K. Baaken u.a.: Regesta Imperii IV.4.4.2

Cover
Titel
J. F. Böhmer Regesta Imperii IV.: Lothar III. und ältere Staufer. 4. Abteilung: Papstregesten 1124–1198, Teil 4: 1181–1198. , Lieferung 2: 1184–1185


Autor(en)
Katrin, Baaken; Schmidt, Ulrich
Erschienen
Köln 2006: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
XXVI, 836 S.
Preis
€ 145,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Claudia Zey, Historisches Seminar, Universität Zürich

Katrin Baaken und Ulrich Schmidt haben Wort gehalten. Nach der ersten Lieferung der Regesten Papst Lucius’ III. aus dem Jahr 2003 für den Zeitraum zwischen seiner Wahl (01.09.1181) und seiner letzten Reisestation auf dem Weg nach Verona (22.07.1184) haben sie nach einem Abstand von nur drei Jahren den zweiten und abschließenden Regestenband für diesen Papst mit den Nummern 1167 bis 2419 vorgelegt.1 Die hohe Stückzahl in dieser Lieferung erklärt sich aus der Einordnung von ungenau oder überhaupt nicht datierten Urkunden nach ihrem letztmöglichen Datum, so dass sich in diesem Band neben den Regesten aller Urkunden, die Lucius III. nach seiner Ankunft in Verona (22.07.1184) bis zu seinem Tod (25.11.1185) ausstellte, auch die Urkundenregesten finden, die keine genauen Datierungsangaben erhalten und deren spätestes Ausstellungsdatum nach dem 22. Juli 1184 liegen kann, sowie die Regesten sämtlicher undatierten Stücke. Nach Angabe von Baaken/Schmidt beläuft sich der Anteil der undatierten Urkunden auf immerhin 381, von denen 163 sogar anderen Pontifikaten, vornehmlich demjenigen Alexanders III. (1159-1181), zugeordnet werden könnten, da etliche die Umsetzung von Beschlüssen des Dritten Laterankonzils (1179) betreffen.

Zwar sagen statistische Angaben wenig über Inhalt und Bedeutung des Materials aus, vermögen aber für die Leistungsfähigkeit der päpstlichen Kanzlei und für die Stellung von Papsttum und Kurie im kirchlichen Herrschaftsgefüge Anhaltspunkte zu liefern. Katrin Baaken und Ulrich Schmidt haben diese Auswertung selbst geleistet. Demnach liegt das gesamte Urkundenmaterial Lucius’ III. zurzeit in 2431 Regesten vor. Zu den 2419 durchgezählten Regesten kommen noch 12 Addenda für die erste Lieferung hinzu.2 619 Urkunden sind im Original erhalten, 1037 kopial, davon 81 (auch) in Dekretalensammlungen. Die Zahl von 647 Deperdita macht mehr als ein Viertel aller bekannten Lucius-Urkunden aus und liegt damit sehr hoch.

Bezogen auf die geografische Streuung der Urkunden setzt sich das schon für die Mitte des 12. Jahrhunderts analysierte West-Ost- und Nord-Südgefälle weiter fort.3 An Geistliche in Frankreich, Italien, Deutschland und England gingen die meisten Stücke, während die Länder an der geografischen Peripherie auch nur peripher bedacht worden sind (Iberische Halbinsel, Skandinavien, Ost[mittel]europa und die Kreuzfahrerherrschaften). Umso stärker sticht die üppige Privilegierung der Ritterorden, besonders der Johanniter hervor. Eine große Anzahl original überlieferter Papsturkunden für die Hospitaliter aus der Ordenszunge Provence und aus dem Heiligen Land hat sich über das Großpriorat Saint-Gilles erhalten. Die Stücke liegen heute in den Archives départementales in Marseille.4 Die von den Herausgebern im Vorwort angesprochene Massenproduktion von Urkunden für die Johanniter ist vor allem an den zahlreichen Ausfertigungen derselben Formulare an aufeinander folgenden Tagen ablesbar.5 Zwar verliert bei dieser Massenproduktion das Einzelstück rasch an Bedeutung, weswegen zahlreiche Originale bis zum heutigen Tag nicht gedruckt sind 6, umso interessanter sind aber die Einblicke in den Kanzleialltag und die Rechtspraxis. Die Bewältigung großer Stückzahlen an wenigen aufeinander folgenden Tagen deutet darauf hin, dass die Bekanntmachung der päpstlichen Privilegien möglichst in vielen Ordensprovinzen gleichzeitig erfolgen sollte. Diese Vorgehensweise und der Inhalt der Urkunden belegen außerdem das hohe Bedürfnis nach Rechtssicherheit des von vielen Seiten angefeindeten Ordens. Dessen Großmeister Roger von Moulins muss sich um die Jahreswende 1184/85 für längere Zeit am päpstlichen Hof in Verona aufgehalten haben, als er sich zusammen mit dem Templer-Meister und dem Patriarchen von Jerusalem im Abendland für die Unterstützung des Heiligen Landes einsetzte.

