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Titel
Museen und Stadtimagebildung. Amsterdam - Frankfurt/Main - Prag - Ein Vergleich


Autor(en)
Puhan-Schulz, Franziska
Reihe
Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement
Anzahl Seiten
340 S.
Preis
€ 27,80
Rezensiert für den Rezensionsdienst "Europäische Ethnologie / Kulturanthropologie / Volkskunde" bei H-Soz-Kult von:
Alexa Färber, Institut für Europäische Ethnologie, Humboldt-Universität zu Berlin

Nur selten gelingt es einer empirischen Forschung den Vergleich zweier Städte zu bewältigen, ohne dass sie sich in den lokalspezifischen Details einer jeden Stadtgeschichte und -kultur verläuft oder aber den Vergleich so systematisch abstrahierend „durchexerziert“, dass man zwar einmal mehr etwas über die analytischen Instrumente des wissenschaftlichen Vergleichs erfahren hat, der Charakter der zu vergleichenden Städte darin jedoch verblasst ist. Die 2005 veröffentlichte Dissertation von Franziska Puhan-Schulz darf als eine solche Ausnahme gelten und dies bei einem Vergleich nicht allein zweier, sondern dreier Städte: Amsterdam, Frankfurt am Main und Prag. Dabei diente der seit den 1980er-Jahren vielerorts und europaweit zu beobachtende Boom an Neubauten für Kunstmuseen als Anlass für die umso schlüssigere Vergleichsachse: die Frage nach dem empirisch beobachtbaren Verhältnis von (Kunst-) Museen und Stadtimagebildung. Diese Vergleichsachse ist deshalb klug gewählt, weil in dem damit umrissenen Forschungsfeld die Städte „als Ganzes“ bereits Gegenstand der untersuchten stadtplanerischen und kulturpolitischen Praxis sind. Die von unterschiedlichen Akteursgruppen ausgehandelte kulturelle Objektivierung von Stadt in Form ihres Images bildet deshalb den soliden Boden für diesen Städtevergleich.

Mit der vergleichenden Verknüpfung der Planung für den Umbau des Stedelijk Museums und des Museumplein in Amsterdam, mit der Gründung und dem Bau des Museums für Moderne Kunst und der zeitgleichen Gestaltung des „Museumsufers“ in Frankfurt am Main und der Einrichtung der Prager Modernen Galerie im Messepalast im Rahmen der Umverteilung der Bestände der Prager Nationalgalerie – mit dem Vergleich dieses Dreiergestirns entwirft die Autorin eine empirisch produktive Perspektive. Denn sie bekommt sowohl die historischen Grundlagen für die durch das Museum hindurch betrachtete Stadt in den Blick, als auch die über die jeweiligen urbanen Gebilde hinaus gehende Relevanz von Kultur in der symbolischen Ökonomie der spätmodernen Städte.

Mit der Frage „Wie wird das Element Kultur, insbesondere die moderne Kunst ins Stadtimage eingebaut bzw. für ein positives Stadtimage genutzt?“ (S. 30) greift Puhan-Schulz die seit den 1990er-Jahren in Deutschland eingehend rezipierten Fragestellungen der internationalen Stadtforschung auf und überprüft sie anhand des zwischen 1994 und 1999 erhobenem Materials – die im Anhang aufgelisteten und sortierten Nachweise für die 51 Interviews und die Biografien der für die Arbeit wichtigsten Architekten und Stadtplaner bestechen durch ihre Handhabbarkeit. Es geht der Autorin um die in stadtplanerischen Fallbeispielen beobachtbaren ökonomischen und kulturellen Globalisierungsprozesse und den damit einhergehenden Versuchen, Stadtimages zu stärken oder umzucodieren.
Das erste Kapitel „Museumsboom, Lebensstil und Globalisierung“ entwirft dafür die theoretische Verknüpfung dieser drei Forschungsebenen: ausgehend vom Museum als Ort, an dem sich eine zunehmende Ökonomisierung des öffentlichen Raums in der Stadt messen lässt, über eine vielfältige Distinktionspraxis, die sich im Besuch wie im Bau entsprechender Museen materialisiert bis hin zum Kunstmuseum als urbanem Kristallisationspunkt der kulturellen Globalisierung, die sowohl Vereinheitlichung als auch Ausdifferenzierung mit sich bringt.

