauerhafte friedliche Ordnung einer mittelalterlich verklärten Konsensutopie“ (S. 191).

Den Bildraum der „Natur“ wird eröffnet mit Ausführungen von Martin Leutzsch. Er analysiert in seinem quellenreichen Beitrag „Spielarten des Tierfriedens im 19. Jahrhundert“. Der Befund ist uneindeutig. Das antike und biblische Motiv des Tierfriedens kann Bild sein für die „Erwartung einer kontinuierlichen Evolution hin zu einem universalen, die Natur einschließenden Friedensreich“ (S. 209). Es kann jedoch auch als irrelevante Idylle oder – antijüdisch – als orientalisches Beiwerk abgetan werden. Thematisiert wird der Tierfriede hauptsächlich durch Männer. Diesen gelte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Zähmung der Affekte nicht mehr „als Ideal bürgerlicher Männlichkeit, sondern als abzulehnende Verweiblichung“ (S. 211). Mit Gartenanlagen beschäftigt sich Stefan Groß (Freiheit und Frieden im Gartenreich. Der geschichtliche Ort des locus amoenus und die Freiheit zur Aufklärung in den Gärten von Wörlitz und Weimar). Während in barocken Gärten die Idee eines universalen Friedens durch die Aktivität des Souveräns Gestalt findet, beginnen im Zeitalter der englischen Aufklärung Vorstellungen individueller Freiheit und persönlichen Friedens auch landschaftsarchitektonisch umgesetzt zu werden. Während in England die Gartenrevolution eher politische Züge trug, dominierte beim deutschen Landschaftsgarten das bukolische Ideal. So konnte der Wörlitzer Garten als ein Reich des Friedens entwickelt werden, das dem stark militarisierten Preußen gegenüber stehe. Stark ist das sozialpädagogische Programm: „Gelingt es dem Menschen, sich als Einheit seiner selbst zu begreifen, dann wird er, wie der Garten, selbst zum Symbol und damit zum Träger einer universell geltenden Idee vom Frieden, die er in sich bereits verwirklicht hat“ (S. 225).

Abschließend stellt Peter van den Dungen die verschiedenen Friedensmuseen Europas vor (Frieden im Museum – oder: Was stellen Friedensmuseen aus?). Van den Dungen attestiert, „dass in der ganzen Welt kein einziges Museum existiert, das dem großen Thema des Friedens gerecht oder gewachsen ist“ (S. 238). Zu oft sei Krieg und nicht Frieden das Thema.

Die einzelnen Beiträge sind sehr disparat. Von daher hätte man sich ein Register gewünscht, um nach der anstrengenden Lektüre noch einmal, und nun systematisierter, auf Spurensuche zu gehen nach den Bildern des Friedens am Beginn der Moderne.