Titel
Der Frieden von Versailles.


Autor(en)
Kolb, Eberhard
Reihe
Beck'sche Reihe 2375
Erschienen
München 2005: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
120 S.
Preis
€ 7,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thomas Lorenz, Marburg

In einer kurzen und präzisen Darstellung beschreibt Eberhard Kolb die Vorgeschichte, die Entstehung, die Inhalte und die wesentlichen Auswirkungen des Friedens von Versailles aus dem Jahre 1919. Kolb beginnt dabei mit einer Erzählung der Unterzeichnungszeremonie am 28. Juni 1919 im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles, beleuchtet die Hintergründe der Niederlage der Deutschen, beschreibt das deutsche Waffenstillstandsersuchen und die Arbeit der Friedenskonferenz, sowie die deutsche Debatte um die Frage des „Annehmens oder Ablehnens“ und geht abschließend der Frage nach, welche Bedeutung der Versailler Vertrag für die Deutschen hatte und auch heute noch hat.

Auf nur 110 Seiten Text gelingt es Eberhard Kolb dabei, historische Erzählung mit geschichtswissenschaftlicher Analyse geschickt zu kombinieren. Sein Text ist damit nicht nur für Fachleute von Interesse, sondern ermöglicht auch Laien einen ersten Überblick über das umfassende Thema.

Deutlich wird dabei, wie schwer der Themenkomplex auch heute noch zu beurteilen ist. Denn während für die Deutschen der Zwischenkriegszeit der Friedensvertrag ein Dokument der Schande war, dessen einzige Absicht darin bestand, Deutschland niederzuhalten, war der Friedensvertrag insbesondere für die Franzosen viel zu milde, da er auch ein Kompromiss unter den Siegermächten war, die mit unterschiedlichen Vorstellungen in die Verhandlungen gegangen waren. Kolb versäumt nicht, beide Seiten in seine Analyse einzubinden. Allerdings ist zu bedenken, dass dieser Friedensvertrag, und auch dies betont Kolb, durchaus ein Novum in der Geschichte darstellte, das vor allem in den Formen der Verhandlungen begründet lag. Sie zielten darauf ab, den Gegner – also Deutschland – zu demütigen. Besonders deutlich wird dies, wenn man in Betracht zieht, dass es den Franzosen auch darum ging, die von ihnen so gesehene Schmach des Friedens von 1871 zu tilgen.

Auf der Basis dieser Vorstellungen und der jeweilige Kriegsziele kommt Kolb zu dem Schluss, dass ein Verständigungsfriede noch in den Zeiten des Krieges keine Chance auf Verwirklichung gehabt hätte. Zu weit gehend waren diese Ziele, die man mit dem Krieg zu erreichten hoffte, und zu sehr war die „Heimatfront“ auf diese Ziele hin ausgerichtet, als dass die kriegführenden Mächte in der Lage gewesen wären, mit ruhiger Überlegung sich der Frage eines Verständigungsfriedens zu nähern. Somit war es im Jahre 1918 für Deutschland nur möglich, den Kampf weiterzuführen und eine neue Offensive zu starten, die freilich bald abgebrochen werden mußte. Erst die endgültige Niederlage einer Seite machte somit den Weg für einen Friedenschluss frei.

Nach dem Scheitern dieser letzten Offensive war es dann die deutsche Oberste Heeresleitung, die recht bald auf einen Waffenstillstand drängte und die mit dieser Forderung auch dem späteren Diktatfrieden den Weg ebnete (S. 39). Auch wenn es dem Zentrumsabgeordneten Matthias Erzberger gelang, wenige Milderungen in den Waffenstillstandsvertrag zu schreiben, hatte dieser doch bereits den Charakter eines Diktates, das den Friedensvertrag vorwegnahm.

Da aber die Alliierten auf der Friedenskonferenz an der großen – womöglich zu großen – Aufgabe scheiterten, eine stabile Friedensordnung nicht nur für Europa, sondern auch für die Welt zu schaffen, mag es nicht verwundern, dass der Friedensvertrag Gegenstand heftiger Kritik wurde. Kolb konzentriert sich hier allerdings schwerpunktmäßig auf die deutsche Seite, die der Siegermächte wird nur in kurzen Strichen erwähnt. So hatte der Versailler Vertrag bereits die deutsche Innenpolitik belastet noch ehe er unterzeichnet war. Denn in Deutschland, das bis zur Übergabe des Textes am 7. Mai 1919 nichts Genaues über den Gang der Verhandlungen wusste – die Deutschen waren nicht Teil der Konferenz – entbrannte ein heftiger Streit über die Frage, ob dieser Vertrag angenommen oder abgelehnt werden sollte. Über diese Frage zerbrach schließlich die erste Regierung der Weimarer Republik. Kolb stellt sich zu Recht auf die Seite der Befürworter der Annahme, denn die Ablehnung hätte nur die Weiterführung des Krieges und damit eine Teilung Deutschlands zur Folge gehabt, ein Aspekt, den die Befürworter der Ablehnung nie wahrhaben wollten.

Dass aber der Vertrag letztlich ultimativ angenommen werden musste und dass nur unwesentliche Milderungen eingefügt wurden, konnte sicher nicht dazu beitragen, die Stimmung in Deutschland gegen den Friedensvertrag, die einen ersten Höhepunkt in der Sitzung der Nationalversammlung in der Aula der Berliner Universität am 12. Mai 1919 erreichte, abzuschwächen. Ganz im Gegenteil: Vor allem die so genannte „Kriegsschuld“ Deutschlands diente der politischen Rechten zur Diskreditierung nicht nur des Vertrages, sondern der ganzen ungeliebten Republik. Gegen den Friedensvertrag waren aber nicht nur die rechten Parteien, sondern auch die Linken, wie auch Kolb betont. Neben anderen Aspekten ist der Komplex „Versailler Vertrag“ damit auch unter die Ursachen des letztlichen Scheiterns der Weimarer Republik zu rechnen.

Und heute? Heute spielt der Friedensvertrag von 1919, der die Deutschen einst so sehr erregt hatte, keine Rolle mehr, wie Kolb abschließend feststellt. Aber das ist eben unter anderem ein Teil der Tatsache, dass Bonn nicht Weimar ist.