H. Birkhan (Hrsg.): Bausteine zum Studium der Keltologie

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Titel
Bausteine zum Studium der Keltologie.


Herausgeber
Birkhan, Helmut
Erschienen
Wien 2005: Praesens
Anzahl Seiten
492 S.
Preis
€ 34,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Holger Müller, Seminar für Alte Geschichte, Universität Mannheim

Der vorliegende Sammelband vereint Aufsätze aus allen die Keltologie betreffenden Fachrichtungen und soll, so der Herausgeber, "als Studienbehelf dienen" (S. 8). Die thematische Sortierung der einzelnen Aufsätze zeigt, dass sämtliche Gesichtspunkte der keltischen Kultur behandelt werden. Wie bei der Zielsetzung des Buches nicht anders zu erwarten, geben zwei einleitende Kapitel einen Überblick über die Forschungsgeschichte und problematisieren die Definition des Begriffs "Kelten". Es folgt eine Landeskunde der inselkeltisch besiedelten Gebiete, die geologische, politische, kulturelle und wirtschaftliche Gesichtspunkte behandelt. Dem Autor ist zuzustimmen, dass "zum Studium der Keltologie [...] eine gewisse Grundkenntnis der von Kelten besiedelten Länder sowohl als Natur- als auch als Kulturlandschaft nötig" ist, wobei eine Behandlung ganz Galliens in diesem Aufsatz oder in Form eines eigenen Aufsatzes das Buch abgerundet hätte. Eine "Note on Manx Folklore" schließt den einführenden Abschnitt ab.

Im folgenden Abschnitt über die keltische Archäologie wird den Leser/innen eine hervorragende Einführung in die die Kelten betreffenden archäologischen Fragestellungen gegeben. Nach einer Einführung in die allgemeinen archäologischen Begriffe und Forschungsgegenstände werden die Chronologie der keltischen Archäologie erläutert und Leitformen übersichtlich dargestellt. Auch die problematische Frage der keltischen Ethnogenese wird anschaulich behandelt, so dass die Leser/innen einen Überblick über Fragen und Probleme der keltischen Archäologie erhalten. Sodann werden die einzelnen archäologischen Stile genauer beleuchtet. Es folgen eine schmerzlich kurze Ausführungen zur Gesellschaft und zur Wirtschaft sowie zu Noricum und den keltischen Oppida. Ein für den Druck geplantes Caesar-Zitat wurde bei letzterem Thema offensichtlich vergessen (S. 92). Ein "Anhang", der sich mit dem keltischen Befestigungswesen auseinandersetzt, schließt an. Die verschiedenen Befestigungstypen werden kurz anhand bekannter Beispiele vorgestellt.

Die Archäologie der britischen Inseln stellt ein separater Abschnitt vor, was aufgrund einiger bedeutender Unterschiede sinnvoll erscheint. So muss unter anderem ein wesentlich längerer Zeitraum erfasst werden, da man das Frühmittelalter bei diesen Betrachtungen nicht ausschließen darf und selbst die Neuzeit von Bedeutung ist. Dem wird R. Karl gerecht, indem er nach einem kurzen Überblick über die Keltizitätsdebatte (S. 104) die Archäologie der britischen Inseln von der Spätbronzezeit bis zum Mittelalter erläutert. Die einzelnen Abschnitte sind einheitlich unterteilt in Fragen zu Chronologie, Siedlungswesen, Bestattungsbrauchtum, Fundmaterial und politischer sowie gesellschaftlicher Organisation. Vor allem die archäologischen Probleme, insbesondere die starke Vermischung von Kulturen seit dem Frühmittelalter, werden hier den Leser/innen verdeutlicht.

Der Abschnitt über die Geschichte der Kelten beginnt mit einem kurzen Kapitel zu den Kelten im Altertum, in denen hauptsächlich auf die literarische Überlieferung zu den Festlandkelten eingegangen wird. In der Folge gibt der Abschnitt einen Überblick über die Geschichte der britischen Inseln bis in die Neuzeit. Die regionale Gliederung ist sinnvoll, auch wenn dadurch überregionale Ereignisse zum Teil doppelt erwähnt werden. Allerdings sind einige Regionen stark unterrepräsentiert: So wird die Isle of Man nur auf drei Seiten behandelt; Cornwall gestand man gerade einmal eine zweiseitige Zeittafel zu. Inhaltlich unterscheiden sich die einzelnen Kapitel dieses Abschnitts erheblich, was an der Intention der Autoren liegt. So sind einige eher ereignisgeschichtlich geprägt, während andere gesellschaftliche oder politische Entwicklungslinien hervorheben.

Der folgende Abschnitt geht auf die Sprachen der Kelten ein. Das erste Kapitel gibt eine mit vielen Beispielen versehene Aufstellung der wichtigsten Merkmale der keltischen Sprachen, wobei ein Schwerpunkt auf den festlandkeltischen Sprachen liegt, da die inselkeltischen Sprachen in gesonderten Kapiteln behandelt werden. Der Abschnitt erörtert auch die Probleme der Sprachrekonstruktion. Bei den inselkeltischen Sprachen liegt der Schwerpunkt im Irischen und Walisischen. Bei allen Sprachen wird die Entwicklung ebenso klar verdeutlicht wie die Bemühungen zum Spracherhalt. Zu Recht werden die Probleme, die die Standardisierung des Walisischen zum Beispiel im Cymraeg Byw mit sich bringen, erörtert (S. 245). Besondere Beachtung verdienen die Kapitel über das keltische Latein und das keltische Englisch, da diese Phänomene oftmals vernachlässigt werden.

Der keltischen Literatur ist der nächste Abschnitt gewidmet. Die hier aufgenommenen Kapitel haben durchaus unterschiedliche Konzepte. So liefert zum Beispiel das Kapitel zur anglo-irischen Literatur (S. 311 ff.) eine Übersicht über wichtige Autoren, während andere Kapitel, wie das über die schottisch-gälische Literatur (S. 322 ff.), die einzelnen Literaturgattungen und deren Entwicklung genauer beleuchtet. Die folgenden 24 Seiten erörtern die keltische Religion: Anhand der äußerst geringen Seitenzahl kann man deutlich erkennen, welchen Stellenwert dieses Thema bei einem Studium der Keltologie einnimmt. Vor allem die Druiden und Barden, ein bedeutender und oft von der Populärliteratur missbrauchter Aspekt der keltischen Religion, werden nur in Nebensätzen gestreift.1 Trotz der Kürze veranschaulicht das Kapitel aber die Kontroversen in der Forschung zu den antiken keltischen Religionsformen.

Wesentlich ausführlicher wird das keltischen Recht dargestellt: In diesem Abschnitt werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Insel- und Festlandkelten hervorgehoben; auch der besondere Rechtstatus der Isle of Man findet eine detaillierte Behandlung. Der keltischen Musik ist ebenfalls ein Kapitel gewidmet, in dem natürlich moderne Zeugnisse eine übergeordnete Rolle spielen. Der Versuch einer Beschreibung antiker keltischer Musik kann somit nur theoretischer Natur sein, wohingegen ausführlich auf mittelalterliche und moderne Musikformen eingegangen wird. Eine wichtige Rolle spielen dabei naturgemäß die benutzten Instrumente, die in den Kapiteln stets erwähnt und erklärt werden. Der letzte Teil des Buches widmet sich der keltischen Kunst, wobei man hierbei unverständlicher Weise einzig auf die zweifellos bedeutende christliche Kunst Irlands eingeht. Auch wenn im Abschnitt zur keltischen Archäologie auch antike Kunststile behandelt werden, hätte hier eine weniger archäologische und mehr kunsthistorische Betrachtung der Kunstwerke den Abschnitt vollständiger erscheinen und das Buch insgesamt abrunden können. In Form eines Nachtrages wird auf den wichtigen Punkt der Keltenrezeption eingegangen, wobei auch die in der Moderne verankerten Topoi zu den Kelten betrachtet und genauer untersucht werden.

Man muss den Autoren bescheinigen, dass sie das vordefinierte Ziel, ein Studienbuch zu schaffen, mit Bravour erfüllt haben. Die Aufsätze informieren übersichtlich über den aktuellen Stand der Forschung. Jeder, der sich mit Keltologie beschäftigen will, findet mit diesem Buch einen exzellenten Einstieg in die Materie. Die stets ausführlichen Literaturangaben ermöglichen ein effektives Weiterarbeiten am Thema. Leider hat man den Autoren offensichtlich keine konkreten Vorgaben über den Aufbau ihrer Aufsätze gemacht, so ist das Erscheinungsbild der Arbeiten teilweise äußerst unterschiedlich. Auch verzichten die meisten Autoren leider auf Fußnoten. In einigen Aufsätzen wird sehr intensiv mit Schriftformatierung gearbeitet, was nicht jedermanns Sache ist. Zusammenfassend kann man dieses Buch uneingeschränkt empfehlen. Es möge der Wunsch des Herausgebers in Erfüllung gehen, dass Universitäten den Sinn interdisziplinärer Studienfächer erkennen und solche fördern und nicht einsparen (S. 8f.).

Anmerkung:
1 Die Barden werden allerdings bei der Betrachtung der keltischen Literatur etwas genauer vorgestellt.

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