L. Schmugge u.a. (Hgg.): Repertorium Poenitentiariae Germanicum VI

Titel
Repertorium Poenitentiariae Germanicum. Bd VI. Sixtus IV. (1471-1484). Verzeichnis der in den Supplikenregistern der Pönitentiarie Sixtus' IV. vorkommenden Personen, Kirchen und Orte des Deutschen Reiches 1471-1484


Herausgeber
Schmugge, Ludwig; Marsch, Michael; Mosciatti, Alessandra
Erschienen
Tübingen 2005: Max Niemeyer Verlag
Anzahl Seiten
2 Teile, 948 + 468 S.
Preis
€ 285,10
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christina Deutsch, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

Die Bestände des lange als verloren geltenden Archivs der päpstlichen Pönitentiarie sind der Forschung seit 1983 zugänglich; 1992 beschloss das Deutsche Historische Institut in Rom, das Repertorium Poenitentiariae Germanicum (RPG) analog zum Repertorium Germanicum herauszugeben und schon vier Jahre später erschien die erste Publikation dieser Reihe (RPG IV), die ‚deutschen’ Supplikenregister des Pontifikats Pius’ II. (1458-1464). Innerhalb der nächsten sechs Jahre folgte die Veröffentlichung der unter den Päpsten Eugen IV. (1431-1447, RPG I), Nikolaus V. (1447-1455, RPG II), Calixt III. (1455-1458, RPG III) und Paul II. (1464-1471, RPG V) geführten Pönitentiarieregister. Damit hatte das unter Federführung von Ludwig Schmugge vorangetriebene Großprojekt der wissenschaftlichen Forschung in kürzester Zeit gut 40 Jahre kurialer Supplikenpolitik zugänglich gemacht, eine beeindruckende Leistung, die mehr als einmal ihre angemessene Würdigung gefunden hat.1

Der nunmehr vorliegende sechste RPG-Band bietet die ‚deutschen’ Belange in den Supplikenregistern des Pontifikats Sixtus’ IV. (1471-1484). Mit der Erschließung der Register war 1998 begonnen worden, doch erforderte der zwar nicht längste aber mit am besten dokumentierte 13-jährige Papat des Francesco della Rovere sowie die durchaus intensive Nutzung der Pönitentiarie durch ‚deutschen’ Supplikanten einen erheblichen Arbeitsaufwand.2 Insgesamt 13 Bände, deren Umfang zwischen 209 und 307 Papierfolia schwankt (S. XII-XX) galt es, für die Veröffentlichung aufzubereiten. Das RPG VI umfasst 7.478 Einträge, die der spätestens seit dem Pontifikat Pius’ II. gebräuchlichen Einteilung nach Materien folgt, wobei die Supplikenregister unter Sixtus IV. ungefähr das anderthalbfache Volumen seiner zwei unmittelbaren Vorgänger, die allerdings nur sechs bzw. sieben Jahre amtierten, erreichten.

Die Materien, bezüglich derer die Supplikanten um Dispens baten, wurden wie üblich unter De matrimonialibus, De diversis formis, De declaratoriis, De defectu natalium, De uberiori, De promotis et promovendis sowie De confessionalibus verzeichnet; die Kategorie De sententiis generalibus entfiel hingegen. Den größten Anteil an den eingereichten Suppliken hatten unter Sixtus IV. – wie schon unter Paul II. und Pius II. – mit ca. 28 Prozent die Geburtsmakeldispense (De defectu natalium). Diese „typische serielle Quelle“ (S. XXII) wird, wie schon in den vorherigen Bänden, sehr stark verkürzt wiedergegeben, bietet jedoch zusammen mit den so genannten erweiterten Geburtsmakeldispensen (De uberiori) einen zum Teil detaillierten Blick auf den Pfründenmarkt in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Ebenso häufig wie unter seinen unmittelbaren Amtsvorgängern wurden Suppliken, die unter De diversis formis subsumiert wurden, an Papst Sixtus IV. respektive die Pönitentiarie gerichtet. Von den 1414 Einträgen beziehen sich immerhin 25 auf die Dekretale Perniciosam Sixtus’ IV. und deuten damit die Auswirkungen päpstlichen Dekretalenrechts auf die Rechtswirklichkeit der spätmittelalterlichen Amtskirche an. Ein deutlicher prozentualer Zuwachs ist hingegen bei den Ehedispensen zu verzeichnen, deren Anteil von ca. 20 Prozent unter Pius II. und Paul II. auf gut 27 Prozent unter Sixtus IV. anstieg. Deutlich wird die regional stark differierende Inanspruchnahme der Pönitentiarie. So zeigt ein grober Überblick, dass neben Einwohnern der Konstanzer, als flächenmäßig größter ‚deutscher’ Diözese, vor allem Bewohner der vergleichsweise dicht bevölkerten Bistümer Utrecht, Augsburg, Straßburg, Speyer und Trier um Ehedispense ersuchten, während etwa die Diözesen Magdeburg oder Regensburg nur höchst selten als Herkunftsorte genannt werden. Die weiteren Materien sind in etwa in der Häufigkeit – jeweils deutlich unter 10 Prozent – vertreten, die schon unter den Päpsten Pius II. und Paul II. zu verzeichnen gewesen ist.

Lassen sich anhand der Zusammenstellung nach Materien selbst graduelle quantitative Veränderungen im Nutzungsverhalten der Supplikanten im RPG VI recht mühelos feststellen, seien die NutzerInnen des Repertoriums bezüglich der personellen Struktur der Pönitentiarie ausdrücklich an die Einleitung des ersten Bandes (S. XXIV-XXX) sowie den Index „Signatare und Auditoren“ (Bd. 2, S. 250-253) verwiesen. Die dort ausgewiesene Anzahl der Einträge gewährt einen ersten Überblick über die Auslastung der Großpönitentiare, Regenten und Auditoren. Deutlich tritt hier Julianus de Ruvere, Kardinalnepot und späterer Papst Julius II. (gewählt am 1. November 1503) als Großpönitentiar hervor, signierte er doch zwischen 1471 und 1484 insgesamt 1.087 Suppliken, während der 1476 verstorbene Philippus Calandrini, der seit 1458 als Großpönitentiar amtierte, unter Sixtus IV. lediglich 182 Signaturen ausfertigte. Unter den Regenten weisen Antonius Maria Parentucelli mit 3.283 und Julianus de Matteis de Vulterris mit 1.904 Signaturen die höchste Auslastung auf. Sixtus IV. signierte lediglich drei der Suppliken, davon betrafen zwei Ehesachen, deren Kompensation aufgrund der Bedürftigkeit der Bittsteller ausgesetzt werden sollte, sowie den angestrebten Ordenswechsel eines Religiosen. Zu erwähnen ist die Tätigkeit Antonius’ de Flisco, der lediglich 16-mal zwischen dem 3. und 12. Juli 1476 signierte, da die Kurie aufgrund der Pest Rom verlassen hatte und offenbar zur Bewältigung der Gesuche entsprechende Kompetenzen auf weitere Personen übertrug.

Die hier nur stichwortartig genannten Befunde können das überaus reiche dargebotene Material freilich nur rudimentär skizzieren, zumal sich die Forschung seit Erscheinen der ersten RPG Publikation 1996 nicht nur auf die quantitative Auswertung der seriellen Materien De matrimonialibus oder De defectu natalium konzentriert, sondern sich auch den zum Teil recht komplexen Rechtsfällen der unter De diversis formis verzeichneten Einträge widmet. Die gezielte Auswertung des Textteils wird durch die umfangreichen Indizes ohne Zweifel erleichtert, doch weisen die Bearbeiter ausdrücklich darauf hin, dass eine „Garantie für deren Vollständigkeit“ (Bd. 2, S. VII) nicht gegeben werden kann – und letztlich auch nicht gegeben werden muss, lassen doch selbst bei seriellen Quellen die Varianten in den zugrunde liegenden Formularen eine strikte Vereinheitlichung kaum zu. Zudem würde die ausführliche Wiedergabe der Belegstellen bei einigen Lemmata (matrimonialis, matrimonium, 1.691 Belege; Bd. 2, S. 420) ohne Zweifel den Rahmen des Zumutbaren, sowohl für den Bearbeiter als auch für den Nutzer des RPG VI sprengen, auch wenn Verweise auf sachverwandte und detaillierter aufgeschlüsselte Lemmata (consanguinitas, Bd. 2, S. 375-377) wünschenswert wären. Die vor allem angesichts des umfangreichen Quellenmaterials gebotene unbestreitbar hohe Qualität der Publikation wird durch solch kleinliche Wünsche freilich keinesfalls tangiert.

Insgesamt bietet das vorliegende RPG VI in der bereits bewährten Form einen außerordentlichen und zuverlässigen Einblick in die ‚deutschen’ Belange der Pönitentiarie unter Papst Sixtus IV. Bleibt den Bearbeitern des in Vorbereitung befindlichen Bandes RPG VII, Innozenz VIII. (1484-1492), allen voran Ludwig Schmugge, zu wünschen, dass ihre Arbeit weiterhin so üppige Früchte tragen möge.

Anmerkungen:
1 Vgl. u.a. die Rezensionen von Millet, Hélène: Repertorium Poenitentiariae Germanicum. Pius II. (1458-1464), in: Francia 25,1 (1998), S. 387-389; Schwarz, Brgide: Repertorium Poenitentiariae Germanicum. Calixt III. (1455-1458), in: Zeitschrift für historische Forschung 30 (2003), S. 478-480.
2 Der Pontifikat Eugens IV. (1431-1447) währte 16 Jahre, doch ist für diese Periode lediglich eine fragmentarische Überlieferung erhalten, die den Zeitraum zwischen dem 9. Mai 1432 und dem 1. März 1443 umfasst; vgl. RPG I, Tübingen 1998, S. IV.

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