H. Rüthing (Hg.): Die Chronik Bruder Göbels

Cover
Titel
Die Chronik Bruder Göbels. Aufzeichnungen eines Laienbruders aus dem Kloster Böddeken 1502 bis 1543


Herausgeber
Rüthing, Heinrich
Erschienen
Anzahl Seiten
544
Preis
€ 49,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Gudrun Gleba, Oldenburg

Heinrich Rüthing bringt seinem Protagonisten, dem Laienbruder Göbel aus dem westfälischen Kloster Böddeken, nach jahrzehntelanger Beschäftigung mit und Auswertung von dessen Aufzeichnungen, wie sie an verschiedenen Stellen veröffentlicht sind, große Sympathie entgegen. Doch er hat ihm mit dieser Edition nicht nur ein würdiges Denkmal gesetzt, sondern vor allem auch für zahlreiche Forschungsfragen neues und in bester Weise aufbereitetes Quellenmaterial zur Verfügung gestellt.

In der Einleitung zeichnet Rüthing den Werdegang, insbesondere den Bildungshorizont seines Protagonisten nach, der eigentlich mit vollen Namen „Gobel Schickenberges van Colne“ hieß, sich selbst aber fast ausschließlich „Gobel van Collen“ nannte, und skizziert die Rezeptionsgeschichte seiner Werke. Nur ganz knapp geht er auf die Bedeutung Böddekens als westfälisches Reformkloster des 15. Jahrhunderts und Mitglied der Kongregation der Augustinerchorherren von Windesheim und Zentrum reformerischer Gelehrsamkeit ein. Dieses Themas hat Rüthing an anderer Stelle ausführlich bearbeitet; hier ist es nicht sein Anliegen. Er benennt vorangegangene ältere Teileditionen, beschreibt die äußere Form der dann edierten Aufzeichnungen und erläutert die Grundsätze, nach denen die Edition entstand. Innerhalb der Edition hält er sich streng an einen ausschließlich erklärenden, nicht interpretierenden, aber durchaus umfang- und hilfreichen Sachkommentar, der durch ein Itinerar Bruder Göbels für die Jahre 1515-1517 und ein ebenfalls breit angelegtes Glossar ergänzt wird. Dazu kommen mehrere Abbildungen von einigen Seiten der Handschrift, die eine Tatsache sehr deutlich machen: Dass nämlich auch die beste Edition die Individualität des Originals auch bei exaktester Beschreibung nicht einholen kann. Ein Quellen- und Literaturverzeichnis, ein Personen- und Ortsregister sowie ein Themen- und Sachregister, ein Verzeichnis der Böddeker Prioren, Subprioren und Prokuratoren und eine Karte, in der die in der Chronik mehrfach genannten Orte verzeichnet sind, erleichtern die weitere Arbeit am Text und verweisen auf bereits bearbeitete Themen.

Das, worauf Rüthing in seiner Einleitung hinweist, bestätigt sich schon beim ersten Durchblättern: Der Laienbruder Göbel ‚wächst’ im Laufe seiner Arbeit vom Abgabenschreiber zum Chronisten und liefert den LeserInnen, je intensiver er sich in die Aufzeichnungen einliest, ein sehr individuelles Zeugnis, einen Blick auf die Welt aus der Perspektive eines Laien, der aber gleichzeitig völlig in monastisches Denken eingebunden war. So bedient diese Edition mehrere Forschungszweige und wird gewiss dort dankend für weitere Fragestellungen rezipiert werden, wobei sich die Edition mit Sicherheit auch hervorragend für den Einsatz in universitären Seminaren mit entsprechenden Themen eignet:

Die Aufzeichnungen zu Abgaben und Dienstleistungen umliegender Dörfer und Hofstellen bieten einen Einblick in spätmittelalterliche klösterliche Agrarorganisation inklusive der gängigen regionalen Währungs- und Maßeinheiten, verweisen auf die Beziehungsgeflechte zwischen Kloster und Abgabepflichtigen, erfassen Art und Ausdehnung des wirtschaftlichen Umfelds des Klosters und geben zahlreiche Hinweise auf Sachkulturgüter. Die oftmals als eher spröde eingestuften Rechnungsbücher erweisen sich hier wieder einmal für das späte Mittelalter als ausgesprochen informative und in ihren Bearbeitungsmöglichkeiten längst nicht ausgeschöpfte Quellenkonvolute.

Die chronikalischen, im Laufe der Aufzeichnungen immer umfangreicheren Passagen berichten aus der Umbruchszeit der Reformation, lassen Rückschlüsse auf kleine Sorgen und fundamentale Ängste zu, zeichnen Göbels Beziehungen zu seiner Gemeinschaft ebenso wie seinen Blick auf die übrige Welt nach und bieten des Weiteren Einschätzungen zu landesgeschichtlichen Entwicklungen aus klösterlicher Sicht. Sie sind von daher Selbstzeugnisse bzw. Ego-Dokumente ersten Ranges.

Den vielen weiteren, über die genannten Punkte hinausgehenden Attraktivitäten der Aufzeichnungen Bruder Göbels sollte künftig jeder Interessierte selbst nachspüren. Es lohnt sich!

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