F. J. Coppa (Hrsg.): Encyclopedia of Modern Dictators

Cover
Titel
Encyclopedia of Modern Dictators. From Napoleon to the Present


Herausgeber
Coppa, Frank J.
Erschienen
Anzahl Seiten
XXII, 344 S.
Preis
€ 80,30
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Hans-Heinrich Nolte, Historisches Seminar, Universität Hannover

Der Band bietet Kurzbiografien von 153 diktatorisch regierenden Staatsoberhäuptern des 19. und 20. Jahrhunderts, wobei Könige und Kaiser nicht berücksichtigt sind. Der äthiopische Präsident Mengistu wird also aufgeführt, der letzte äthiopische Kaiser Haile Selassie dagegen nicht – Coppa verweist auf eine kommende Enzyklopädie moderner Monarchen/innen. Im vorliegenden Band sind zum Beispiel alle Generalsekretäre der KPdSU vertreten, aber auch viele konservative Diktatoren wie Horthy oder Piłsųdski, Tiso oder Pétain. Aufgenommen wurde auch eine Außenministerin, Ana Pauker, während Polens diktatorischer Außenminister Beck, der durch den Nichtangriffspakt mit dem nationalsozialistischen Deutschland 1934 und die Annexion des Olsagebiets 1938 viel zur Zerstörung der Versailler Ordnung beigetragen hat, genauso fehlt wie sein Staatschef Mościcki.

Am Überzeugendsten ist die Reihe der Diktatoren Lateinamerikas von Castro bis Pinochet und Estrada Cabrera oder Peron bis Stroessner. Besuche von Päpsten bei katholischen Diktatoren werden kritisch festgehalten, während die Päpste selbst – die ja qua Verfassung absolute Herrscher des Kirchenstaats sind – nicht aufgenommen wurden; Coppa ist auch Herausgeber einer Enzyklopädie der Päpste.1 Die Politik der USA gegenüber westlichen Diktatoren wird kritisiert; so findet sich auch ein Beitrag zum pakistanischen Staatschef Pervez Musharraf. Coppa begründet seine Auswahl unter Rekurs auf einige ältere und jüngere Literatur über Ideologie und diktatorische Regimes; sein erklärtes Ziel ist es, „historisch und deskriptiv und nicht sozialwissenschaftlich und theoretisch“ zu schreiben (S. XXI). Trotzdem stellt sich die Frage, ob es sehr ergiebig ist, zum Beispiel Napoleon III. und Siaka Probyn Steven, von 1968 bis 1985 Präsident von Sierra Leone, auf derselben Seitenzahl zusammen abzuhandeln.

Zu jedem Aufsatz sind ein bis drei Titel „for further reference“ ausschließlich in englischer Sprache angegeben – selbst bei Napoleon I., Napoleon III. und Robespierre! Nur bei Mussolini verweist der Herausgeber, der hier zugleich Autor ist, auf die große italienische Bibliografie von Renzo De Felice. Der Beitrag über Pol Pot ragt heraus, weil dort die wenigen notierten Titel informativ kommentiert werden. Abgesehen von einer Autorin, die an der American University in Dubai arbeitet und neun Artikel beigesteuert hat, lehren alle Autoren der Beiträge an amerikanischen Colleges und Universitäten. Über 100 Beiträge sind von Autoren geschrieben, die an der St. John’s University in New York arbeiten, 40 davon von Coppa selbst. St. John’s ist eine der führenden katholischen Universitäten Amerikas; dort ist ein eigenes „Center for Global Studies“ angesiedelt.

Fehler sind selten (etwa „Englebert“ statt Engelbert Dollfuß oder „Donitz“ statt Dönitz). Stellenweise hat man den Eindruck, dass Coppa einen Artikel schnell auf der Basis von wenig Literatur verfasst hat, etwa denjenigen zu Taraki, dem afghanischen Staatspräsidenten von 1978/79. Alle Beiträge sind aber auf dem Stand der jüngeren englischsprachigen Historiografie. So wird im Aufsatz über Hitler (der viel zur Geschichte vor 1933 bietet, ohne Brigitte Hamann zu nennen) auf Ian Kershaw und Ron Rosenbaum verwiesen und in demjenigen über Stalin auf die englischen Übersetzungen der Bücher von Dmitri Volkogonov und Robert C. Tucker. Gewiss kann man sich mehr Literaturangaben wünschen und vor allem solche in den Landessprachen der Diktatoren. Selbstverständlich ist der Charakter der Beiträge durch den dezidiert katholischen Charakter der Universität beeinflusst, und ebenso selbstverständlich ist es, dass Amerikaner ohne Kooperation mit dem „Rest der Welt“ kein wirklich globales Lexikon schreiben können.

Es scheint Coppas Prinzip zu sein, Personal-Enzyklopädien nach Themen zu organisieren (womit er Truharts „Regents of Nations“ umgeht2). Denkbar wäre, dass auf die angekündigten Monarchen/innen später auch demokratische Staatschefs/innen folgen. Thematisch eingegrenzte Lexika haben den Vorteil, dass man – wie hier – auf Begriffe und Kontexte eingehen und bestimmte Märkte differenzierter bedienen kann. Ein thematisch klar profiliertes Lexikon, das mit Anmerkungen im Text und manchmal seitenlangen Nachweisen allerdings auf einem Niveau viel intensiverer wissenschaftlicher Arbeit angesiedelt ist, bietet in Deutschland das gerade neu aufgelegte Personallexikon der demokratischen Bewegung, das sich in den Lemmata mit Coppas Werk naheliegenderweise nicht überschneidet.3 Ein thematisches Lexikon hat aber den Nachteil, dass man Personen einer Kategorie zuordnen muss – also etwa, wie Coppa das tut, Dönitz der Kategorie Diktator, weil er einige Tage das Deutsche Reich regierte. Auch wenn die Enzyklopädie auf seine Rolle in der Marine eingeht – das Stichwort Dönitz im „Biographischen Lexikon zur Weltgeschichte“4 ordnet den „Groß-Admiral“ unvoreingenommener ein und nennt zugleich Publikationen seiner Schriften. Dagegen fehlt dort die Sekundärliteratur, auf welcher der Beitrag beruht, und insofern ist man bei Coppa präziser informiert.

Zusammenfassend: Die „Encyclopedia of Modern Dictators“ bietet knapp einführende Informationen auf der Basis von englischsprachigen Veröffentlichungen. Das Buch ist auch für die deutschen Leser/innen nützlich, insbesondere für erste Informationen über in Mitteleuropa kaum bekannte Politiker Lateinamerikas, Asiens oder Afrikas, aber auch deshalb, weil die „klassischen“ Publikationen der englischsprachigen Literatur genannt werden.

Anmerkungen:
1 Coppa, Frank J. (Hg.), Encyclopedia of the Vatican and the Papacy, Westport 1999.
2 Truhart, Peter (Hg.), Regents of Nations, München 2000.
3 Asendorf, Manfred; Bockel, Rolf von (Hg.), Demokratische Wege. Ein biographisches Lexikon, Stuttgart 1997, Neuausgabe Stuttgart 2006.
4 Dankelmann, Otfried (Hg.), Biographisches Lexikon zur Weltgeschichte. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Frankfurt am Main 2001.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension