Cover
Titel
The Cuban Revolution. Past, Present and Future Perspectives


Autor(en)
Lievesley, Geraldine
Erschienen
New York 2004: Palgrave Macmillan
Anzahl Seiten
240 S.
Preis
€ 85,65
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christine Hatzky, Historisches Seminar, Universität Duisburg-Essen

Kubas Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf 180 Seiten zusammenzufassen ist ein gewagtes Unterfangen, das unweigerlich lückenhaft bleiben muss. Im Zentrum der vorliegenden Publikation steht freilich das Kuba seit der Revolution 1959, eingebettet in den historischen Kontext seit Ende des Unabhängigkeitskampfes 1898 und die aus dieser Geschichte und der Gegenwart gezogenen Schlussfolgerungen für mögliche Zukunftsperspektiven. Lievesley gibt sich dabei als Beobachterin zu erkennen, die die kubanische Revolution – wie so viele ihrer Generation – mit anfänglichem Enthusiasmus als eine revolutionäre Alternative begrüßten, dann jedoch vielen Entwicklungen gegenüber immer mehr Skepsis entwickelten, vor allem aufgrund der fehlenden gesellschaftlichen Diskussionsfreiheit. Lievesley ist daran gelegen, diese anhaltende Ambivalenz gegenüber vielen Phänomenen der Revolution zu formulieren, ohne jedoch das gesamte soziale Experiment zu verurteilen. Gleichzeitig betont sie das nationale Selbstbestimmungsrecht des revolutionären Kuba.

Die von ihr eingangs erwähnten möglichen Zukunftsperspektiven der Insel über den Tod Fidel Castros hinaus müssen jedoch genauso spekulativ bleiben wie die unzähliger Publikationen, die seit Beginn der 1990er-Jahre verfasst wurden: Jeder der heute über die Zukunft Kubas spekuliert, hinkt der Zeit und den Entwicklungen unweigerlich hinterher. (Die Rezensentin wurde wenige Tage nach dem krankheitsbedingten temporalen Rückzug Fidel Castros Ende Juli auf den vorliegenden Titel aufmerksam – sieben Wochen später, als die Rezension auf Kuba verfasst wurde, vermochte niemand überzeugende Aussagen über zu erwartende politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Veränderungen auf der Insel zu machen, außer vielleicht festzustellen: „Todgesagte leben länger“.)

Die Autorin versucht sich der kubanischen Realität aus verschiedenen Perspektiven zu nähern: Das erste Kapitel behandelt Kuba aus US-amerikanischer Sicht, aus der heraus Kuba der größte Störfaktor der Hegemonie der USA über Lateinamerika während der Kalten Kriegs-Ära war. Das zweite Kapitel nähert sich der „nationalen Identität“ der Kubaner. Das dritte Kapitel resümiert die revolutionäre (vor allem nach der Revolution evozierte und konstruierte) Tradition Kubas. Kapitel 4 behandelt die „heroische Periode“, die 1960er-Jahre der Revolution. Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit der Innen- und Außenpolitik Kubas. Die beiden letzten Kapitel behandeln das Verhältnis zwischen Staat und Zivilgesellschaft sowie die tiefe Wirtschaftskrise („Spezialperiode“) Kubas seit Beginn der neunziger Jahre nach dem Niedergang des Sozialismus in Osteuropa und gewähren den bereits erwähnten Ausblick auf die Zukunft der Insel. Konsequent ist dabei ihre Perspektive, die neuere und neueste Geschichte der Insel in ihrer regional- und globalhistorischen Reichweite zu interpretieren, womit sie im Trend der neueren Publikationen zu Kuba liegt.

Die originellsten Kapitel der Publikation sind diejenigen, in denen die Autorin gesellschaftliche Phänomene diskutiert, vor allem weil sie konsequent die Perspektive der kubanischen Frauen, der afrokubanischen Bevölkerung und der gesellschaftlichen Randgruppen, der Homosexuellen beiden Geschlechts, in ihre Darstellung integriert. Positiv hervorzuheben ist auch die lateinamerikanische Perspektive auf die kubanische Revolution und der von ihr ausgehende Vorbildcharakter für die revolutionären Bewegungen Lateinamerikas ab den 1960er-Jahren. Schwächer fällt hingegen das Kapitel über die so genannten „revolutionären Traditionen“ Kubas aus. Es greift zu kurz und ist an manchen Stellen unzureichend recherchiert. Auch das vierte Kapitel leidet unter der Kürze: Die beiden wichtigsten Errungenschaften der Revolution, Gesundheit und Bildung, auf die sich die Autorin später noch mehrfach positiv bezieht, werden auf einer Seite abgehandelt. Die Alphabetisierungskampagne des Jahres 1961 beispielsweise, bis heute in vieler Hinsicht eine erfolgreiche und einzigartige Massenmobilisierung, mit der die gesamte Insel binnen eines Jahres lesen und schreiben lernte, bleibt unerwähnt.

Die Publikation stützt sich leider ausschließlich auf englischsprachige Literatur vor allem aus den USA und Großbritannien, bzw. auf einige Übersetzungen aus dem Spanischen. Stimmen aus Kuba bzw. Perspektiven aus spanischsprachigen oder anderen europäischen Ländern, fehlen gänzlich. Die Literatur, die die Autorin verwendet, ist jedoch gut zusammengefasst und auf dem neuesten Stand. Da es sich jedoch um eine reine Literaturarbeit handelt, birgt die Publikation keine wirklich neuen Erkenntnisse oder Forschungsergebnisse. Sie spricht deshalb vor allem diejenigen Leser an, die sich in Kürze über die kubanische Geschichte und Gegenwart informieren wollen. Auch für ein studentisches Publikum auf der Suche nach weiterführender Literatur zu spezifischen Themen kann der Band – mit der oben erwähnten Einschränkung – von Nutzen sein.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Epoche(n)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension