M. Heil (Hrsg.): Prosopographia Imperii Romani VII 2

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Titel
Prosopographia Imperii Romani saec. I. II. III. Editio altera.. Pars VII, Fasciculus 2


Herausgeber
Heil, Matthäus; Wachtel, Klaus
Erschienen
Berlin u.a. 2006: de Gruyter
Anzahl Seiten
XXI, 382 S.
Preis
€ 98,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Olli Salomies, Klassillisen filologian laitos / Institutum Classicum, Helsingin yliopistoon / Universität Helsinki

Die Prosopographia Imperii Romani (PIR) ist, wie man auf der Startseite der Homepage der PIR im Rahmen der Darstellung der Forschungsprojekte der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften lesen kann 1, „Ein ‚Who is Who‘ des römischen Kaiserreichs“, und zwar der drei ersten Jahrhunderte zwischen Augustus und Diocletian.2 Wie im Fall moderner Personenlexika von Typus ‚Who is Who‘ werden auch in PIR nicht alle Einwohner des Römischen Reiches verzeichnet – bei den hunderttausenden von namentlich bekannten Einwohnern des Reiches in dieser Zeitspanne wäre eine vollständige Auflistung ganz unmöglich –, sondern „vor allem“, wie es auf derselben Homepage (unter „Arbeitsweise“ - im übrigen eine sehr informative Seite) heißt, „die soziopolitischen Führungsschichten des Weltreiches“. Wer zu diesen Schichten gehört, wird ebenda unter „Überblick“ definiert; es handelt sich neben den Kaisern mit ihren Familienmitgliedern vor allem um die Angehörigen des Senatoren- und des Ritterstandes, im letzteren Fall jedoch nur „soweit sie Aufgaben in der kaiserlichen Verwaltung übernommen hatten“, was etwa Präfekten von Alen und Kohorten, also militärischer Einheiten von mehreren hundert Mann Stärke, ausschließt, soweit für solche Präfekten nicht auch Verwaltungsaufgaben (etwa als Prokuratoren) bezeugt sind (diese Begrenzung könnte diskutiert werden). Darüber hinaus finden in die PIR alle Personen Aufnahme, die – unabhängig von ihrem Rang – von Schriftstellern oder in sonstigen literarischen Quellen (mit Ausnahme des Codex Iustinianus, wo tausende von einfachen Soldaten usw. namentlich genannt werden) erwähnt werden und schließlich noch „Angehörige der regierenden Familien in den von Rom abhängigen Klientelstaaten bzw. unabhängiger Reiche, soweit sie mit Rom in Kontakt standen“. Außerdem erscheinen hier und da auch Personen, die nicht eigentlich zu den von der PIR berücksichtigten Gruppen gehören, bei denen man aber entweder weiß oder annehmen kann, es handele sich um Personen, die mit Senatoren und hoch gestellten Rittern in Verbindung standen und die deshalb aus dem Blickwinkel der PIR – und deren Benützer – von Interesse sind (etwa Nr. 439, 441 und 455).

Der vorliegende zweite Faszikel des 7. Bandes der zweiten Auflage (die erste Auflage erschien 1897–1898) enthält die Namen, die mit einem S beginnen; insgesamt sind es 1054 Namen (jeder Name hat eine eigene Nummer). Da in der PIR die Personen, für die mehr als ein Name überliefert ist, unter ihren Geschlechtsnamen verzeichnet werden (Gaius Iulius Caesar würde man also unter den Iulii finden), erscheinen in diesem Faszikel also mehrere wichtige mit einem S beginnende Geschlechtsnamen, so beispielsweise „Servilius“ (35 Nummern) und „Statilius“ (57 Nummern). Einer der großen Verdienste der PIR ist es aber, dass von den berücksichtigten Personen nicht bloß ein Name (also im Normalfall der Gentilname), sondern alle Namen verzeichnet werden, die restlichen allerdings ohne eigene Numerierung; so erscheinen hier S. 243–251, zwischen den Severini und den Sextilii, alle Personen, die unter ihren Namen das Cognomen Severus haben. Dies ist von großem Nutzen, weil man mit Hilfe dieser Liste eine Person, von dem man zunächst nur das Cognomen Severus kennt, näher identifizieren kann. Nebenbei sei noch bemerkt, dass die Herausgeber der PIR in den neuesten Bänden eine sehr nützliche Neuerung eingeführt haben: bei Personen, deren Biographien wegen des Anfangsbuchstabens ihres Geschlechtsnamens schon in früheren Bänden erschienen sind, für die später aber neue, wichtige Informationen hinzugekommen sind, wurden diese neuen Angaben unter einem anderen Namensteil verzeichnet; so werden etwa für den Senator Cominius Secundus, der schon in Band II unter den Cominii verzeichnet worden war, neue Erkenntnisse auf S. 114 unter den Secundi geboten. Zuweilen wurden auch neue Personeneinträge nicht unter dem Geschlechtsnamen, sondern unter einem anderen für den Band relevanten Namen aufgenommen; so muss beispielsweise ein gewisser Aius Sanctus nicht bis auf das Erscheinen einer eventuellen neuen Auflage des ersten Bandes (mit Namen, die mit einem A anfangen) warten, sondern wird hier (S. 62) unter den Sancti angeführt (ähnliches etwa S. 85f., 90f., 93, 300 usw.). Der Nutzen dieser Neuerung wird jedem evident sein.

Es ist für die römische Kaiserzeit bezeichnend, dass nur eine Minderheit aller namentlich bekannten Persönlichkeiten aus literarischen Quellen (Historikern usw.) bekannt ist. Die große Mehrheit ist nur in Inschriften (im Fall vor allem von Ägypten auch in Papyri) bezeugt. Im Gegensatz zu den literarischen Quellen, die ja praktisch alle seit Jahrhunderten bekannt sind, werden jedes Jahr hunderte von neuen Inschriften und Papyri publiziert, von denen viele neue Informationen zu den von der PIR berücksichtigten Personen bieten (so wird etwa unter Nr. 746, der Biographie des jüdischen Rebellenfürsten Simon bar Kosiba, auch „Kokhba“ genannt, betont, dass viele der ihn betreffenden Zeugnisse erst neulich – „nuper“ – gefunden bzw. publiziert worden sind). Wenn man dazu noch berücksichtigt, dass es zu den in der PIR verzeichneten Personen auch eine reichhaltige Forschungsliteratur gibt, die ebenfalls in der PIR berücksichtigt und verarbeitet werden muss, wird klar, dass die PIR ein Arbeitsinstrument von erstrangiger Bedeutung ist, ohne welches sich praktisch niemand über die Fortschritte in der prosopographischen Forschung informiert halten kann. Die PIR-Bände stehen stets bei ihrem Erscheinen auf dem neuesten Stand der Forschung; auch in diesem 2006 erschienenen Band werden im demselben Jahr publizierte Arbeiten zitiert (etwa Nr. 78 oder 368) und wird auf noch nicht erschienene Inschriften (S. 10 unter Fabius Sabinus) oder Aufsätze (Nr. 44) hingewiesen. Wegen der großen Bedeutung des Werkes überhaupt, und wegen des hohen Niveaus der Ausführung kann man also feststellen, dass dieser Band zu den wichtigsten im Jahr 2006 erschienenen Arbeiten auf dem Gebiet der römischen kaiserzeitlichen Geschichte gehört. Den Herausgebern Matthäus Heil und Klaus Wachtel sowie ihren Mitarbeitern Marietta Horster, Andreas Krieckhaus und Anika Strobach gebührt also ein aufrichtiger Dank für ihre Leistung.