Dieses Beispiel verdeutlicht den Erkenntnisfortschritt für die historische Forschung durch die kritische Aufarbeitung und Neuordnung von Lucius’ Urkundenmaterial schlaglichtartig.7 Es geht dabei eben nicht nur um die enorme quantitative Ausweitung des Quellenmaterials gegenüber Jaffé-Loewenfeld 8, sondern besonders um die Klärung der Überlieferungssituation. Aus vielen Bemerkungen wird deutlich, mit welchen Schwierigkeiten Katrin Baaken und Ulrich Schmidt zu kämpfen hatten, wenn es darum ging, den Überlieferungsbestand zu klären, offenkundig veraltete Signaturen zu aktualisieren und Fotomaterial bisher unbekannter Stücke zu beschaffen. Dafür gebührt Ihnen größter Respekt.

Am Ende des Bandes befinden sich die aufwändig erstellten Konkordanzen, Register und Verzeichnisse, die dieses Arbeitsinstrument erschließen. Sie beziehen sich erfreulicherweise auf beide Lieferungen, obwohl die erste Lieferung bereits mit den notwendigen Listen und Verzeichnissen ausgestattet wurde, und erleichtern damit den Zugang zum gesamten Urkundenbestand Lucius’ III. erheblich.

Am Beginn der erschließenden Verzeichnisse stehen „Ergänzungen, Berichtigungen und Nachträge zur ersten Lieferung“ (S. 540-552). Sie betreffen neben neueren Literaturangaben den Abgleich mit den drei inzwischen neu erschienenen Bänden der Germania Pontificia 9, neuere Urkundendrucke sowie den Nachtrag von 12 Stücken, die bis zur Drucklegung der ersten Lieferung noch nicht bekannt waren. Es folgen das Initienverzeichnis mit dem auf fünf Worte erweiterten Incipit (S. 553-564), die Liste der Kardinalsunterschriften (S. 565-586), die Konkordanzen mit der Gallia Pontificia, Germania Pontificia, Italia Pontificia und Scotia Pontificia sowie mit Jaffé-Loewenfeld (S. 587-606), das Verzeichnis der nicht eindeutig zuzuordnenden Regesten (S. 607-611), das Literatur- und Quellenverzeichnis (S. 613-703) sowie schließlich das Register der Personen- und Ortsnamen (S. 706-824).

Bei aller Freude über die nun vollbrachte Leistung hat die über 20 Jahre währende Bearbeitungsdauer von Urkundenregesten ohne Berücksichtigung historiografischer Nachrichten für den vierjährigen Pontifikat Lucius’ III. den Bearbeitern und der Regestenkommission hinreichend die Nachteile des Verfahrens aufgezeigt, die Ergebnisse ausschließlich in Buchform zu publizieren. Zudem zeigt schon die umfangreiche Liste der Ergänzungen, Berichtigungen und Nachträge zur ersten Lieferung deutlich, dass es trotz noch so sorgfältiger Arbeit unmöglich ist, Vollständigkeit zu erzielen und damit einen endgültigen Abschluss der Arbeiten an diesem über ganz Europa verstreuten Urkundenmaterial zu erreichen. Angesichts der erst noch zu bewältigenden Materialmasse für den Zeitraum bis 1198, die im Pontifikat Cölestins III. (1191-1198) kulminiert, wird nun eine Vorabpublikation der wichtigsten Daten in elektronischer Form im Internet in Betracht gezogen, um in absehbarer Zeit einen Überblick über die Papstregesten von 1181 bis 1198 auf einem deutlich aktualisierten Stand gegenüber Jaffé-Loewenfeld bieten zu können. Man möchte die Verantwortlichen in diesem Vorhaben vehement bestärken und nachdrücklich ermuntern, ein Konzept zu erarbeiten, das die sukzessive elektronische Publikation der Papstregesten des ausgehenden 12. Jahrhunderts vorsieht und den weiterhin unverzichtbaren Druck der Regesten für die neuerdings wieder größer werdende Gemeinschaft von Papsttumsforscherinnen und -forschern nachvollziehbar vorbereitet.

