Regionalgeschichte der Sparkassen-Finanzgruppe

Titel
Regionalgeschichte der Sparkassen-Finanzgruppe. Band 1


Herausgeber
Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe
Reihe
Sparkassen in der Geschichte
Erschienen
Anzahl Seiten
299 S.
Preis
€ 42,69
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Harald Wixforth, Ruhr-Universität Bochum

Unbestritten ist, dass die Sparkassenorganisation und einzelne Sparkassen in fast allen Ländern Mitteleuropas zu den wichtigen und unverzichtbaren Säulen der modernen Kreditwirtschaft zählen. Fest steht auch, dass ihre Bedeutung auf den Finanzmärkten bis in die Gegenwart hinein kontinuierlich zugenommen hat. Von Instituten, die in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts noch eher dem traditionellen Sparkassengeschäft verhaftet waren, die in den 1920er-Jahren vielfach einen Modernisierungs- und Innovationsschub durchliefen, über das politisch bevorzugte Segment der Kreditwirtschaft in den Ländern Mitteleuropas, die unter die Herrschaft des nationalsozialistischen Regimes gerieten, verwandelten sich die Sparkassen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in verschiedenen Entwicklungsschritten zu modernen Finanzdienstleistern mit einer weitreichenden Angebotspalette. Unbestritten ist auch, dass Sparkassen aufgrund ihres Auftrags und ihrer Rechtskonstruktion einen weitaus größeren regionalen und lokalen Bezug in ihrem operativen Geschäft aufweisen als konkurrierende Segmente der Kreditwirtschaft. Eine Regionalgeschichte der deutschen Sparkassen bzw. der Sparkassen-Finanzgruppe ist daher nicht nur zu begrüßen, sondern auch überfällig. Diese Notwendigkeit hat offenbar auch die Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe in Bonn erkannt und sich dazu entschlossen, die Geschichte der Sparkassen auf regionaler Ebene in zwei Bänden vorzustellen. Der erste, nun vorliegende Band behandelt Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Berlin, die Sparkassen im heutigen Gebiet des Ostdeutschen Sparkassenverbandes sowie Schlesien. Das Kapitel über die ostdeutschen Sparkassen beinhaltet sieben Unterabschnitte, in denen die Geschichte der Sparkassen in Mecklenburg, Pommern, Brandenburg, Anhalt, Sachsen, der preußischen Provinz Sachsen und auf dem Gebiet der ehemaligen DDR dargestellt wird.

Wer von diesem Band eine detailreiche Tiefenanalyse der Sparkassenentwicklung in den einzelnen Regionen erwartet, ist sicherlich enttäuscht. Alle Kapitel sind eher skizzenhaft und kursorisch konzipiert und gehen nur in wenigen Fällen auf Sonderentwicklungen oder bestimmte Charakteristika einzelner Sparkassen ein. Zudem lässt sich eine inhaltliche Schwerpunktsetzung feststellen, die sich stark an den Usancen der traditionellen Sparkassenhistoriographie orientiert. Vergleichsweise ausführlich wird auf die Gründungsgeschichte und die Initiatoren von Sparkassengründungen eingegangen. Zudem werden die ersten Wachstumsphasen und die akquirierten Kundensegmente behandelt. Anschließend wird die Sparkassengeschichte im 20. Jahrhundert mit ihren Verwerfungen in der Weimarer Republik, dem Bedeutungszuwachs vieler Institute während der NS-Zeit und dem Wiederaufbau nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs thematisiert. Eine kurze Skizze der Verbands- und Verbundsentwicklung in den jeweiligen Regionen ist angefügt. Dieser Befund gilt allerdings nicht für den von Hans-Georg Günther verfassten Abschnitt über die Sparkassenentwicklung in der ehemaligen DDR mit ihren aus dem Wirtschaftssystem resultierenden Besonderheiten und Eigentümlichkeiten.

Außer der nur vielfach skizzenhaften und kaum synthetisierenden Darstellung ist es ein Manko des vorliegenden Bandes, dass auf übergreifende, konzeptionelle und strukturierende Fragestellungen weitgehend verzichtet wird. Die Vergleichsperspektive zwischen einzelnen Regionen und ihren Sparkassen wird daher ebenso ausgeblendet wie eine synthetisierende Zusammenfassung mit greifbaren Resultaten für die allgemeine Sparkassengeschichte in Deutschland bzw. die Geschichte von Finanzinstitutionen in sich verändernden Märkten. Dies wirft die Frage nach dem Adressatenkreis für den vorliegenden Band auf. Der Eindruck herrscht vor, dass sich dieser vor allem an historisch interessierte Praktiker aus der Sparkassenorganisation bzw. an Personen richtet, die sich schnell und überblicksartig über die Entwicklung der Sparkassen-Finanzgruppe in einzelnen Regionen informieren wollen. Größere Impulse und Erkenntnis für eine ambitionierte wissenschaftliche Erforschung der Sparkassengeschichte bietet er kaum. Vielleicht war dieses seitens der Herausgeber auch gar nicht beabsichtigt. Immerhin bleibt zu konstatieren, dass mit dem von Konrad Fuchs verfassten Kapitel über die Sparkassenentwicklung in Schlesien eine lang Zeit von der Forschung völlig ausgeblendete Facette der deutschen Sparkassenentwicklung zum ersten Mal in einer Gesamtdarstellung behandelt wird.

Man darf gespannt sein, ob der angekündigte zweite Band, in dem die Entwicklung der Sparkassen-Finanzgruppe in den west-, südwest- und süddeutschen Regionen beleuchtet wird, einen ähnlichen Zuschnitt aufweist, oder ob er angesichts der für diese Landstriche wohl auch besseren Forschungslage eine größere Tiefenschärfe präsentieren kann. Der vorliegende Band ist ein überblicksartig konzipiertes Handbuch und eine Einstiegshilfe für diejenigen, sich noch intensiver und genauer mit der deutschen Sparkassengeschichte beschäftigen wollen.

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