G. Krüger: "Wir sind doch kein exclusiver Club!"

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Titel
"Wir sind doch kein exclusiver Club!". Die Bundespressekonferenz in der Ära Adenauer


Autor(en)
Krüger, Gunnar
Erschienen
Münster 2005: LIT Verlag
Anzahl Seiten
II, 237 S.
Preis
€ 19,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Daniela Münkel, Historisches Seminar, Universität Hannover

Die Bundespressekonferenz (BPK) war und ist unbestritten ein wichtiges Forum im Spannungsfeld von Politik, Öffentlichkeit und Medien. Sie spiegelte und spiegelt journalistisches Selbstbewusstsein wider: Hier kommen die Politiker zu den Journalisten und nicht die Journalisten zu den Politikern. Als wichtiger Transmissionsriemen zwischen Politik und Öffentlichkeit bietet sich die Bundespressekonferenz allemal als lohnender Untersuchungsgegenstand an, wenn man wie der Autor der Studie eine „Teiluntersuchung zum Verhältnis zwischen Politik, Öffentlichkeit und Medien in Bonn während der Regierungszeit Konrad Adenauers“ vorlegen möchte.

Dabei steht für Gunnar Krüger die Frage nach der „Modernisierung“ des Vereins der Bundespressekonferenz in den 1950er-Jahren im Mittelpunkt. Dabei werden Konflikte zur Regierung Adenauer auf der einen Seite sowie gesellschaftliche Konflikte innerhalb der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit auf der anderen Seite untersucht. Es stellt sich die Frage, ob der gewählte Modernisierungsansatz sinnvoll ist, oder ob nicht auf diese Weise ein wichtiges Thema verfehlt angegangen wurde. Letzteres liegt nahe, denn die Analyse des Verhältnisses von Politik, Medien und Öffentlichkeit in den ersten Nachkriegsdekaden ist vor allem vor dem Hintergrund der zunehmenden Demokratisierung und der Herausbildung einer kritischen, liberalen Öffentlichkeit jenseits der Brüche von „Spiegel-Affäre“ und „1968“ von Interesse. Wer sich über die Rolle der Bundespressekonferenz und ihrer Mitglieder in diesem Prozess in den 1950er-Jahren Aufschlüsse erwartet, wird enttäuscht sein.

Das Buch gliedert sich in sechs Kapitel, wobei die ersten beiden „Zwischen Modernisierung und Restauration: Publizistische Konflikte“ (Kapitel 1) und „Politik, Öffentlichkeit und Medien: Akteure und Institutionen“ (Kapitel 2) eher einer traditionellen Einleitung entsprechen. Hier werden die Fragestellung, die theoretischen Grundlagen, die Vorgehensweise sowie die zentralen „Akteure“ wie Bundesregierung, „medienpolitische Öffentlichkeit“ und die Institution Bundespressekonferenz näher erläutert. Daran schließt sich das dritte Kapitel „Vorläufer und Gründung der Bundespressekonferenz“ an. Das vierte und fünfte Kapitel, „Kooperation und Konflikt: Die Bundespressekonferenz und die Bundesregierung in der Ära Adenauer“ sowie „Pflicht zur Positionierung: Die Bundespressekonferenz in der Öffentlichkeit“, befassen sich dann mit der eigentlichen Fragestellung der Studie. Abgeschlossen wird die Untersuchung unter der Überschrift „Bewahrerin der Tradition und Motor der Modernisierung: Die Bundespressekonferenz in der Ära Adenauer“ (Kapitel 6).

Im dritten Kapitel legt der Autor die Kontinuitätslinien der Pressekonferenz seit der Weimarer Republik offen. Eine Kriegsinstitution, die vom Generalstab des Heeres im Jahr 1914 ins Leben gerufen wurde, erfuhr unter den neuen politischen Bedingungen von Revolution und Demokratie einen Bedeutungswandel. Dieser kam auch in der Tatsache zum Ausdruck, dass seit November 1918 die Berliner Korrespondenten bei den Pressekonferenzen erstmals selbst den Vorsitz übernahmen und dem Regierungssprecher und den Politikern nur Gastrecht einräumten. Diese Demonstration neuen journalistischen und demokratischen Selbstbewusstseins war in ganz Europa eine singuläre Erscheinung. Während der NS-Zeit wurde die Pressekonferenz im Rahmen Goebbelscher Propaganda als reines Verlautbarungsorgan der Regierung und zur „Befehlsausgabe“ an die Journalisten instrumentalisiert. Nach 1945 knüpfte man allerdings wieder an die Tradition der Weimarer Republik an; erst beim Wirtschaftrat in Frankfurt und ab dem 19. September 1949 in der neuen Bundeshauptstadt Bonn.

Im vierten Kapitel geht es dann um die Frage, ob die „Restauration eines Weimarer Modells auch eine modernisierende Wirkung entfalten“ konnte. Dies wird anhand von zwei „Konflikten“ konkretisiert: der Mitgliederpolitik der BPK sowie den Auseinandersetzungen um die Rolle der BPK am „Informationsplatz“ Bonn. Hier geht es vor allem um die Abwehr der Einflussnahme des Bundespresseamtes auf die BPK, wobei der Autor sehr deskriptiv und detailverliebt vorgeht. Dass Bundeskanzler Adenauer nicht viel von Journalisten hielt und meinte, dass sie primär dem Zweck zu dienen hätten, seine Regierungspolitik in gutem Licht in der Öffentlichkeit erscheinen zu lassen, ist hinlänglich bekannt. Gleiches gilt für die Tatsache, dass er trotz dieser medienkritischen Töne um die herausragende Rolle der Massenmedien bei der Macht-erlangung und beim Machterhalt von Politikern in der bundesdeutschen Nachkriegsdemokratie nicht nur wusste, sondern dieses Wissen auch in praktische Politik umsetzte, indem er versuchte, möglichst viel Einfluss auf die Berichterstattung der Medien zu bekommen. Dieser Aspekt wird zwar angesprochen, bleibt aber insgesamt erstaunlich blass.

Das fünfte Kapitel widmet sich dem Verhältnis der Bundespressekonferenz zur Öffentlichkeit. Der Autor geht wieder exemplarisch vor, in dem er zwei Fallbeispiele untersucht, „in denen die Bundespressekonferenz erst durch die Öffentlichkeit Gegenstand und/oder Akteurin in einem publizistischen Konflikt wurde“. Dies betraf einmal die Diskussionen um den Umgang mit der NS-Vergangenheit. Zunächst hebt der Autor, die großen personellen Kontinuitäten zum „Dritten Reich“, die in den bundesdeutschen Nachkriegsmedien allenthalben zu finden sind, hervor. Diesen Umstand setzt er jedoch nicht in Zusammenhang mit der Auseinandersetzung der BPK mit der NS-Vergangenheit, die zunächst nur zögerlich, dann allerdings parallel zur allgemeinen vergangenheitspolitischen Trendwende seit 1959 verstärkt erfolgte. Das zweite Beispiel betrifft die Auseinandersetzungen um die Mitgliedschaft von DDR-Korrespondenten in der BPK, die im November 1961 mit deren Ausschluss endete. Hier erwiesen sich Vorstand und Mitglieder der BPK als „Kalte Krieger“, die in vorauseilendem Gehorsam handelten.

Im kurzen zusammenfassenden Schlusskapitel resümiert Gunnar Krüger ein ambivalentes Ergebnis in punkto „modernisierender“ Wirkung der BPK. Einerseits habe sie in der Ära Adenauer so gewirkt, weil sie eine „demokratisierende Funktion“ gehabt habe. Andererseits kann ihr Handeln in der Frage des Umgangs mit der NS-Vergangenheit und den DDR-Journalisten nicht als „modern“ gewertet werden. Ein anderer theoretischer Ansatz hätte solche wenig aussagekräftigen Resümees wohl verhindern können. Dass sich die Anmerkungen am Ende des Buches befinden, ist genauso störend, wie das äußerst lückenhafte und reduzierte Literaturverzeichnis. Als Fazit bleibt: ein wichtiges Thema, das leider nicht überzeugend bearbeitet wurde.

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