Anmerkungen:
1 Vgl. meine ausführliche Besprechung der ersten Lieferung mit Angaben zur kurialen Karriere des vormaligen Kardinalbischofs Hubald von Ostia, Claudia Zey Rezension zu: Baaken, Katrin; Schmidt, Ulrich, J. F. Böhmer, Regesta Imperii IV: Lothar III. und ältere Staufer, 4. Abteilung: Papstregesten 1124–1198, Teil 4: 1181–1198. Lieferung 1: 1181–1184. Köln 2003, in: H-Soz-u-Kult, 16.10.2003, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2003-4-032>.
2 Davon sind mindestens vier Regesten wieder abzuziehen (Nr. 1, 2, 1167 und 2419) mit Nachrichten zur Wahl, zur Krönung, zum Empfang in Verona und zum Tod des Papstes.
3 Vgl. Hirschmann, Stefan, Die päpstliche Kanzlei und ihre Urkundenproduktion (1141-1159), Frankfurt 2001.
4 Zu den Überlieferungszusammenhängen vgl.: Hiestand, Rudolf, Vorarbeiten zum Oriens Pontificus I. Papsturkunden für Templer und Johanniter. Archivberichte und Texte, Göttingen 1972, S. 47-66.
5 Zur Unterscheidung zwischen Adressat und Empfänger der an den Johanniterorden gerichteten Urkunden sowie zur Kongruenz zwischen Adressat und Urkundenformel vgl.: Nowak, Przemys&#322;aw, Die Urkundenproduktion der päpstlichen Kanzlei 1181-1187, in: Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 49 (2003), S. 91-122, hier S. 105f.
6 In dieser zweiten Lieferung habe ich 65 Inedita Lucius’ III. gezählt. Davon sind 31 noch im Original (z. T. in mehrfacher Ausfertigung) erhalten. 24 dieser Originale betreffen die Johanniter: Nr. 1276, 1332, 1333, 1342, 1347, 1409, 1414, 1424, 1425, 1426, 1427, 1428, 1435, 1442, 1453, 1456, 1459, 1481, 1492, 1557, 1808, 1859, 1904 und 1913. Von den sieben weiteren original überlieferten Inedita ist eines in der Zuordnung unsicher und ein anderes unleserlich: 1283 (Cîteaux) 1620 (Ste-Gloissande in Metz), 1732 (Kapitel von Paris), 1778 (Hospital von Provins), 1792 (Kirche Santa Maria in Madrid), 2043 (Kirche von SS. Quaranta vor den Mauern von Treviso, Zuordnung zu Lucius III. unsicher) und 2407 (unleserlich). Für die 34 kopial überlieferten Inedita ist das Bild bunter: Nr. 1179 (S. Gabriele bei Cremona), 1235 (Ste-Croix in Étampes), 1285, 1315, 1316 und 1331 (Johanniter), 1419 (Kloster Sölden), 1449 und 1475 (Johanniter), 1514 (Kloster Kaisheim), 1526 (La Grande-Chartreuse), 1591 (Johanniter), 1601 und 1606 (Kapitel von Meaux), 1607 und 1612 (Johanniter), 1630 (S. Agatha in Cremona), 1644 (Konvent von Mortara), 1684 und 1685 (St-Maclou in Bar-sur-Aube), 1709 (Johanniter), 1716 und 1723 (Bischof von Lugo), 1748 (Kloster Tamié), 1764 (Kloster Larrivour), 1781 (Kapitel von Verdun), 1796 (Konvent Burton-on-Trent), 1939 (Zisterze Jouy-le-Châtel), 2100 (Abtei Les Pierres), 2105 (Kanonikern von Blaye, Auszug), 2327 (Johanniter), 2332 und 2333 (Zisterzienser) und 2337 (fratres Roresburiensis [sic], Fragment). Nur 11 Stücke betreffen die Johanniter. Der größere Teil der kopial überlieferten Inedita wurde für französische Empfänger ausgestellt. Bei deren Ermittlung profitierten die Bearbeiter auch von Transkriptionen einzelner Urkunden in den Archivmappen des Deutschen Historischen Instituts in Paris.
7 Nur am Rand sei hier auf die Beobachtungen zur Überlieferung und zum Inhalt des berühmtesten Stücks aus Lucius’ Kanzlei hingewiesen, dem in Absprache mit Friedrich Barbarossa formulierte Häresie-Dekret Ad abolendam (Nr. 1247).
8 Nicht nur gegenüber der ersten und zweiten Auflage des Jaffé lassen sich die quantitativen Sprünge deutlich messen, sondern auch gegenüber neueren Untersuchungen. So zählt Nowak, Urkundenproduktion (wie Anm. 4) S. 97 insgesamt 654 Deperdita für den Zeitraum von 1181 bis 1187, während Baaken/Schmidt auf 647 Deperdita allein für Lucius III. kommen. Die von Nowak angegebene Zahl von 1990 Urkunden für Lucius III. lässt sich mit den Angaben von Baaken/Schmidt nicht vergleichen, da Nowak nicht eindeutig zu datierende oder keinem bestimmten Papst zuzuordnende Stücke bei seiner Auswertung nicht berücksichtigt hat.
9 Zu Band IX der Germania Pontificia (Kölner Suffraganbistümer Utrecht, Münster, Osnabrück und Minden) vgl. bereits die Hinweise in meiner Rezension von 2003 Anm. 5. Inzwischen sind zwei Bände zu den Mainzer Suffraganbistümern Paderborn, Verden, Hildesheim und Halberstadt hinzugekommen: Germania Pontificia sive Repertorium privilegiorum et litterarum a Romanis pontificibus ante annum MCLXXXXVIII Germaniae ecclesiis, monasteriis, civitatibus singulisque personis concessorum, Vol. V/1: Provincia Maguntinensis, Pars V: Dioeceses Patherbrvnnensis et Verdensis, congessit Hermannvs Jakobs, Göttingen 2003; Vol. V/2: Provincia Maguntinensis, Pars VI: Dioeceses Hildesheimensis et Halberstadensis, Appendix Saxonia, congessit Hermannvs Jakobs vsvs Heinrici Büttner Schedis, Göttingen 2005.

Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension