Haus der Bayerischen Geschichte u.a. (Hrsg.): Das Reichenauer Evangeliar

Cover
Titel
Das Reichenauer Evangeliar. Eine Handschrift zum Blättern


Herausgeber
Haus der Bayerischen Geschichte; Bayerische Staatsbibliothek
Reihe
Handschriften aus bayerischen Bibliotheken auf CD-ROM
Erschienen
Augsburg, München 2005: Haus der Bayerischen Geschichte
Anzahl Seiten
1 CD-ROM
Preis
€ 23,36
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jürgen Sarnowsky, Historisches Seminar, Universität Hamburg

Faksimile-Ausgaben mittelalterlicher Handschriften sind in der Regel für Einzelne unerschwinglich, auch wenn sie immer wieder über die Wissenschaften hinaus Interesse finden und deshalb zumeist auch in besonderer Ausstattung (in Ledereinbänden, mit Goldschnitt, aber oft ohne Reproduktion der noch kostbareren Einbände) angeboten werden. Im Zeitalter der neuen Medien gibt es nun aber einen leichter bezahlbaren Ersatz, der zumindest einen der Sinne, mit denen mittelalterliche Codices wahrgenommen werden können, anspricht, den optischen (leider fehlt immer noch das Haptische, von anderen Sinnen ganz zu schweigen). So haben das in Augsburg angesiedelte Haus der Bayerischen Geschichte und die Bayerische Staatsbibliothek München gemeinsam eine Reihe von Handschriften auf preiswerten CD-ROMs zugänglich gemacht, das Perikopenbuch Heinrichs II., das auch im Druck erschienene Evangeliar Ottos III. sowie zwei Regensburger Handschriften, das Sakramentar Heinrichs II. und den so genannten Uta-Codex.1 Die hier anzuzeigende CD enthält eine weitere ottonische Handschrift, das Reichenauer Evangeliar, das Manuskript Clm 4454 der Bayerischen Staatsbibliothek München. Die Projektleitung lag wie schon zuvor in den Händen von Josef Kirmeier, zusammen mit Claudia Fabian, die Redaktion hatte Evamaria Brockhoff. Die Texte hat Béatrice Hernad – auf der Grundlage des Handschriftenkatalogs von Elisabeth Klemm – zusammengestellt.2

Die zwischen 1002 und 1010 entstandene Handschrift besteht aus 266 Pergamentblättern (257 neu durchgezählten, dazu den leeren Anfangs- und Schlussblättern mit den römischen Ziffern I-III und I-V), die rund 30,5 cm hoch und 23,5 cm breit sind, und hat einen prachtvollen, goldenen und edelsteinbesetzten, Einband. Insgesamt enthält sie 79 unterschiedlich gestaltete Initialen, 12 Kanontafeln, die sich am Vorbild des Evangeliars von Ottos III. orientieren, 5 Initialzierseiten und 5 Miniaturen, darunter am Beginn des Evangeliars die ungewöhnliche Darstellung Christi mit dem Lebensbaum statt einer Maiestas Domini.

Die Handschrift ist vollständig reproduziert, die Abbildungen selbst sind jedoch relativ klein. Das bewegliche Instrument der Lupe ermöglicht – jeweils nur für einen kleinen Ausschnitt – eigentlich erst das Lesen und das Wahrnehmen von Details der Darstellung. Zudem bleibt es bei den beiden Stufen der Vergrößerung, so dass im Vergleich mit den CEEC eine deutlich geringere Qualität erreicht wird.3 Das mag auch mit der geringen Ausnutzung der Bildschirmoberfläche zu tun haben (bei einer Auflösung von 1024x768 Pixeln erscheint die Handschrift mit breitem Rand in der Mitte und füllt etwa die Hälfte des Bildschirms; optimiert ist das Ganze für 800x600), denn die Graphiken haben eine Auflösung von 1388x1100 Pixeln.

Die „Installation“ und die Bedienung – mit einem eigens für die Reihe entwickelten Steuerungsprogramm – sind denkbar einfach; letzteres wird zudem knapp über eine Hilfefunktion erklärt (die Informationen auf dem Cover sind allerdings sehr knapp). Man kann das Programm von der CD aus starten oder auf die Festplatte kopieren. Voraussetzung ist allerdings das Betriebssystem Windows (ab Windows 98, mit einem Pentium III-Rechner), die Option Mac oder Linux ist nicht vorgesehen.

