Titel
Kino der Angst. Terror, Krieg und Staatskunst aus Hollywood


Autor(en)
Bürger, Peter
Erschienen
Stuttgart 2005: Schmetterling Verlag
Anzahl Seiten
638 S.
Preis
€ 29,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Uta Fenske, Sonderforschungsbereich Kriegserfahrungen, Universität Tübingen

Peter Bürger untersucht in „Kino der Angst“ den Zusammenhang zwischen elektronischen Massenmedien und Krieg. Davon ausgehend, dass das späte 20. Jahrhundert von der „Allgegenwärtigkeit von Militär und Krieg“ (S. 13) gekennzeichnet ist, ist es sein Anliegen, die „massenkulturellen Strategien“ (S. 11) zu untersuchen, die dem Krieg zuarbeiten. Als eine zentrale Strategie begreift er das Medium Film, so dass der Fokus der Arbeit auf US-amerikanischen Kinofilmen seit den späten 1980er Jahren liegt, insbesondere auf jenen, welche mit Unterstützung des Pentagons produziert wurden und werden. Jedoch streift der Autor in seinen Analysen auch immer wieder Fernsehsendungen und Computerspiele (Kapitel II). Ziel der Arbeit Bürgers ist es, einen „politischen Beitrag zur Friedens- und Konfliktforschung“ (S. 18) zu liefern. Filmästhetische Überlegungen treten dabei in den Hintergrund. Ausgehend von Kants Konzept des „demokratischen Friedens“ und der Charta der Vereinten Nationen (Kapitel I), fordert er eine im Dienste einer Utopie vom Frieden stehende Medienkritik. Um diesen Horizont zu erschließen, kreisen die Filmanalysen um folgende Leitfragen: Welchen Stellenwert hat ein Film in seiner Entstehungszeit, wie ist er dem realen Kriegsgeschehen verhaftet, welche Botschaft intendiert er und welche politischen Mythen setzt er um? 1

Zu Beginn (Kapitel II-IV) konzentriert sich Bürger auf den militärisch-industriellen Komplex und die Arbeitsmechanismen von Medien in Kriegszeiten. Er versteht die Produzent/innen von „Militainment“ – der Begriff bezeichnet die Darstellung und Verbreitung militaristischer Inhalte in Unterhaltungsformaten – als grundlegende Akteure von „Mobilisierungs- und Konsenskampagnen“ (S. 46). Auch wenn das Pentagon schon immer gerne Einfluss auf Kriegsfilme genommen hatte, ist mit der Produktion des Rekrutierungsfilms Top Gun (USA 1985) der Auftakt zur Rehabilitation von Kriegsfilmen und der engeren Zusammenarbeit zwischen Hollywood und Pentagon gemacht. In Kapitel II zeichnet Bürger die Kooperation genau nach, indem er zum Beispiel den Vertragsleitfaden des Pentagons zitiert, in dem unter anderem festgeschrieben ist, dass Kriegsfilme den Rekrutierungsprogrammen der Streitkräfte helfen sollen (S. 57).

Für die eigentlichen Filmanalysen (Kapitel V-XIII) hat der Autor eine thematische Gliederung gewählt: So werden Zweiter Weltkrieg (Kapitel V), Vietnamkrieg (Kapitel VI) und die Kriegsschauplätze der 1990er Jahre (Kapitel VIII) gesondert behandelt. Diese Kapitel sind grundsätzlich kenntnisreich. Exemplarisch sei hier der Beitrag zum Zweiten Weltkrieg vorgestellt. Die Analyse konzentriert sich mit Ausnahme des Films „Pearl Harbor“ (USA 2001) auf den europäischen Kriegsschauplatz. Bürger macht in den von ihm besprochenen Filmen mehrere Tendenzen des modernen Kriegsfilms aus: Das Aufkommen einer „relativistischen neuen Kriegsmoral“ (S. 205), nach der allein der eigene Überlebenswille zur Identifikation einlade, zweitens eine „subjektivistische Wende im Kriegsfilmparadigma – zu Ungunsten der Erinnerung kollektiver Leiden“ (S. 205) – wobei diese These dahingehend zu hinterfragen ist, ob Kriegsfilme jemals an kollektive Leiden erinnert haben. Und schließlich wird der Zweite Weltkrieg, gemäß der in den USA offiziellen Erinnerung, als der gute, gerechte Krieg inszeniert, in welchem die GI's selbstlos gegen die Barbarei kämpften. Wenngleich dies ohne Zweifel die in den Kriegsfilmen der 1990er Jahre dominante Botschaft ist, so existieren mit „A Midnight Clear“ (USA 1992) oder „The Thin Red Line“ (USA 1998) auch Filme, die eine ambivalentere Haltung zum Krieg einnehmen. Bedauerlicherweise werden diese Filme nicht angemessen besprochen.

Das im Buch behandelte Corpus beschränkt sich aber nicht nur auf Filme, die staatliche Kriege im Blick haben. Ebenso werden Rekrutierungsfilme (Kapitel VII) untersucht, die wie der Autor zeigt, auf ethnische Minderheiten abzielen und Militärgerichtsfilme (Kapitel IX), deren Ziel es sei, das Publikum auf US-amerikanische Verstöße gegen das geltende Kriegsrecht vorzubereiten. Bürger arbeitet mit einem weit gefassten Genrebegriff: Er zählt all jene Filme dazu, die globale oder nationale Bedrohungsszenarien durchspielen.
Demzufolge untersucht er auch Filme anderer Genres wie Katastrophenfilme, Science Fiction, Action- und Terrorismusfilme. Am Beispiel des Katastrophenfilms (Kapitel XI) legt Bürger überzeugend dar, wie die technologische Entwicklung der USA gefeiert und unverhohlen Werbung für eine neue Atomwaffengeneration betrieben wird. Denn Atomraketen werden in diesen Filmen positiv besetzt, in dem sie zum Beispiel dazu genutzt werden, die Welt vor Meteoriteneinschlägen zu bewahren. Zum Abschluss des filmanalytischen Teils beschäftigt sich der Autor mit innenpolitischem und internationalem Terror (Kapitel XII und XIII).

Bürgers Argumentation basiert auf einer reinen Inhaltsanalyse, auf dem, was der Autor als „Drehbuchtext“ (S. 21) bezeichnet. Filmästhetische Fragen hingegen vernachlässigt er völlig, da – wie er schreibt – „die Übermacht der Bild- und Tondramaturgie […] in der ,normalen’ Rezeption das reflektierte Erkennen der tragenden Ideologie am stärksten hemmt“ (S. 21). Die Konzentration auf die Inhaltsanalyse wird vielleicht verständlich, wenn man die Fülle des vom Autor besprochenen Materials betrachtet. Aus der aus über 700 Titeln bestehenden Filmografie hat er 542 Filme in den Filmanalysen berücksichtigt. Diese quantitative Breite geht jedoch auf Kosten einer medienadäquaten Analyse. So ist die Beschränkung auf die Inhaltsanalyse aus mehreren Gründen bedauerlich: Schließlich ist die audiovisuelle Ebene zur Erschaffung filmischer Wirklichkeiten unabdingbar. Sie vermag dem Plot eines Filmes durch die Visualität und die Akustik durchaus etwas hinzufügen oder aber auch ihm zu widersprechen. Und gerade im Rahmen einer medienkritischen Arbeit wäre es sinnvoll gewesen, anhand exemplarischer Analysen genau jene filmischen Mechanismen aufzuzeigen, die ideologische Aussagen transportieren.

Bürger vertritt in aller Deutlichkeit einen an Horkheimer und Adorno gemahnenden kulturkritischen Ansatz. Zitate wie „Wer vernebeln und paralysieren will, wer die breite Mehrheit der Bevölkerung nicht als eigenständigen Akteur, sondern als passives Opfer wünscht, der verbreitet Feindbilder und Angst.“ (S. 402) oder „ […] desto leichter lassen sich die Massen zu einem Hamsterdasein mit permanentem Konsum und immer neuer Verschuldung führen“ (S. 419) durchziehen das Buch und erwecken den Eindruck, dass das US-amerikanische Publikum von Hollywood grenzenlos manipuliert sei. Diese Haltung geht jedoch von einem unmündigen Publikum aus. Die Tatsache, dass Menschen entscheiden, welche Filme sie anschauen und dass sie Filme in unterschiedlichen Lesarten wahrnehmen, lässt Bürger unberücksichtigt. Insofern ist es nur konsequent, wenn Bürger im Schlusskapitel (Kapitel XIV), in dem er politische Perspektiven entwirft, um dem „Militainment“ entgegenzutreten, zunächst protektionistisch argumentiert und den Verbraucherschutz in die Pflicht nimmt. So überprüft er zum Beispiel zentrale Datenbanken wie „The Internet Movie Database“ (IMDb) daraufhin, inwieweit sie auf die Beteiligung des Militärs an Filmen hinweisen. Außerdem fordert er eine grundsätzliche Kennzeichnungspflicht für die Erst- und die Zweitauswertung von Filmen. Im Kino, auf DVD und im Fernsehen müsse kenntlich gemacht werden, dass Militärs an der Produktion von Filmen und Computerspielen beteiligt waren. Ein weiterer Aspekt ist der Jugendschutz, dessen Möglichkeiten seiner Meinung nach noch nicht ganz ausgeschöpft sind (S. 543f.). Er plädiert dafür, die existierenden juristischen Regularien zur Ächtung des Krieges, zumindest in Europa, umzusetzen.

„Kino der Angst“ ist eine materialreiche, lesenswerte, die unterschiedlichsten Aspekte umfassende Arbeit zum Kriegsfilm der letzten 20 Jahre. Bei der Fülle des ausgewerteten Materials ist es allerdings abträglich, dass das Buch kein Register vorzuweisen hat. Die Arbeit verschafft einen guten Überblick, der konsequent in den historischen Kontext eingebettet ist, wobei der Theologe Peter Bürger immer wieder besonderes Augenmerk auf den christlich fundamentalistischen Kontext der USA wirft. Auch wenn das Manko der fehlenden filmästhetischen Perspektive bleibt, so regen der von Bürger gewählte Ansatz und die Tatsache, dass er nach politischen Konzepten sucht, doch zum Nachdenken und Diskutieren an. Mit ihrer expliziten friedenspolitischen Ausrichtung unterscheidet sich das Buch von den meisten Arbeiten zum Kriegsfilm. Seit Anfang November wird die zweite, leicht erweiterte Auflage ausgeliefert.

1 Vgl. dazu: Voigt, Rüdiger; Machura, Stefan (Hgg.), Krieg im Film. Münster 2005.

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