Um diese theoretischen Fäden in ihre empirische Forschung einzuspinnen, verortet die Autorin im Hauptteil der Arbeit die gewählten Projekte für Museumsneubauten zunächst vor dem Hintergrund des historisch gebauten Raumes und der darin verankerten Visionen von Urbanität (2), der diskursiven kulturellen Rahmung durch eine nations- und stadtspezifische Kulturpolitik (3) und mit Blick auf die „Planungshorizonte“ der jeweiligen Städte, das heißt vor allem die Verhandlungen zwischen lokalen Akteuren und Autoritäten um die Transformation öffentlichen Raums in „Museumslandschaften“ (4). Der Schwerpunkt des Untersuchungsraums für diese Planungsprozesse liegt dabei in den 1980er/1990er-Jahren.

Hier wird nun deutlich, dass der historisch gewachsene Raum (nur) bestimmte kulturelle Distinktionsqualitäten zur Verfügung stellt, an dem sich das geplante Kunstmuseum entsprechend „abarbeiten“ muss. Dies zeigt im Vergleich zur „gewachsenen Kulturmetropole“ Amsterdam der steinige Weg Frankfurts zum Image als „Kulturmetropole“. Gefangen zwischen einer musealisierenden Rekonstruktion der wenigen historischen Bauten im Stadtzentrum und einer Profilierung durch die von renommierten internationalen Architekten entworfenen Bauten des Museums für Moderne Kunst, der anderen Museen am Schaumainkai und der Schirrn, hat die seit Ende der 1970er-Jahre „auf bürgerliche Kultur setzende[n] Imagestrategie“ (S. 88) erst in den 1990er-Jahren eine gewisse Plausibilität erreicht.

Die Darstellung der lokalen Verhandlungen um die neuen Museumslandschaften zeigt nun, dass eine Stadtplanung, die stadtpolitische Ziele wie die Erhöhung des Imagefaktors erreichen soll, in keiner der drei untersuchten Städte ohne den Einspruch der lokalen Bevölkerung umgesetzt wird und in allen drei Fällen im Gewand der „Partizipation“ von Seiten der Planung antizipiert wird. Wenn dies auch graduell unterschiedlich stark geschieht, so muss sich jedes Bauprojekt zuerst einmal in der kulturellen Logik der Anwohner/innen legitimieren. Im Vergleich der drei Städte erscheint dann die Einrichtung des Musemplein besonders komplex (und langwierig), und die Arbeit zeigt, dass hier außerordentlich viele Akteursgruppen ihre Interessen vertreten haben und deshalb moderiert werden mussten. In dieser für die Beteiligten teils unüberschaubaren und von Puhan-Schulz nachvollziehbar herausdestillierten Gemengelage sind die Fronten nur selten so klar, wie im Fall der lokalen Bürgerinitiative, die sich im konservierenden Stil der damaligen ökologischen Bewegungen gegen die Abholzung von Bäumen wendet, die einem in den repräsentativen Museumsplein integrierten Platz weichen sollten: „Bürgerschaftliches, lokalistisches Engagement stand hier den international ausgerichteten Interessen der Stadt entgegen.“ (S. 171) Die Einwände der Amsterdamer Bürgerinitiativen beruhten wie in Frankfurt neben den ökologischen Aspekten (auch in Frankfurt wurde gegen den Verlust von Baumbestand protestiert) auf der Befürchtung, dass lokale Spezifika in der Einförmigkeit globaler kultureller Formate (beispielsweise in der Architektur) verschwinden würden und dass der öffentliche Raum zunehmend ökonomischen Strukturen unterworfen wird. Diese Position teilt auch die Autorin, wenn sie mit Blick auf die Nutzungsmöglichkeiten des öffentlichen Raumes zusammenfassend schreibt, allen drei Projekten sei gemeinsam, dass sie „die Nutzer des öffentlichen Raums verändern“ bzw. sich die Nutzung „in zunehmendem Maße auf die Konsumenten beschränkt“ (S. 236f.).

Im abschließenden Teil des Buches führt die Autorin den gewählten akteurszentrierten Zugang der Kulturanthropologie weiter. Hier zeigt sie, wie eng die symbolische Bedeutung der Eröffnungsausstellungen innerhalb der Museumsneubauten mit den kuratorischen Positionen und Persönlichkeiten der Direktoren verknüpft ist. Dabei geht es keineswegs darum, die bis dahin aufgemachten Perspektiven nun auf einen partikularen, individualisierenden Ausschnitt zu verengen. Vielmehr gelingt es der Autorin in diesem Abschnitt, die kulturelle Plausibilität, die sich in der Benennung dieser „Direktorenpersönlichkeiten“ ausdrückt, aus deren Passförmigkeit für die jeweiligen kunst-/kultur- und stadtpolitischen Anforderungen und Ziele zu erklären. So werden „Direktorentypen“ deutlich, die den aktuellen Anforderungen entgegenkommen und den Stil der Stadt repräsentieren – und das heißt auch, ihre Arbeit innerhalb des kulturellen Charakters der Stadt plausibel ausfüllen und ausbauen.

