M. Persch u.a. (Hgg.): Bistum Trier

Titel
Geschichte des Bistums Trier. Bd. 5: Beharrung und Erneuerung 1881-1981


Herausgeber
Persch, Martin; Schneider, Bernhard
Reihe
Veröffentlichungen des Bistumsarchivs Trier 39/5
Erschienen
Anzahl Seiten
781 S.
Preis
€ 39,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Helmut Rönz, Abteilung Stadtgeschichte, Amt für rheinische Landeskunde

Eine Bistumsgeschichte ist immer ein unerhört großes Vorhaben mit zahlreichen Unwägbarkeiten und breiter Fragestellung. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich bei dem Objekt um ein Bistum handelt, welches mit seinen knapp 1.700 Jahren der Tradition nach nicht nur das älteste im deutschsprachigen Raum ist, sondern auch eines der geschichtsträchtigsten und – zumindest zeitweise – mächtigsten. Denn es war eines der drei rheinischen (Erz-)Bistümer, deren Oberhirten als Kurfürsten des Reiches die Wahl des Königs nicht erst seit 1356 entscheidend beeinflussten. Der weitsichtigste und reichspolitisch einflussreichste Hirte auf dem Stuhl des Heiligen Eucharius war ohne Zweifel Balduin von Luxemburg, der nicht nur eine groß angelegte Burgen- und Territorialpolitik für das Erzstift forcierte, sondern 1308 auch die Wahl seines Bruders, des Grafen Heinrich von Luxemburg, auf den Königsthron veranlasste. Dies wiederholte er 38 Jahre später mit seinem Großneffen Karl. Balduin war somit zentraler Beförderer der bedeutenden Dynastie der Grafen von Luxemburg. Von diesem Ruhm und Glanz des Trierer Erzstuhls war allerdings im Untersuchungszeitraum des fünften Bandes der Trierer Bistumsgeschichte nicht mehr viel vorhanden – zumindest nicht vom materiellen bzw. politischen Aspekt her. Stattdessen war die Metropolitankirche 1802 bzw. endgültig 1821 zu einem einfachen Bistum „degradiert“ und großer Teile ihrer Seelsorgegebiete in Belgien, Frankreich, Luxemburg und Hessen beraubt worden. Ein weiterer materieller wie pastoraler Tiefpunkt war der Kulturkampf, der Trier besonders heftig traf und eine mehrjährige Sedisvakanz zur Folge hatte. Erst 1881, fünf Jahre nach dem Tod des hochverehrten Kulturkampfbischofs Matthias Eberhard, erhielt die Ecclesia Treverorum mit dem Elsässer Michael Felix Korum einen neuen, in Berlin misstrauisch beäugten Bischof, der unverzüglich aus einer strengkirchlichen Position heraus in die Auseinandersetzungen mit dem Bismarckstaat eingriff, diesen jedoch als Bischof um fünf Jahre überleben sollte. Somit war das Jahr 1881, in dem dieser fünfte Band einsetzt, ein – wenn auch kleiner – Hoffnungsschimmer für die Kirche an Rhein und Mosel und ein logisches Umbruchsjahr. Der Band endet mit dem Jahr 1981, in dem mit Hermann Josef Spital ebenfalls ein neuer Bischof eingeführt wurde; zudem soll das Jahr nach dem Dafürhalten der Herausgeber als Zäsurjahr gelten, als ortskirchliches Abschlussjahr des Zweiten Vatikanischen Konzils (S. 17).

In die hundert Jahre zwischen 1881 und 1981 fielen kirchenpolitisch so wichtige Ereignisse wie der Gewerkschaftsstreit, die Auseinandersetzung mit dem Modernismus, Nationalsozialismus und Kirchenkampf, die für Trier besonders bedeutende mehrfach gestellte Saarfrage, schließlich das Zweite Vatikanum sowie die moderne Glaubenskrise seit den beginnenden 1960er-Jahren. Ebenso wichtig für das Verständnis der geschichtlichen Entwicklung eines Bistums sind allerdings auch die Strukturfragen, die Fragen nach Personen und Gremien, Seelsorgestrukturen, Verbänden und Partnerschaften, sowie nach Sakramentenpflege, Liturgie, Katechese, allgemein nach dem kirchlichen Leben. Diesem breiten Spektrum entspricht die Struktur des Bandes, der sinnvollerweise in drei Großabschnitte aufgeteilt ist. Im Teil A werden Rahmenbedingungen, Strukturen und Institutionen der Diözese vorgestellt. Hierunter verstanden die Herausgeber sowohl einen wirtschafts-, sozial- und bevölkerungsgeschichtlichen Überblick über die 100 Untersuchungsjahre wie auch die Vorstellung der vier Bischöfe, der Bistumsverwaltung, der Dekanate und Pfarreien. In einem weiteren Unterabschnitt wird das Bistum als Teil der Weltkirche betrachtet, sowie als aktiver Motor bundesdeutscher Reformbestrebungen. Auch der Partnerschaft mit dem Land Bolivien wird adäquater Raum beigemessen.

Im Teil B wird der Fokus auf das kirchliche Leben sowie die religiöse Praxis gerichtet. Darunter verstehen die Herausgeber vor allem die religiösen Berufe und Berufungen bzw. deren Vertreter (Klerus, Orden, Laienberufe), die Liturgie, Frömmigkeitsformen, Katechese und Pastoral, Caritas aber auch Ökumene, interreligiöser Dialog sowie Kunst und Kultur sowohl innerhalb als auch im Dialog mit der Kirche.

Der Teil C beschäftigt sich mit einzelnen Problemen und Ereignissen, so dem Gewerkschaftsstreit vor dem Hintergrund der Arbeiterfrage, mit dem Modernismus, dem Kirchenkampf, der Saarfrage, der bundesrepublikanischen Geschichte der Diözese, dem Zweiten Vatikanum sowie der zentralen Trierer Wallfahrt, der auch politisch immer bedeutsamen und mitunter brisanten Heilig-Rock-Wallfahrt, die im Untersuchungszeitraum dreimal stattfand (1891, 1933 und 1959) und ganz andere politische Assoziationen hervorrief als jene heftig umkämpfte Wallfahrt von 1844. Im Beitrag zum Zweiten Vatikanum wurde naturgemäß der Schwerpunkt auf die Liturgiereform gelegt, die durch Trierer Theologen, erwähnt seien vor allem Balthasar Fischer und Prälat Johannes Wagner, forciert und theoretisch grundgelegt wurde. Wie groß die Bedeutung der Trierer Liturgiewissenschaft (Liturgisches Institut) war, wird eindrucksvoll von Andreas Heinz dargelegt (S. 731-749).

Der Band wird abgerundet durch ein ausführliches Personenregister, ein Orts- sowie ein Sachregister. Für die 30 Beiträge zeichnen insgesamt 21 Autoren/innen verantwortlich, die meist mit eigenen jüngeren Arbeiten den jeweiligen Forschungsstand repräsentieren, aber auch durch ihre Ämter an den Ereignissen federführend mitwirkten, so dass die Beiträge zuweilen einen authentischen Zug erhalten. Es ist ohne Zweifel von Vorteil und als ein Erfolg der Herausgeber zu werten, dass nicht ausschließlich Fachhistoriker sondern auch Akteure des kirchlichen Geschehens als Autoren herangezogen wurden (etwa S. 166-173). Das Ziel, den aktuellen Forschungsstand in gut lesbarer Form wiederzugeben ist ohne Zweifel erreicht worden. Allerdings ist dieser Forschungsstand zum Teil bereits einige Jahrzehnte alt und lückenhaft. So wurden beispielsweise im Kapitel B 1 (Diözesanklerus) die alten, verhängnisvollen, auf Rechenfehler basierenden Zahlen und Wertungen aus dem Schematismus von 1912 zwar nicht mehr tradiert sondern neu berechnet, aber im Gesamtkontext der Bände vier und fünf der Bistumsgeschichte einer problematischen, weil der Ordensgeschichte nicht Rechnung tragenden Bewertung unterzogen. Ebenso wurden die sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Hintergründe des Klerus, vor allem aufgrund der schlechten Quellenlage, nur andeutungsweise behandelt. Auch scheinen so manche Formulierungen mitunter zu apologetisch, etwa wenn es um die Verdienste der Trierer Theologen um die nicht einmal ansatzweise hinterfragte Liturgiereform geht; jene Reform, die heute wieder in der Diskussion steht, und die vom damaligen Kardinal Ratzinger (Benedikt XVI.) eine „gemachte“ genannt wurde. Die Kirchenkrise wird thematisiert und anhand der bekannten Probleme (fehlender Priesternachwuchs, rückläufiger Messbesuch, Austrittswellen, Kirchensteuerrückgang) durchbuchstabiert; allerdings fehlen auch hier die kritischen Fragen an die Kirche des 20. Jahrhunderts nach den Gründen für die Misere und möglicherweise nach den Fehlern der handelnden Persönlichkeiten in schwarz, violett, rot und zivil in allzu hektischer, zuweilen voreilig erscheinender Umbruchszeit. Doch dies sind im Vergleich zur Großleistung Marginalien. Trotz der genannten Kritikpunkte ist den Autoren/innen und besonders den unermüdlichen Herausgebern Martin Persch und Bernhard Schneider ein großer Wurf gelungen. Mit dem jetzt dritten erschienen Band (die Bände zwei und drei sollen 2006/07 publiziert werden) hat das Bistum Trier Maßstäbe bei der Darstellung seiner Geschichte gesetzt, zu denen es nur beglückwünscht werden kann. Auffällig ist hierbei nicht nur die gute, fast fehlerfreie Redaktion, sondern auch die trotz der Vielzahl der Autoren/innen durchgängig sinnvolle Komposition der Bände, die beispielsweise den Vergleich der Ergebnisse für das 19. Jahrhundert mit denen des 20. Jahrhundert fruchtbringend zulassen. Insbesondere auch die schnelle Abfolge, mit der die Bände erscheinen, nötigt Historikern/innen größten Respekt ab, denn nicht jedes rheinische Bistum schafft es, innerhalb von gut sechs Jahren durch fünf ebenso voluminöse wie qualitätvolle Bände umfassend Rechenschaft über die eigene Geschichte abzulegen.