S. Bedini: Der Elefant des Papstes

Cover
Titel
Der Elefant des Papstes.


Autor(en)
Bedini, Silvio A.
Erschienen
Stuttgart 2006: Klett-Cotta
Anzahl Seiten
336 S., 58 Abb.
Preis
€ 29,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Arne Karsten, Kunstgeschichtliches Seminar, Humboldt-Universität zu Berlin

Zur Pflege seiner diplomatischen Beziehungen mit dem Papsthof ließ sich König Manuel I. von Portugal im Jahre 1514 etwas Besonderes einfallen: Er sandte dem regierenden Papst Leo X. Medici (1513-1521) einen (fast) ausgewachsenen indischen Elefanten. Als der Dickhäuter, Hanno gerufen, nach langer und beschwerlicher Reise am 19. März 1514 in der Ewigen Stadt eintraf, löste seine Erscheinung grenzenloses Erstaunen aus – und wurde von den Zeitgenossen entsprechend aufmerksam beschrieben. Mehr noch: Das exotische Tier entwickelte sich zum Liebling des Papstes, was zur Folge hatte, dass die Entourage Leos sich nicht genug darin tun konnte, den Elefanten in Schriften und Bildern aller Art festzuhalten. Auch den Gegnern des Medici-Pontifex diente das Tier – nämlich als Motiv in Satiren, welche die überaus prächtige, als verweltlicht empfundene Hofhaltung des Vatikans anprangerten.

Deswegen könnte die Geschichte Hannos in vielerlei Hinsicht aufschlussreich sein: Böte sie doch die Gelegenheit zu Einblicken in die Bedeutung der frühneuzeitlichen Geschenkkultur und in das Reisen in jener Epoche, böte Hinweise zu Kommunikationswegen und Diplomatie, Zeremonien und Ritualen. Die Geschichte könnte auch Auskunft geben über die politischen Verhältnisse in Italien und Europa zu Beginn des 16. Jahrhunderts, über die gesellschaftlichen Strukturen im Kirchenstaat und an der Kurie sowie zu deren Zusammenhang mit der künstlerischen und kulturellen Produktivität Roms. Mit einem Wort: Das Leben eines Elefanten könnte als origineller Ausgangspunkt für eine umfassende kulturwissenschaftliche Studie dienen, interdiszplinär im besten Sinne des Wortes, indem sie nämlich Fragestellungen und Erkenntnisse verschiedener geisteswissenschaftlicher Fachrichtungen zusammenführt.

Um so betrüblicher, dass die nunmehr in deutscher Übersetzung vorliegende Studie von Silvio A. Bedini, emeritierter Professor für Geschichtswissenschaft in Washington D. C., diese Möglichkeit allenfalls in Ansätzen nutzt. Zwar werden aus einer Vielzahl verschiedener Quellen oftmals durchaus interessante Informationen zur Geschichte Hannos zusammengetragen. Doch schon bei der Wiedergabe dieser Quellen beginnen die Probleme, da die Zeitzeugnisse fast durchgängig unkritisch, ja unkommentiert ausgebreitet werden. So finden sich, um nur ein Beispiel zu nennen, die Bezeichnungen für Kardinäle, die in den zeitgenössischen Berichten teils mit Familiennamen, teils nach ihrer Titelkirche, teils nach ihrem Herkunftsort, mitunter aber auch nach ihrem Bischofssitz benannt werden, munter durcheinandergemischt, was es selbst Kennern des Kardinalskollegiums unter Leo X. schwer macht, zu verfolgen, wer jeweils gemeint ist – wer hat schon stets Band 3 der Hierarchia Catholica griffbereit? Noch schwerer wiegt, dass der Leser über den Aussagewert und den Grad der Glaubwürdigkeit einzelner Quellen kein Wort erfährt.

Nicht besser steht es um die Einbettung der geschilderten Ereignisse in größere Zusammenhänge. Wo sich der Autor überhaupt darum bemüht, das Beschriebene zu deuten, entwickelt er fast durchgängig ein Bild des Papsttums und seiner politischen Stellung im Europa dieser Jahre, das als wissenschaftlich längst überholt gelten muss: Das kolportierte Bild des großmütigen und großzügigen, wenn auch politisch etwas unbedarften Medici-Sprosses Leo X., dessen gut gelauntes Mäzenatentum von humorlosen Nordeuropäern wie Luther und Calvin nicht verstanden wurde und deswegen schlimme Folgen in Gestalt der Reformation zeitigte – das Festhalten an einer solchen Darstellung lässt sich erklären, wenn man einen Blick auf das Literaturverzeichnis wirft und dabei konstatiert, dass jüngere Forschungsergebnisse – auch englischsprachige – mit geradezu eindrucksvoller Konsequenz unberücksichtigt geblieben sind.

So lautet die deprimierende Erkenntnis, die aus der Beschäftigung mit dem Elefanten über annähernd 250 Seiten gewonnen wird: „Ohne Zweifel kommt dem Elefanten [...] ein Platz in der Geschichte des Papsttums zu. Hier spielen auch die bemerkenswerten Künstler und Schriftsteller, die Possenreißer und Dichterlinge eine Rolle. Sie kennzeichneten durch ihre Gegenwart den Höhepunkt des goldenen Zeitalters am päpstlichen Hof, ehe es plötzlich und katastrophal zum Niedergang kam“ (S. 245). Schade um Hannos vertane Chance.

Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch