H.-J. Gehrke (Hg.): Geschichte der Antike

Cover
Titel
Geschichte der Antike. Ein Studienbuch. 2., erweiterte Auflage


Herausgeber
Gehrke, Hans-Joachim; Schneider, Helmuth
Erschienen
Stuttgart u.a. 2006: J.B. Metzler Verlag
Anzahl Seiten
IX, 590 S.
Preis
€ 29,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Martin Fell, Seminar für Alte Geschichte, Westfälische Wilhelms-Universität Münster / Institut für Klassische Altertumskunde, Christian-Albrechts-Universität Kiel

Das hier vorzustellende Buch ist die zweite Auflage eines zuerst im Jahre 2000 vorgelegten Werkes, das sehr bald nach seinem Erscheinen einen wichtigen Platz nicht nur für das Selbststudium an der Antike Interessierter innerhalb und außerhalb der Universität einnahm, sondern auch im Rahmen entsprechender Veranstaltungen als grundlegende Literatur in hervorragender Weise genutzt werden konnte. Die Herausgeber folgen einer chronologischen Gliederung des ungemein umfangreichen Stoffes, der in die klassischen, in der Altertumswissenschaft gängigen historischen Einheiten unterteilt präsentiert wird. Damit wird ein quasi schulmäßiger Zugang zur Materie gewählt, der jedoch der Zielsetzung des Opus angemessen ist. Es gelang den Herausgebern, zu den einzelnen Zeitabschnitten ausgewiesene Kenner der jeweiligen Epochen zu gewinnen. Auf diese Weise ist zwar ein durchgehender einheitlicher Duktus nicht unbedingt gewährleistet, doch spiegelt sich darin die Vielgestaltigkeit des Faches und darüber hinaus die sogar bei auf die Vermittlung historischer Grundzüge konzentrierter Texte stets zu fassenden unterschiedlichen Herangehensweisen und Schwerpunktsetzungen der einzelnen Forscher innerhalb des "Kontinuums" Geschichte wider. Dies kann der Student, welcher nach einem ersten Kontakt mit der Antike in der Schulzeit, der zumeist bereits im Dunkel seiner eigenen "alten" Geschichte versunken sein wird, im Studium nun das erste Mal intensiv mit dem Fach konfrontiert wird, nicht unbedingt erkennen und schätzen; wer jedoch später und wiederholt zu diesem Buch greift, bemerkt diese Tatsache, die nicht oder doch nicht unbedingt der für die einzelnen Epochen durchaus unterschiedlichen Quellenlage zu verdanken ist.

Im einleitenden Abschnitt verorten Hans-Joachim Gehrke und Helmuth Schneider die Alte Geschichte als wissenschaftliche Disziplin, was nicht nur bedeutet, Raum inklusive dessen Ausstattung und Zeit des Faches zu umreißen, sondern auch auf übergreifende Konstanten bzw. Prozesse hinzuweisen, die eben nicht an von uns gesetzten Epochengrenzen halt machen, sondern über diese hinweg bestehen und sich entwickeln. Neu ist die in wenigen Strichen skizzierte Geschichte der Geschichtswissenschaft, anhand derer es möglich ist, den Weg zum heutigen Stand der Forschung zu erfassen. Was der ersten Auflage vor allem mangelte, waren Ausführungen zu den Quellen unserer Kenntnis von der Antike und den entsprechenden Grund- bzw. Hilfswissenschaften. Diesem Manko wird in der zweiten Auflage in einigen neu erstellten Absätzen auf knappem Raum in präzisen Formulierungen weitgehend Abhilfe geschaffen, was als Plus anzurechnen ist. Die großen Disziplinen werden vorgestellt, ihre Gegenstände benannt. Allerdings bleiben die Ausführungen zur Archäologie und deren auch für den Historiker zum Teil wesentlichen Rolle zu blass.

Der darstellende Teil umfasst 443 Seiten des Werkes. Wenn man sich vor Augen hält, dass auf diesem Raum über 2000 Jahre Geschichte eines großen Gebietes, das zeitweilig von den Säulen des Herakles bis zum Indus, von Ägypten bis zu den Hebriden reichte, ausgebreitet werden, wird deutlich, dass die Texte enorm komprimiert daher kommen müssen. Mancher Schnitt, den die Autoren in ihren Passagen setzen, ist sicherlich dieser Raumknappheit geschuldet. Demgegenüber ist festzuhalten, dass es ihnen zumeist sehr gut gelingt, in enorm gedrängter und präziser, aber dennoch gut lesbarer Formulierung ein Maximum an Information zu präsentieren, daneben aber auch die Breite des Faches aufzuzeigen, indem sie nicht einfach bei der historisch-politischen Geschichte stehen bleiben, sondern auch auf kultur- und geistesgeschichtliche, sozial- und religionshistorische Entwicklungen und andere mehr zu sprechen kommen. Vereinzelt anzutreffende retardierende Passagen fallen demgegenüber nicht so sehr ins Gewicht.

Das zweite große Plus der zweiten Auflage gegenüber der ersten ist der neue, an den Anfang des Hauptteils gesetzte fundierte Beitrag Josef Wiesehöfers über die Griechen und den Orient. Viele Entwicklungen in der Antike sind ohne die früh einsetzenden gegenseitigen Befruchtungen kaum zu verstehen, wobei zunächst die Griechen der rezeptivere Teil gewesen sind. Auch diese Seiten füllen also eine zuvor schmerzlich empfundene Lücke. Karl-Joachim Hölkeskamp und Elke Stein-Hölkeskamp teilen sich die Aufgabe, die griechische Frühzeit bis an die Schwelle der klassischen Epoche darzustellen. Dabei blenden sie die minoische Zeit weitgehend aus, wiewohl auf die Interaktion zwischen Minoern und Mykenern und deren Bedeutung gebührend hingewiesen wird. Die mykenische Phase sowie die "Dunklen Jahrhunderte" werden auf die wesentlichen Entwicklungen konzentriert beschrieben; die Autoren berücksichtigen dabei der Archäologie zu verdankende neue Einblicke und Erkenntnisse in angemessener Form. Die Genese der Polis in der archaischen Zeit und die Bedeutung dieser bürgerlichen Organisationsform werden klar herausgearbeitet.

Die hochkomplexe Phase der klassischen Zeit behandelt Peter Funke, der es versteht, sehr verwickelte Sachverhalte plastisch zu schildern. Neben der Vermittlung der reinen Fakten hebt er auf gesellschaftliche, wirtschaftliche, politische und andere Strukturen ab, welche diesen Zeitraum charakterisieren. Im Anschluss wird von Hans-Joachim Gehrke in ähnlicher Vorgehensweise der fast noch vielgestaltigere Hellenismus ausgebreitet, wobei hier Ausführungen zur Bedeutung dieser Epoche in der Eigen- und Fremdsicht den Abschluss bilden.

Helmuth Schneider eröffnet den Teil zur römischen Geschichte, deren Fokus von sich aus anders geartet ist, als in den vorangehenden Kapiteln. Er präsentiert sie von ihren Anfängen bis zum Ende der Republik; dabei fällt auf, dass der Text, je weiter er voranschreitet, um so stärker faktenorientiert formuliert ist. Peter Herz macht seine Ausführungen zur Römischen Kaiserzeit stets mit Blick auf die diese Epoche bestimmenden Strukturen. Ähnlich geht Jens-Uwe Krause die Spätantike an, er hat gegenüber der ersten Auflage seinen Text etwas gestrafft. Auch er legt einen schlüssigen Abschnitt vor, wobei man sich hier doch den einen oder anderen Hinweis zur Forschungsdiskussion auf diesem gerade in jüngerer Zeit stark bearbeiteten Feld wünschte, die teilweise grundsätzlich vom hier Dargestellten abweichende Ergebnisse präsentiert hat.

Das Studienbuch ist mit einer ganzen Reihe von Abbildungen ausgestattet, ohne allerdings damit überladen zu sein. Gelegentlich wären die eine oder andere weitere Abbildung oder ein Schema (solche wurden gar nicht aufgenommen) angebracht. Die Abbildungen sind in den fließenden Text eingefügt oder auf den breiten Rand gesetzt, auf dem sich auch die zahlreichen lebenden Randtitel finden, welche dem Leser die Orientierung ungemein erleichtern.

Dem darstellenden Teil folgt in einem Anhang eine knapp gehaltene Zeittafel, eine Reihe von Stammbäumen mit deutlichem Schwergewicht bei den Diadochengeschlechtern, ein Glossar zu Institutionen der Antike, sehr knappe Tabellen zu Maßen und Gewichten und schließlich zumeist beschreibend gehaltene Lemmata zu antiken Autoren und den wichtigsten Editionen numismatischer, epigrafischer und papyrologischer Quellen sowie Fragmentsammlungen. Der umsichtig zusammengestellten Bibliografie geht ein Verzeichnis wichtiger Abkürzungen voraus. Hier ist anzumerken, dass sowohl die Bemerkungen zu den Autoren als auch die Bibliografie gegenüber der ersten Auflage behutsam erweitert worden sind. Die Bibliografie enthält alles Wesentliche, sie ist so umfangreich (37 Seiten bzw. 74 Spalten), dass sie dem vertiefende Information suchenden Leser auf jeden Fall weiterführende Hinweise geben kann. 15 Karten, ein Namenregister (nicht nur Personen, Heroen und Götter der Antike, sondern auch für die Altertumskunde wichtige Forscher) sowie ein Ortsregister (überkreuzt antike und moderne Namenformen mit Querverweisen), gefolgt vom Bildquellenverzeichnis schließen das Werk ab.

Das Wagnis, gut 2000 Jahre Geschichte in verständlicher Form durch verschiedene Autoren zu präsentieren, darf als insgesamt gelungen bezeichnet werden. Gemessen an dem Ziel lässt sich derzeit schwerlich eine bessere Lösung dieser umfassenden Aufgabe finden. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch, dass der Preis für dieses lohnenswerte Buch moderat gestaltet ist.

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