Nach dem Start kann man zwischen den Optionen „Gesamtinhalt“ und „Blättern“ wählen. Das Blättern in der Handschrift (dazu ist die Installation von Quicktime erforderlich) ist ein-drucksvoll, ist aber nur für die Bildseiten möglich, die teilweise als eigentlich nicht aufeinander folgende Seiten zusammen „montiert“ sind. Daneben findet sich der gesamte Inhalt jeweils seitenweise auf einer halben Seite, dazu ist insbesondere für den Anfang der Handschrift und bei den Bildseiten, allerdings identisch für den Einband, die Kanontafeln und die Initialen, erläuternder Text gestellt. Ein Ansteuern einzelner Seiten ist nicht möglich, doch kann man über „Extras“ die Funktion „Inhalt und Suche“ wählen, dort wiederum die „Seitenübersicht“, die den Zugriff auf die einzelnen Teile der Handschrift erlaubt. Der „Gesamtinhalt“ bietet noch die Möglichkeit zum Einschalten der Lupe und – ähnlich wie auf anderen Ebenen – zum Setzen von Lesezeichen. Dort kann man aber nur die Seiten nacheinander aufrufen. Unter „Inhalt und Suche“ gibt es – neben der Auswahl von „Seiten zum Blättern“ und dem Seitenüberblick – noch eine Volltextsuche, die sich aber auf die erläuternden Texte bezieht. Beim Blättern hat man nur die Möglichkeit des Wechsels zum Gesamtinhalt oder des Schließens. Das Blättern selbst erfolgt mit der festgehaltenen linken Maustaste, sofern man die Seite vorher angeklickt hat, und ist etwas gewöhnungsbedürftig. Alternativ kann man eingeblendete Pfeiltasten nutzen, wobei jedoch der optische Effekt verloren geht. Die CD fordert dabei vom Benutzer volle Konzentration, denn es fehlt die Möglichkeit zum Minimieren, so dass das Programm jeweils beendet werden muss, wenn man sich außerhalb der vorgesehenen Möglichkeiten Notizen machen will.

Die knappe Einführung, die über das Startmenü abgerufen werden kann, bietet Hinweise auf die kodikologisch und kunsthistorisch relevanten Fragen, erwähnt die Anfertigung auf der Reichenau für den Bamberger Dom wahrscheinlich im Auftrag Heinrichs II., aber erklärt nicht, warum der Kaiser dies gerade für Bamberg, das seine eigene Stiftung war, tat, und welche Funktion die Handschrift in Bamberg hatte. Der die Bildseiten begleitende Text gibt bezeichnenderweise nur Informationen zu den kunsthistorischen Elementen wie den Initialen. Man erfährt nichts über die Textteile wie die Vorreden zu den Evangelien oder über andere Textelemente. Zudem fehlt jede Einführung in Funktion und Umfang des Textes, die Kenntnis des Begriffs Evangeliar wird vorausgesetzt. Überhaupt hätte man sich mehr zu den historischen Voraussetzungen und Zusammenhängen gewünscht.

Die technischen und inhaltlichen Bedenken ändern aber nichts an der erfreulichen Tatsache, dass die gemeinsame Reihe des Hauses der bayerischen Geschichte und der Bayerischen Staatsbibliothek München gute Abbildungen bedeutender Handschriften auf CD-Rom zugänglich macht, und zwar im vorliegenden Fall des Reichenauer Evangeliars – wie es eigentlich selbstverständlich sein sollte – in vollem Umfang. Es bleibt zu hoffen, dass weitere Publikationen von Handschriften folgen.

Anmerkungen
1 Zu letzteren siehe die Sammelrezension von: Stefan Matter vom 26.1.2004 im online-Journal Perspicuitas, <http://www.perspicuitas.uni-essen.de/rezens/rez_CD_evangeliar.pdf> (Einsicht: 5.10.2006).
2 Klemm, Elisabeth, Die ottonischen und frühromanischen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München, Wiesbaden 2004, Nr. 188; eine Beschreibung auch in: Kirmeier, Josef; Schneidmüller, Bernd; Weinfurter, Stefan; Brockhoff, Evamaria (Hgg.), Kaiser Heinrich II. 1002-1024. Begleitband zur bayerischen Landesausstellung in Bamberg, 9.7.-20.10.2002, Stuttgart 2002, S. 303-307.
3 Die Codices electronici ecclesiae Coloniensis, abzurufen unter: <http://www.ceec.uni-koeln.de/> (Einsicht: 5.10.2006).

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