M. Reufsteck u.a. (Hrsg.): Das Fernsehlexikon

Cover
Titel
Das Fernsehlexikon. Alles über 7000 Sendungen von Ally McBeal bis zur ZDF-Hitparade


Herausgeber
Reufsteck, Michael; Niggemeier, Stefan
Erschienen
Anzahl Seiten
1512 S.
Preis
€ 49,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Joan Bleicher, Institut für Germanistik, Hans-Bredow-Institut, Universität Hamburg

Unsere Erinnerungen als Fernsehzuschauer, aber auch als Fernsehwissenschaftler sind leider oft lückenhaft. So will ich schon seit langem wissen: Vor vielen Jahren gab es diese tolle Science-Fiction Serie, in der man die Außerirdischen in Menschengestalt nur daran erkennen konnte, dass sie beim Sterben verglühten. Doch wie hieß diese Serie noch gleich und wann wurde sie in welchem Kanal gesendet?

Die Journalisten Michael Reufsteck und Stefan Niggemeier litten offensichtlich unter ähnlichen Gedächtnislücken und haben daher Informationen zu mehr als 7000 Fernsehsendungen zusammengetragen, die von west- und ostdeutschen Vollprogrammen seit 1952 ausgestrahlt wurden, und sie als „Das große Fernsehlexikon“ veröffentlicht. Offensichtlich gehen die Herausgeber bei diesem von ihnen erfassten Zeitraum davon aus, dass die Nostalgiker/innen, die sich an das NS-Fernsehen ab 1935 erinnern wollen, mittlerweile selten geworden sind. Für Historiker/innen bleibt damit jedoch eine deutliche Lücke in der Programmgeschichte.

Die Kriterien der Auswahl bleiben trotz der von den Herausgebern mitgelieferten Angaben undeutlich: Sendungen seien demnach berücksichtigt worden, „weil sie viel gesehen wurden oder spektakuläre Misserfolge waren, weil über sie geredet wurde, weil sie einflussreich waren oder Trends setzten, weil sie langlebig oder besonders kurzlebig waren.“ Scheint dies noch nachvollziehbar, so bleibt die zusätzliche Aufnahme hunderter „fast vergessener, obskurer und unauffälliger Shows, Magazine, Dokumentationen und Serien“ (S. 7) unklar. Auch die Angaben des Lexikons zu Sendungstitel, Zeitraum der Ausstrahlung (beschränkt auf Jahresangaben), Inhalt und Mitwirkenden bieten zwar den Nostalgiker/innen Stoff für eigene Fernseherinnern, für eine Verwendung etwa im Rahmen einer ernsthaften Fernsehgeschichtsforschung reichen sie aber schon aufgrund fehlender Quellenangaben nicht aus.

Der Stil der Einträge entspricht eher dem Unterhaltungscharakter des behandelten Mediums als dem einer lexigrafischen Reflexion. So gibt es starke Abweichungen in der Länge der Einträge. Der US-Serie „Ally McBeal“ etwa sind mehrere Seiten gewidmet, der Eintrag zum Magazin „Abenteuer Auto“ (Kabel 1) umfasst nur einen einzigen Satz. Nahezu exzessiv ausführlich liest sich die Zusammenfassung der im 21. Sendungsjahr laufenden „Lindenstrasse“. Andere Einträge sind wiederum sehr kritisch gefärbt, etwa diejenigen zu Popstars (RTL2, Pro Sieben). An einigen Stellen sind die Angaben auch lückenhaft: Beispielsweise fehlt die Begründung, warum das Millionenspiel von 1970 bis zu seiner Wiederholung im Jahr 2002 im Giftschrank der ARD lagerte. Bei der Sendung „Lollo Rosso“ hätte die „Lindenstraßen“-Herkunft der Moderatorin erwähnt werden können. Generell spielen Fernsehfilme und Informationssendungen eine untergeordnete Rolle, es dominieren amerikanische und westdeutsche Serien und Unterhaltungs-Produktionen. Den Unterhaltungscharakter des Bandes unterstreichen nicht zuletzt die zahlreichen Sendungs-Stils und ihre Textunterzeilen.

Es lassen sich in diesem Lexikon interessante Einzelfunde machen, wie etwa die 1986 ausgestrahlte Reality-Comedy-Serie „Reschkes Großer Dreh“ – lange bevor Reality-TV in Mode kam. (S. 985) „Die Überlebenden der Mary Jane“ lassen sich aus heutiger Sicht als „Lost“-Variante der 1960er-Jahre ansehen.

Insgesamt enthält das Lexikon viele unterhaltsame und auch für die wissenschaftliche Verwendung nützliche Informationen. Als Quelle für fernsehhistorische Untersuchungen ist es aus den genannten Gründen jedoch nicht geeignet. Doch ich habe erfahren: Die von mir gesuchte Serie „Invasion von der Wega“ wurde leider bis heute nicht wiederholt.

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