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Titel
Fräuleins und GI's.


Autor(en)
Brauerhoch, Annette
Erschienen
Frankfurt am Main 2006: Stroemfeld Verlag
Anzahl Seiten
Preis
€ 28,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Lu Seegers, Institut für Geschichte, Universität Siegen

Bis heute sind die vom „Nachkriegsfräulein“ als fraternisierendem „Ami-Liebchen“ in der kollektiven Erinnerung negativ konnotiert, galten die so titulierten Frauen und Mädchen doch als hedonistisch, exhibitionistisch, asozial und promisk. Mehr noch: Sie standen für die Niederlage der Deutschen auch und gerade auf sexuellem Gebiet. Damit bildete das „Fräulein“ lange Zeit eine despektierliche Gegenfigur zur respektierten „Trümmerfrau“, die für die Überlebensarbeit der Frauen in der Nachkriegszeit und gleichsam für die Rekonstitution von Ehe, Familie und Nation stand. Dieses Bild hatte auch Einfluss auf die Zeitgeschichtsforschung, meint die Filmwissenschaftlerin Annette Brauerhoch: Selbst die feministische Forschung habe lange Zeit die „Trümmerfrauen“ in den Mittelpunkt gestellt, galt es doch die Leistungen und Kompetenzen der Frauen bei der Überlebensarbeit und Alltagsorganisation in der deutschen Nachkriegsarbeit aufzuzeigen. 1 Die Autorin verweist in ihrer Studie zwar auf Arbeiten, die in den letzten Jahren – nicht zuletzt im anglo-amerikanischen Raum – zum Thema des deutschen Nachkriegsfräuleins erschienen sind. Ihr explizites Anliegen ist es jedoch, die Figur des „Fräuleins“ aus kulturwissenschaftlicher Perspektive zu rehabilitieren. Dabei geht es ihr darum, die sozial- und kulturhistorische Bedeutung des „Fräuleins“ durch die Filmgeschichte hindurch zu rekonstruieren. Die deutsch-amerikanischen Geschlechterbeziehungen bezeichnet Brauerhoch als eine „Revolution im Stillen“ (S. 19), als Vorläufer der Amerikanisierung und zugleich als eine Form weiblicher Rebellion und Gegenkultur. Anhand von Spielfilmen, Dokumentationen sowie Militärfilmen des Office of War Information analysiert Brauerhoch, wie die Figur des sexuell bedrohlichen und despektierlichen „Fräuleins“ zwischen 1945 und den frühen 1960er Jahren in Westdeutschland und den USA inszeniert wurde. Mehr noch: untersucht werden zudem die Darstellung der weißen und schwarzen GIs sowie die medialen Repräsentationen von farbigen Besatzungskindern in Deutschland, wobei zum Teil Ergebnisse der Dissertation von Maria Höhn aufgenommen werden, ohne dass diese immer explizit benannt werden. 2

Flankiert und kontextualisiert werden die diversen Themenbereiche durch zahlreiche Quellen der Trivial- und Hochliteratur, Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, aber auch durch Zeitzeugenberichte und Memoiren. Hierin liegt zugleich eine Stärke und Schwäche des Buches. Einerseits nähert sich Annette Brauerhoch deshalb ihrem Thema sehr konzentrisch und für die Leser nicht immer deutlich strukturiert an. Andererseits gelingt es der Autorin, die binationalen Geschlechterverhältnisse ebenso detailliert wie facettenreich im transatlantischen Medienensemble zu untersuchen. So kann sie am Beispiel des Romans „Fräulein“ von James McGovern aus dem Jahr 1956 zeigen, dass die schwarzen GIs im amerikanischen Buch und in einer entsprechenden Verfilmung von Henry Koster aus dem Jahr 1958 freundlich und mütterlich-feminisiert dargestellt wurden, während es in einem Wiederabdruck des Romans in der Illustrierten „Quick“ aus dem Jahr 1957 keinerlei körperlichen Kontakt zwischen der deutschen Protagonistin und dem US-amerikanischen Soldaten gab. Überhaupt präsentierten die Fortsetzungsromane in deutschen Illustrierten – zwischen 1951 und 1958 waren es allein acht, in denen schwarze GIs eine zentrale Rolle spielten – zumeist bipolare Stereotype: Einerseits wurden sie als gutmütig und tollpatschig gezeichnet, zum anderen für Missstände wie Prostitution um die Kasernen verantwortlich gemacht. Ebenfalls untersucht wird der westdeutsche Spielfilm „Toxi“ von Rolf Stemmle aus dem Jahr 1952, der angesichts breiter Debatten in der Öffentlichkeit beim Kinopublikum Verständnis für die Situation der farbigen Besatzungskinder wecken wollte. Während hier das kleine Mädchen Toxi – ausgestattet mit feinen Manieren und einem süddeutschen Akzent – mit einem Überschuss von bürgerlicher Normalität in Szene gesetzt wurde, um Bilder der Andersartigkeit zurückzudrängen, verwies ein Dokumentarfilm des Süddeutschen Rundfunks aus dem Jahr 1965 auf gängige Muster der Asozialität. Letzteres wurde vor allem an den Müttern festgemacht, die als unartikuliert, ungepflegt und aus dem Sozialhilfemilieu stammend erschienen.

Insgesamt kommt Annette Brauerhoch bei ihrer vergleichenden Analyse von amerikanischen und westdeutschen Spielfilmen zu dem Schluss, dass vor allem in Deutschland explizite Zensurmaßnahmen durch die Militärregierung und eine in den Dienst der Disziplinierung von Sexualität gestellte Filmproduktion ein größeres Interesse für die Darstellung des „Nachkriegsfräuleins“ verhinderten. So zeigt sie beispielsweise anhand des Films „Hallo Fräulein“ (BRD 1949), wie die Figur des „Fräuleins“ maskiert, entschärft und entsexualisiert wurde, damit sie als nationale Figur reklamiert werden konnte. So wurde Margot Hielscher als Nachtclubsängerin im Stil der Ufa-Filme der 1930er und 1940er Jahre in Szene gesetzt. Sie zeigte Selbstbewusstsein gegenüber den amerikanischen GIs, kultivierte deren Manieren und zog den „anständigen“ Deutschen als Partner vor. Selbst Filme, in denen die umstrittene Militärbasis Baumholder im Mittelpunkt stand, wie zum Beispiel der Spielfilm „Die goldene Pest“ (BRD 1954), bevorzugten die Strategie der Entsexualisierung der „Fräulein“-Figuren. Es hätte gegen den Sittenkodex der frühen Bundesrepublik und gegen re-etablierte kinematografische Konventionen verstoßen, so schlussfolgert Brauerhoch, das ausschweifende Liebesleben einer weiblichen Protagonistin zu zeigen. Stattdessen wurde auf das Bild vom ehrwürdigen „Fräulein“ zurückgegriffen.

Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch eine eingehendere Analyse von Filmen aus der DDR gewesen. So wird zwar kurz auf den DEFA-Film „o.k.Okay“ (DDR 1965) verwiesen, der die Militärbasis Baumholder, die auch in der westdeutschen Presse als Ort unmoralischen Vergnügens zwischen amerikanischen GIs und deutschen Frauen galt, als Inbegriff einer Verfallsgeschichte und des Ausverkaufs der Bundesrepublik deutete. Eine eingehendere Betrachtung des Films oder anderer einschlägiger Filme der DDR bietet die Autorin aber leider nicht an. Stattdessen untersucht sie entsprechende Filme des italienischen Kinos der 1940/50er Jahre, in denen die Beziehungen zwischen den schwarzen GIs und der weiblichen Bevölkerung als selbstverständlicher Aspekt des Nachkriegsalltags gezeichnet worden seien.

Im amerikanischen Kino hingegen konnte das „Fräulein“, wie Brauerhoch zeigt, trotz seines auch hier schlechten Images, schon eher als glamouröses Sexualobjekt inszeniert werden. Dies war besonders in Billy Wilders berühmten Spielfilm „A foreign affair“ (USA 1948) der Fall, in dem die Rolle des „Fräuleins“, das ebenfalls als Nachtclubsängerin und als öffentliche Frau gezeigt wurde, pikanterweise mit Marlene Dietrich besetzt war. Sie strahlte als großer Hollywoodstar deutscher Nationalität gleichermaßen Laszivität und politischen Opportunismus aus. Zugleich kritisierte Wilder mit seinem Plädoyer für Sinnlichkeit auf ironische Weise die puritanische Mission und den beschränkten Geist des mittleren Westens. Er setzte dabei bewusst auf die Unterminierung von Stereotypen, und Grenzziehungen zwischen gut und böse, schuldig und unschuldig sind bei ihm nicht eindeutig. Allerdings stieß der Film im Kongress und im Verteidigungsministerium trotz seines kommerziellen Erfolgs auf Widerstand, so dass er zurückgezogen werden musste.

Das Fazit betont mit Siegfried Kracauer noch einmal, dass Filme als Sonden für die Untersuchung von mentalen Dispositionen einer Gesellschaft dienen können. Angesichts des Aufruhrs, die die so genannten „Fräuleins“ als gesellschaftliche Erscheinung auslösten, reagierten insbesondere die deutschen Filme mit einer verstärkten Stereotypisierung und Unlebendigkeit in der Inszenierung der Figur. In dieser Verdrängung wurde jedoch, so Brauerhoch, stets auf das Verdrängte verwiesen, wie sich am Beispiel von Nebenfiguren und atmosphärischen Stimmungen zeigen lasse. Trotz aller Repressivität eröffneten Filme damit eine andere Perspektive als Literatur, da der Blick der Zuschauer/innen durch die Bewegung des Films eben nicht gleichermaßen determiniert werden könne. Gerade deshalb wäre jedoch die Präsentation von weiteren möglichen Lesarten der Filme interessant gewesen. Annette Brauerhoch bietet in ihren generell nachvollziehbaren Interpretationen jedoch jeweils nur eine, wenn auch die wohl dominante Lesart, an. Des Weiteren wären Angaben zu Besucherzahlen und zur Bewerbung der Filme hilfreich gewesen, da sie Hinweise auf die Rezeption und Aneignung der Filme durch das Publikum hätten geben können. Schließlich wäre es wünschenswert gewesen, wenn die Autorin auch noch näher auf das so genannte „Fräuleinwunder“ eingegangen wäre, das mitnichten nur negativ konnotiert war, sondern durchaus zum medial vermittelten „Exportschlager“ der jungen Bundesrepublik avancierte. Damit soll der Wert der Studie jedoch keinesfalls infrage gestellt werden – für eine Filmgeschichte als Gesellschafts- und Kulturgeschichte hat Annette Brauerhoch ein eindrucksvolles Buch vorgelegt.

1 Dabei sind die mit den Trümmerfrauen verbundenen Mythen nationaler Identität bereits dekonstruiert worden: Elizabeth Heineman, The Hour of the Woman: Memories of Germany’s „Crisis Years“ and West German National Identity, in: Hanna Schissler (Hg.), The Miracle Years. A Cultural History of West Germany 1949-1968, Princeton, Oxford 2001, S. 21-56.
2 Maria Höhn, GIs and Fräuleins: the German-American encounter in 1950s West Germany, Chapel Hill, NC 2002.

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