Es kann als Glücksfall gewertet werden, dass die Prager Moderne Galerie im Messepalast – einem imposanten Bau im Stil funktionalistischer Architektur von 1928, dessen Restauration 1996 fertig gestellt wurde – in den Vergleich einbezogen wurde. Gegen Ende der 1970er-Jahre widmete sich Prag seinem zwiespältig gewordenen Image als unbestrittene „Kulturstadt“ auf der einen und „verfallende, dunkle Stadt“ (S. 232) auf der anderen Seite durch die Unterbringung der umfassenden Sammlungen seiner Nationalgalerie in prestigereichen Bauwerken. In dieser Indienstnahme von Kunstsammlungen für die Profilierung des Stadtimages, die unter anderem in einer traditionsreichen bürgerlichen denkmalpflegerischen Praxis verankert war, ähnelten die Prager Verhältnisse Frankfurt und Amsterdam, selbst was den Zeitpunkt dieser Initiativen anging. Darüber hinaus bietet Prag wie zu erwarten als „osteuropäischer Fall“ aber auch eine erhellende Kontrastfolie zu den beiden westeuropäischen Städten. Dies gilt jedoch besonders für die Zeit nach dem Regimewechsel. Denn hier kehren die vielschichtigen institutionellen Umbrüche nach 1989 die potenziellen Unwägbarkeiten, denen stadtpolitische, -planerische und kulturpolitische Strategien stets unterworfen sind, in ganz besonders akzentuierter Weise hervor. Das beeindruckende Personalkarussel, das allein auf Leitungsebene der Prager Modernen Galerie nachzulesen ist, mag dabei die effektvolle Spitze eines Eisberges sein, das auch als Produkt der strukturellen Unsicherheit einer kulturellen Praxis des Planes in und von Städten verstanden werden kann. Diese potenzielle (Planungs-)Unsicherheit erweist sich so gesehen für die darin involvierten Akteure als Kehrseite des hohen symbolischen Status, der Kunstmuseen, ihrer Leitung und der Ausstellungspraxis von Seiten der Stadtpolitik beigemessen wird. Dem gegenüber erscheinen die beiden westeuropäischen Beispiele, die im Detail ebenso kontroversen Auseinandersetzungen ausgesetzt waren, erstaunlich geradlinig – und individualisiert: „Für die untersuchten Ausstellungskonzepte der neunziger Jahre konnte gezeigt werden, dass jeweils abhängig von der gedachten und gehandelten Verantwortlichkeit gegenüber dem Publikum, der Mentalität der Direktoren und dem gesellschaftspolitischen Rahmen im Falle von Prag stärker auf Wissens- bzw. Bildungsvermittlung gesetzt wurde, derweil sich in Frankfurt am Main und Amsterdam ein Trend zum individualistischen Ausstellungsmacher fand, der sich selbst zum Künstler ernannte.“ (S. 279)

In dieser Form des kontrastiven Vergleichs liegt die Stärke des Buches, denn die exemplarisch eingeflochtenen Gegenüberstellungen verschieben immer wieder die Konstellation der sich ähnelnden und unterscheidenden Charakteristika der Städte und ihrer Imagesuche.

„Museen und Stadtimagebildung“ ist in der gut sortierten Reihe „Kultur- und Museumsmanagement“ des transcript Verlags erschienen und geht, wie viele andere Bände der Reihe auch, über den proklamierten Management-Aspekt hinaus. Denn auch wenn sich die Publikation, wie die Autorin im Vorwort schreibt, durchaus als Handbuch lesen lässt, das „Fehler bei laufenden Museumsplanungen vermeiden helfen“ kann (S. 10), so besticht die ausgesprochen elegant verfasste Arbeit doch gerade dadurch, dass sie die Komplexität der Probleme und Fragestellungen, die eine Profilierung des Stadtimages durch Kunstmuseen mit sich bringt, nicht lösungsorientiert zu reduzieren versucht.

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Diese Rezension entstand in Kooperation mit dem Rezensionsdienst "Europäische Ethnologie/Kulturanthropologie/Volkskunde" http://www.euroethno.hu-berlin.de/forschung/publikationen/rezensionen/
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