W. Heckel: Who's who in the age of Alexander the Great

Cover
Titel
Who's who in the age of Alexander the Great. Prosopography of Alexander's Empire


Autor(en)
Heckel, Waldemar
Erschienen
Oxford 2006: Wiley-Blackwell
Anzahl Seiten
XXII, 389 S.
Preis
€ 85,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sabine Müller, Historisches Seminar, Leibniz-Universität Hannover

Waldemar Heckel, Professor am Department of Greek and Roman Studies der University of Calgary, gehört zu den renommiertesten Alexanderforschern. Er hat sich mit zahlreichen Studien sowie als Herausgeber einer Quellensammlung zur Geschichte des Alexanderreichs verdient gemacht.1 Einen Schwerpunkt seiner Forschung stellen prosopographische Themen dar.2 So ist seine komplexe Arbeit über die militärischen Führungskräfte Alexanders "The marshals of Alexander's empire" aus dem Jahr 1992 zu den Standardwerken zu zählen.3 Heckels Who's who des Alexanderreichs stellt einen Ertrag dieser jahrzehntelangen Forschungen dar und wendet sich sowohl an ein Fachpublikum als auch an einen breiteren Kreis historisch interessierter Leser "to make the work of others […] easier and more enjoyable", geleitet von der Vorstellung "to reach a wider audience without sacrificing scholarly content" (S. viii).

Die Struktur und das Auswahlprinzip für die in über 800 Artikeln behandelten Individuen ist an den Personenkatalog im zweiten Band von Helmut Berves Prosopographie des Alexanderreichs aus dem Jahr 1926 angelehnt, der noch immer Standardcharakter hat.4 In alphabetischer Ordnung bespricht Heckel die bekannten Lebensdaten der Personen "who are attested as involved in events that pertained to the History of Alexander, that is, primarily the literary texts" (S. vi). Dabei zieht er eine Trennlinie zwischen dem so genannten Hauptkanon der Quellen zur Alexandergeschichte und den von ihm als "most unreliable sources" bezeichneten antiken Schriften wie dem Alexanderroman (S. vi): Auf die Behandlung von Personen, die nur in letzterer Kategorie erscheinen, wird verzichtet. Im Zentrum der Artikel steht die Verbindung des jeweiligen Individuums zu Alexander, nach dessen Intensität sich auch die Detailliertheit der mit den jeweiligen Quellenbelegen gut dokumentierten Ausführungen bemisst. Das Buch ist zudem mit einer Zeittafel, einem Abkürzungsverzeichnis der Namen und Werke antiker Autoren, zwei Karten zu Alexanders Feldzügen, einem sorgfältigen Anmerkungsapparat von 59 Seiten, einem Glossar, einer Konkordanz verschiedener Namensformen, einer Bibliographie und Stemmata der relevanten Dynastien ausgestattet.

Da es Heckels Intention ist, die politischen Strukturen des Alexanderreichs anhand der Viten von Alexanders Zeitgenossen nachzuvollziehen, wollte er ursprünglich, Berves Beispiel folgend, keine eigenen Artikel zu Philipp II. und Alexander einfügen, beugte sich aber dem Wunsch des Verlags, keinen "Hamlet without the Prince" zu schaffen (S. vi). Angesichts der schwierigen Aufgabe, die Karrieren der beiden Argeaden dem Rahmen angemessen in wenige Seiten zu fassen (S. 10-18, 208-211), ohne Gefahr zu laufen, durch die notwendige Verkürzung die Probleme simplifizierend glatt zu bügeln, ist es verständlich, dass Heckel den Fokus auf die militärischen Ereignisse ihrer Regierungen richtet. Es ist ihm umso höher anzurechnen, dass er bei der darüber hinausgehenden Behandlung der Entwicklung des makedonischen Herrschertums mit seinen vielfältigen Implikationen differenziert wertet und auf die Überlieferungsproblematik sowie die Forschungsdispute hinweist. Seine früheren Analysen zu Opposition und Widerstand gegen Alexander bieten ihm eine Basis, die gerade den Artikel über seinen Protagonisten in gewinnbringender Weise prägt.5 Heckels Perspektive auf Alexander ist seither eine sachliche gewesen, jenseits einer romantischen Verklärung als Weltverbesserer in der Nachfolge von Tarns Alexanderkonstrukt einerseits sowie des Gegenpols einer Negativcharakterisierung Alexanders als eines megalomanen Schlächters in der "new orthodoxy" andererseits.6

Betrachtet man das Buch insgesamt, wird man sowohl ihm als auch den vorangegangenen Studien des Autors kaum gerecht, wenn man es nur im – zweifelsohne nahe liegenden – Vergleich mit Berves Prosopographie sieht.7 Ungeachtet seiner ursprünglichen Absicht, ein aktualisiertes Who's who des Alexanderreichs in Englisch zu verfassen, möchte Heckel Berves Standardwerk nach eigener Angabe nicht ersetzen (S. viii). Man sollte es also als eine willkommene Ergänzung zu Berves Personenkatalog betrachten, an dem man in der Alexanderforschung auch im Jahre 2007 nicht vorbei kommt. Bei dem Who's who handelt es sich um ein autonomes Buch, das sich zwar naturgemäß auf Berve stützt,8 dessen Bedeutung aber nicht zuletzt darin liegt, dass es eine aktuelle und prägnante Zusammenfassung der Ergebnisse von Heckels prosopographischen Studien bietet.

Etwas kritisch sind allerdings die bibliographischen Verweise zu sehen: So ist es für den Leser wenig übersichtlich, dass sowohl im Einführungsteil des Buchs in einem speziellen Abkürzungsverzeichnis (S. xviii-xxii) als auch in einer gesonderten Bibliographie im Anhang (S. 359-375) einschlägige Forschungsliteratur zu den behandelten Personen genannt wird. Diese Trennung der thematisch zusammengehörigen Literaturtitel erschließt sich auch nicht recht, da innerhalb des Personenkatalogs aus beiden Verzeichnissen zitiert wird. Literaturangaben in den Anhängen der Artikel können natürlich in einem Werk, das sich an einen breiten Leserkreis richtet, nur begrenzt sein. Über die Auswahl des Angeführten ließe sich in einigen Fällen aber streiten, in denen Standardwerke, aktuelle Monographien oder Aufsätze zu der jeweiligen Thematik zwar in einer der zwei bibliographischen Listen auftauchen, nicht aber im entsprechenden Artikel mit den beigefügten Kurztiteln.9 Teilweise vermisst man auch grundlegende Literaturtitel, etwa einen Hinweis auf die Monographie von Stephen Ruzicka über die Hekatomniden bei den Viten von Ada und Pixodaros von Karien oder die Arbeiten von Johannes Engels und Gerhard Wirth bei Hypereides.10 Insgesamt sind von den deutschsprachigen Arbeiten erfreulicherweise etliche berücksichtigt, was in englischer Literatur längst nicht mehr selbstverständlich ist. Wünschenswert wäre allerdings noch die Nennung einiger jüngerer Arbeiten gerade in den Kurztiteln unter den Artikeln gewesen. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob man sich der Diktion der antiken Quellen anschließen und unkritisch von "barbarians" (etwa S. 281) reden sollte, wenn man Nicht-Griechen und Nicht-Makedonen meint. Dies ist jedoch Ermessenssache.

In summa fällt das Fazit trotz der genannten Kritikpunkte, die den Gewinn aus der Lektüre des Buchs nicht wesentlich schmälern, sehr positiv aus. Heckels Who's who ist ein gut lesbarer und zugleich wissenschaftlich fundierter Überblick über die aus den problematischen Quellen rekonstruierbaren Lebensdaten von Zeitgenossen Alexanders, die Schlaglichter auf die Strukturen seines Reichs werfen. Der Lexikoncharakter erleichtert Themeneinsteigern den Zugang zur Alexandergeschichte und gestaltet den Band auch für Fachleute als willkommenes Nachschlagewerk, das allen Seminarbibliotheken und interessierten Laien zur Anschaffung empfohlen werden kann.

Anmerkungen:
1 Vgl. Heckel, W.; Yardley, J. C. (Hrsg.), Alexander the Great: Historical sources in translation, Oxford 2004; dies. (Hrsg.), Justin: Epitome of the Phillipic history of Pompeius Trogus, Bd. 1: Books 11-12, Oxford 1997. An Studien zum Alexanderreich sind exemplarisch zu nennen: The conspiracy against Philotas, in: Phoenix 31 (1977), S. 9-21; Factions and Macedonian politics in the reign of Alexander the Great, in: Ancient Macedonia 4 (1986), S. 293-305; Somatophylakia: A Macedonian cursus honorum, in: Phoenix 40 (1986), S. 279-294; Resistance against Alexander, in: Tritle, L. A. (Hrsg.), The Greek world in the fourth century, London 1997, S. 189-227; The politics of distrust: Alexander and his successors, in: Ogden, D. (Hrsg.), The Hellenistic world. New perspectives, London 2002, S. 81-95; King and "Companions": Observations on the nature of power in the reign of Alexander, in: Roisman, J. (Hrsg.), Brill's Companion to Alexander the Great, Leiden 2003, S. 197-225. Eine Monographie, die in die Thematik einführt, liegt ebenfalls vor: The wars of Alexander the Great. 336-323 B.C., Oxford 2002. Zudem ist der Sammelband zu erwähnen: Heckel, W.; Tritle, L. A. (Hrsg.), Crossroads of history. The age of Alexander, Claremont 2003.
2 Vgl. exemplarisch: Heckel, W., The last days and the testament of Alexander the Great. A prosopographic study, Wiesbaden 1988; Amyntas, son of Andromenes, in: Greek Roman and Byzantine Studies 16 (1975), S. 393-398; Polyxena, the mother of Alexander the Great, in: Chiron 11 (1981), S. 79-86; The early career of Lysimachos, in: Klio 64 (1982), S. 373-381; The boyhood friends of Alexander the Great, in: Emerita 53 (1985), S. 285-289.
3 Vgl. Heckel, W., The marshals of Alexander's empire, London 1992.
4 Vgl. Berve, H., Das Alexanderreich auf prosopographischer Grundlage, 2 Bde., München 1926 (ND Hildesheim 1999).
5 Vgl. Anm. 1.
6 Vgl. Tarn, W. W., Alexander the Great, 2 Bde., Cambridge 1948. Zur Diskussion um die "new orthodoxy" vgl.: Worthington, I., How "great" was Alexander?, in: Ancient History Bulletin 13 (1999), S. 39-55; Alexander and "the interests of historical accuracy", in: Ancient History Bulletin 13 (1999), S. 136-140; Holt, F. L., Alexander the Great today. In the interest of historical accuracy?, in: Ancient History Bulletin 13 (1999), S. 111-117.
7 Wie Heckel selbst anmerkt: "[…] comparisons will unevitably be made and I am afraid that my efforts must fall short of the master's" (S. viii).
8 Entsprechend verweist Heckel in den Literaturhinweisen, die den Artikeln angehängt sind, stets auf Berve, wenn die jeweilige Person auch in seinem Katalog aufgeführt ist.
9 Als Beispiel wäre: Hölbl, G., Geschichte des Ptolemäerreiches, Darmstadt 1994 zu nennen. Heckel zitiert die englische Übersetzung von 2001 (S. xx), doch in den Artikeln zu Ptolemaios Lagou und seiner Frau Eurydike fehlt die Angabe. Ein weiteres Beispiel bietet der Artikel zu Harpalos, in dem die Monographien von: Blackwell, C. W., In the absence of Alexander. Harpalus and the failure of Macedonian authority, New York 1999 sowie: Jaschinski, S., Alexander und Griechenland unter dem Eindruck der Flucht des Harpalos, Bonn 1981 fehlen. Beide finden sich im Eintrag unter Demosthenes (S. 111), indes sind die vollständigen bibliographischen Angaben zu Blackwell in keinem der beiden Literaturverzeichnisse vorhanden.
10 Vgl. Ruzicka, S., Politics of a Persian dynasty: The Hecatomnids in the fourth century B.C., Norman 1992. Ebenso fehlen die Aufsätze von: Carney, E. D., Women and dunasteia in Caria, in: American Journal of Philology 126 (2005), S. 65-91; Bockisch, G., Die Karer und ihre Dynasten, in: Klio 51 (1969), S. 117-175. Zu Hypereides vgl.: Engels, J., Studien zur politischen Biographie des Hypereides, 2. Aufl., München 1993; Wirth, G., Hypereides, Lykurg und die autonomia der Athener, Wien 1999.

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