Titel
Medieval Justice – Cases and Laws in France, England and Germany, 500-1500.


Autor(en)
Janin, Hunt
Erschienen
Jefferson, NC 2004: McFarland Publishers
Anzahl Seiten
vi + 225 S., 60 Abb.
Preis
$45.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Petra Schulte, Historisches Seminar, Universität zu Köln

„Justice“, so konstatiert Janin Hunt in seinem Vorwort, habe viele Bedeutungen. Eine besonders hilfreiche Definition gebe der französische Jurist Jean le Boutillier († 1395) in der „Somme rurale“: „Justice, according to the written law, is a constant und perpetual determination to give everyone his due“. (S. 1) Rein formal ist unklar, warum Janin nicht direkt die berühmte Digestenstelle zitiert.1 Und inhaltlich bleibt unverständlich, weshalb Janin seinem Buch ein Zitat voranstellt, auf das er nicht wieder zurückkommt. Denn er widmet sich nicht der Gerechtigkeit, sondern der Gesetzgebung und Rechtsprechung. Nun sind die Phänomene nur schwer voneinander zu trennen und legt zudem der englische Begriff „justice“, der die Idee der Gerechtigkeit ebenso wie die Rechtspflege umfasst, eine gesonderte Betrachtung nicht nahe. Aber die Überlegung, wann das suum cuique tribuere auf welche Weise gedeutet wurde, hätte Berücksichtigung in einem Buch verdient, das „Medieval Justice“ in Frankreich, England und Deutschland im Zeitraum zwischen 500 und 1500 behandelt. Darf dieser Vorwurf gegenüber einer Darstellung erhoben werden, die sich explizit nicht an Fachleute richtet und auf „akademische Haarspaltereien“ (S. 1) verzichten möchte? Deren Ziel es ist, interessierten Laien – denen Janin durch die Beifügung einer entsprechenden Karte sogar die Kenntnis der heutigen Grenzverläufe und Hauptstädte der von ihm behandelten Länder abspricht – in aller Einfachheit und Klarheit die Komplexität mittelalterlicher Rechtssysteme vorzustellen und ihnen durch die Präsentation von einzelnen Gesetzen und Prozessen „a flavor of daily life in the Middle Ages“ (S. 9) zu vermitteln? Die Antwort muss wohl positiv ausfallen. Gerade Autoren, die sich an ein breites Publikum wenden, tragen eine besondere Verantwortung hinsichtlich der Richtigkeit und Schlüssigkeit ihrer Texte.

Mit dem Anspruch, mittelalterliche Rechtsgeschichte nicht nur anschaulich vermitteln zu wollen, sondern darüber hinaus eine Gesamtdarstellung zu verfassen, die in der englisch- und französischsprachigen Forschungsliteratur bislang fehle (S. 9), hat Janin ein zweites ehrgeiziges Ziel formuliert. Keines von beiden erreicht er letztlich. Da sich durch den Text keine Leitfrage zieht, Zusammenhänge und Hintergründe nicht erörtert werden und wissenschaftliche Kontroversen unberücksichtigt bleiben, bietet das Buch keinen geschlossenen Überblick über das Thema. Für die universitäre Lehre und Forschung ist es tatsächlich kaum geeignet. Aber auch den interessierten Laien, die der Autor bei der Niederschrift vor Augen hatte, bringt es aus denselben Gründen wenig Gewinn. Janin hat seine Darstellung in zwölf Kapitel unterteilt, die je einen eigenen thematischen Schwerpunkt – etwa „Justice in the Early Middle Ages“, „Feudalism and Justice in Medieval France“, „Medieval Crime“ oder „Justice in Medieval Germany“ – besitzen. Jedes Kapitel enthält zum einen kurze Unterkapitel, die unverbunden nebeneinander stehen und in ihrer z.T. willkürlichen Schwerpunktsetzung Ungenauigkeiten in Kauf nehmen, sowie ferner ein Potpourri unterschiedlicher Quellen („Illustrative Cases and Laws“). „Justice in Medieval Germany“ (S. 148-154) zum Beispiel gliedert sich in „Some Legal Highlights“, „A Brief Overview of Medieval Germany“, „The Kaiserchronik (c. 1150)“, „The Growth of Legal Autonomy (c. 1250)“, „The Golden Bull (1356)“, „Keeping the Peace (c. 1378), „The Legists (Fourteenth and Fifteenth Centuries)“, „Fehmic Courts (Fourteenth Century)“ und „Germany Adopts Roman Law (1495)“. Dabei erfährt man zur Kaiserchronik nicht mehr als das Folgende: „A long epic German poem of the twelfth century, the ‘Kaiserchronik (Chronicle of the Emperors)’ was probably the work of an ecclesiastic in Regensburg. It gives a good snapshot of conditions in the countryside and the customary law in force there. We learn that a peasant is legally permitted to wear only black or gray clothes.“ Es schließt sich ein kurzes Zitat zur Lebenssituation der Bauern an. Die „Illustrative Cases and Laws“ (S. 154-158) enthalten u.a. Ausschnitte aus den Kapitularien von 802, dem Landfrieden von 1103, dem Sachsenspiegel und Machiavellis „Il principe“. Am Ende des Buches finden sich eine Zeittafel sowie sieben Anhänge, in denen Themen wie der Wert des Pfennigs im Mittelalter nochmals vertieft werden.

Die LeserInnen können so das Mittelalter kaum als ein Geschmackserlebnis erfahren. Um im Bild zu bleiben: Sie probieren zwar viele einzelne Ingredienzen, lernen aber nur wenig über deren Anbau oder Herstellung und bekommen nicht vorgeführt, wie durch die richtige Zusammenstellung der Zutaten ein Gericht entsteht, das den Hunger stillt und zugleich die Sinne befriedigt. Man wird vielleicht den einen oder anderen Begriff, die eine oder andere Kuriosität, den einen oder anderen Quellenausschnitt in Erinnerung behalten. Ein historisches Buch, gleich für welchen Leserkreis, sollte mehr zu bieten haben.

Anmerkung:
1 Dig. 1.1.10: „Gerechtigkeit ist der unwandelbare und dauerhafte Wille, jedem sein Recht zu gewähren. Die Gebote des Rechts sind folgende: Ehrenhaft leben (honeste vivere), niemanden verletzen (alterum non laedere), jedem das Seine gewähren (suum cuique tribuere).“

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