: Vom Ordoliberalismus zur Sozialen Marktwirtschaft. Stationen des Neoliberalismus in Deutschland. Opladen 2004 : Leske + Budrich Verlag, ISBN 3-8100-4111-4 334 S. € 29,90

: The Company of Strangers. A Natural History of Economic Life. Princeton 2004 : Princeton University Press, ISBN 0-691-11821-3 304 S. £ 18.95

: Ordnung in einer arbeitsteiligen Wirtschaft. Reichweite und Grenzen von akteurszentrierten Ordnungstheorie. Marburg 2004 : Metropolis - Verlag für Ökonomie, Gesellschaft u. Politik, ISBN 3-89518-474-8 258 S. € 36,80

Blümle, Gerold; Goldschmidt, Nils; Klump, Rainer; Schauenberg, Bernd; Senger, Harro von (Hrsg.): Perspektiven einer kulturellen Ökonomik. . Münster 2004 : LIT Verlag, ISBN 3-8258-6137-6 506 S. € 34,90

Eger, Thomas (Hrsg.): Erfolg und Versagen von Institutionen. . Berlin 2005 : Duncker & Humblot, ISBN 3-428-11731-X 220 S. € 64,00

Goldschmidt, Nils; Wohlgemuth, Michael (Hrsg.): Die Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft. Sozialethische und ordnungsökonomische Grundlagen. Tübingen 2004 : Mohr Siebeck, ISBN 3-16-148296-4 XVI, 281 S. € 44,00

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael von Prollius, Berlin

Ordnungsökonomik ist seit dem theoretischen und praktischen Nachweis eines zwangsläufigen Scheiterns kollektivistischer Systeme vorwiegend liberale Ordnungstheorie und Ordnungspolitik. Die Ordnung der Wirtschaft wird zumeist als Rahmenordnung verstanden, die die Gesamtheit rechtlich fixierter Regeln der Wirtschaftsverfassung, gewachsene kulturelle und sittlich-moralische Werte sowie die realisierte Wirtschafts(ordnungs)politik umfasst. Als Anreizsysteme, die unter dem Begriff der Institutionen subsumiert werden, lenken sie das Verhalten der Menschen.

In Deutschland gibt es zaghafte Anzeichen für ein Wiederaufleben der Ordnungsökonomik. Ursache ist die Sinn- und Funktionskrise der bundesdeutschen Wirtschaft und Gesellschaft gepaart mit einer Erkenntniskrise der Wirtschaftswissenschaft. Zudem lebt die Auseinandersetzung zwischen Kollektivisten als Verteidiger des Wohlfahrtsstaates und Liberalen als Befürworter einer freiheitlichen Transformation in grundsätzlicher Form wieder auf. Auseinandersetzungen erfolgen in begrenztem Maße in der Wissenschaft vor allem zwischen Keynesianern und (Neo-)Liberalen, daneben auch populärwissenschaftlich zwischen Neosozialisten und Libertären, zudem intensiv in der Politikberatung zwischen Nachfrage- und Angebotsorientierung sowie vehement in Internetforen.1

In der deutschen Wissenschaft war Ordnungsökonomik nach der Blütezeit der 1930er bis 1960er-Jahre nicht zuletzt durch die voranschreitende Spezialisierung auf dem Rückzug. Ordnungspolitische Inseln haben sich unter anderem in Freiburg (Walter Eucken Institut), mit dem Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft ORDO und personenabhängig im Sachverständigenrat zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung gehalten. Sie stehen in der Tradition (ordo-)liberaler Begründer der Sozialen Marktwirtschaft wie Walter Eucken, Wilhelm Röpke, Alexander Rüstow und Friedrich August von Hayek, welche nachfolgend als ordnungspolitische Klassiker bezeichnet werden.

Seit dem Nobelpreis für den Wirtschaftshistoriker Douglas C. North im Jahr 1993 erlebt die deutsche Ordnungsökonomik durch die US-amerikanisch dominierte Institutionenökonomie eine Frischzellenkur.2 Betroffen sind neben der Wirtschaftsgeschichte auch die Wirtschaftswissenschaften, wie die nachfolgende Besprechung zeigt. Ökonomen versuchen das seit Jahrzehnten als nicht mehr tragfähig erachtete neoklassische Fundament mittels einer zuweilen als "cultural turn" bezeichneten Erweiterung durch ethische, historische, soziologische und anthropologische Grenzgänge zu verbreitern. Damit schließen sie an die ordnungspolitischen Klassiker an, die sich intensiv mit der Frage der Ordnung und den institutionellen Grundlagen von Wirtschaft und Gesellschaft befasst haben; erinnert sei lediglich an "Grundlagen der Nationalökonomie", "Civitas humana", "Vitalpolitik" und "Verfassung der Freiheit".