Dass es jedoch in einem Werk, in dem tausende von Quellen zitiert und verwertet werden, auch kleinere Fehler geben muss, ist natürlich klar. Es soll mir erlaubt sein, hier auf einige hinzuweisen. Nr. 11 (Sabidius Severus): die Handschriften bieten aber Safidius, ein Name, der in Afrika (der Heimat dieses Mannes) oft belegt und ganz in Ordnung ist (ähnlich Silvanus gegenüber handschriftlich Silvinus Nr. 736); Nr. 140: Salvius ist der Vorname, nicht der Geschlechtsname des Mannes; Nr. 595: es hätte mitgeteilt werden können, dass dieser Mann als Konsul immer an erster Stelle genannt wird, was nicht ganz uninteressant ist; S. 240: der Dichter C. Valerius Flaccus Setinus Balbus hätte hier vielleicht erwähnt werden können; Nr. 675: Lucius ist der Vorname (nicht das Cognomen) des Mannes; Nr. 777: das Konsulat des Senecio im Jahre 99 wird wohl auch in Scavi di Ostia X (1979), S. 17, Nr. 36 erwähnt: Pa(lma) et Sen(ecione) cos.; Nr. 940: es gibt eigentlich keinen Grund, den Namen Subatia in Subatiana zu korrigieren; Nr. 937: Pompeiopolis liegt nicht in Kilikien; Nr. 1029: es muss vielmehr [Di]dymiana gelesen werden.3

Dies sind aber Kleinigkeiten, die niemanden stören werden. Viel störender wird dagegen den meisten Benützern der PIR das sein, was man im „Vorwort“ von Werner Eck liest: Man erfährt hier nämlich, dass die PIR als Unternehmen der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, von dem zumindest ein Ausländer annehmen würde, es gehöre zum Stolz der Akademie, unglaublicherweise am 31. Dezember 2006 eingestellt wird; und studiert man die Homepage der PIR (s. o.), was man ja wegen der überaus nützlichen Suchprogramme zu tun gewohnt ist, so findet man die Mitteilung „Laufzeitende im Akademienprogramm 31.12.2006“; eine Information, die treffend dadurch illustriert wird, dass die Namen fast aller Mitarbeiter, die man hier noch 2006 lesen konnte, nunmehr verschwunden sind. Allerdings liest man im Vorwort, es sei „jedoch zu hoffen“, dass Matthäus Heil, der letzte Arbeitsstellenleiter der PIR, „durch günstige Umstände“ noch „für einige Jahre“ an dem Abschluss des Werkes (es fehlen ja noch die Namen, die mit T – Z beginnen) „mit Unterstützung der Akademie“ arbeiten kann, was natürlich nett ist. Nur fragt man sich, wie es Herrn Heil gelingen wird, in nur „einigen Jahren“ ohne jeglichen Mitarbeiter das gewaltige Material zu bewältigen und daraus eine Reihe von wissenschaftlich fundierten Kurzbiographien entstehen zu lassen. Die Ausarbeitung eines Bandes, mit hunderten von Biographien, verlangt ja eine Arbeit von mehreren Jahren (man beachte, dass der erste Band der zweiten Auflage der PIR schon 1933 erschien).4 Dazu kommt aber noch, dass so ein Werk wie die PIR nicht einfach abgeschlossen werden kann. Wegen des steten Zuwachses des Quellenmaterials sind die älteren Bände der PIR teilweise schon veraltet; und würden wir in einer idealen Welt leben, gäbe es immer noch ein PIR-Team, das sich neben den noch ausstehenden Bänden der 2. Auflage schon auf die Ausarbeitung der ersten Bände einer 3. Auflage vorbereiten würde. Es wurde aber entschieden, dass dies nicht in Berlin geschehen wird. Schade.

Anmerkung:
1 Vgl. http://www.bbaw.de/bbaw/Forschung/Forschungsprojekte/pir/de/Startseite. Zur Stellung der PIR innerhalb der BBAW s.u.
2 Im Fall republikanischer Persönlichkeiten gibt es leider kein Personenlexikon auf wissenschaftlicher Grundlage; die Spätantike ist dagegen Gegenstand des britischen Unternehmens Prosopography of the Later Roman Empire (PLRE).
3 Vgl. Solin, Heikki, Analecta epigraphica, Roma 1998, S. 79.
4 Über das langsame Fortschreiten der Arbeit, bedingt zunächst durch die Kriegszeit, dann durch die Verhältnisse in der DDR, vgl. das Vorwort von Werner Eck.

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