Methoden, Ergebnisse und Qualität sind heterogen

Die sechs zu besprechenden Bände verbindet auf den ersten Blick nur wenig, obwohl es sich durchgängig um Beiträge zur Ordnung der Wirtschaft handelt. Das liegt mitunter an der Konzeption. Drei Sammelbände stehen den Dissertationen von Märkt und Ptak und einer "normalen" Monografie gegenüber, wobei Seabrigths "Natural History of Economic Life" als Einführung in die Wirtschaftswissenschaften charakterisiert werden kann, die ohne Fachvokabular auch für Nichtökonomen geeignet ist. Die ungemein anschauliche und sehr lesenswerte Darstellung der Voraussetzungen und Folgen internationaler Arbeitsteilung verbindet die Ebene des einzelnen Menschen mit der Makroebene auf klassisch liberale Weise: Eigennutzstreben, Wettbewerb, Kooperation und die Einbindung in soziale Einheiten fördern den allgemeinen Fortschritt. Der britische, in Frankreich lehrende Ökonom verbindet unter dem Banner der Evolutionsgeschichte Anthropologie, Archäologie, Zoologie, Literaturwissenschaft und Ökonomie. Er erklärt die institutionellen Grundlagen einer auf internationaler Arbeitsteilung beruhenden Weltgesellschaft, indem er der Frage nachgeht, wie und warum Menschen kooperieren.

Zwei der drei Sammelbände sind Tagungsbände. "Die Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft" enthält 22 normative und institutionelle Grundsatzbeiträge, die sozialethische und ordnungsökonomische Aspekte zur Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft zu verbinden suchen. Angesichts des selbst zum Problemfall gewordenen Wohlfahrtsstaates und dem Mangel einer echten Leitidee gehen die wirtschafts- und sozialpolitisch arbeitenden Ökonomen, Juristen, Philosophen und Ethiker zum Teil recht akademisch erneut der alten Frage nach, wie sich das Spannungsproblem zwischen Ethik und Effizienz im Sinne einer "dauerhaft wettbewerbsfähigen und gesellschaftlich akzeptierten Neuorientierung […] als Leitidee" (S. VI) ordnen lässt.

Der von Thomas Eger herausgegebene Tagungsband des Vereins für Socialpolitik beschäftigt sich in sechs internationalen (historischen) Beispielen mit dem Erfolg und Versagen von Institutionen. Die sehr heterogenen, fast ausnahmslos von Ökonomen verfassten Beiträge sehen in der Qualität der Institutionen unterschiedlicher Volkswirtschaften deren Aufstieg und Fall begründet. Der dritte Sammelband "Perspektiven einer kulturellen Ökonomik" ist als "umfassende Einleitung in die denkbaren Fragestellungen einer ‚Kulturellen Ökonomik'" konzipiert. Die 29 (!) weit gespannten sozialwissenschaftlichen Beiträge gehen der Frage nach, was Kultur ist und welchen Nutzen diese für die in die gesellschaftspolitische Akzeptanzkrise geratene Volkswirtschaftlehre stiften kann. Auch hier lautet die Botschaft: "Institutions matter!" Leider zeichnet sich keine klare Linie ab, was angesichts der Unüberschaubarkeit der alphabetisch sortierten Beiträge sowie der Fülle offener Fragen nicht überrascht.

Die dezidiert theoretisch angelegte Dissertation von Stephan Märkt zielt auf die Konzeption einer umfassenden Ordnungstheorie. Der Ökonom beurteilt die Erklärungskraft und den möglichen Beitrag ausgewählter Ordnungstheorien als Bausteine in einem gerafften Forschungsüberblick und hat dabei "die institutionellen Grundlagen von Volkswirtschaften" (S. 18) fest im Blick. Die ambitionierte Studie macht mit seiner exemplarischen Schneise durch den Forschungsdschungel ein wichtiges ordnungstheoretisches Angebot und weist den Weg zu einer großen Aufgabe, deren Lösung Wissenschaftsgrößen wie Max Weber und Douglas C. North oder aber ein Netzwerk Vieler zu erfordern scheint.

Als randständig ist demgegenüber die Dissertation von Ralf Ptak zu bezeichnen. Unter dem Deckmantel einer Geschichte neoliberaler Stationen vom Ordoliberalismus zur Sozialen Marktwirtschaft entwickelt der Erziehungswissenschaftler eine enervierende, d.h. apologetische und pauschalisierende Interpretation. Sein einseitiges, dem Forschungsstand häufig ohne tragfähige Argumente zuwiderlaufendes hermeneutisches Vorgehen zielt auf die Diskreditierung des Neoliberalismus im Allgemeinen und der ordoliberalen Begründer der Sozialen Marktwirtschaft als dem Nationalsozialismus nahe stehend im Besonderen. Anders als die überwiegend (neo)liberalen Autoren der anderen Bände ist Ptak Neosozialist. Sein wissenschaftlich ignorierbare Studie erweckt den Anschein, ein politisches Ansinnen wissenschaftlich untermauern zu wollen, wie sein Fazit der Verteidigung und Erneuerung des Sozialstaats "im emanzipatorischen Sinne" als "politisch sinnvoll, ökonomisch vernünftig und sozial notwendig" (S. 299) zeigt.

Welchen Nutzen stiften die vorliegenden Bände für die Ordnungsökonomik?

Paul Seabright, A Company of Strangers - anschauliche Einführung in die Grundlagen menschlicher Kooperation

Auf der Grundlage der Evolutionstheorie, stets mit dem Blick auf die seit jahrtausenden gewachsenen Institutionen bilden die ersten 100 Seiten einen empfehlenswerten Einstieg in die Welt der Wirtschaft für jedermann. Offensichtlich funktioniert unser Leben am Besten ohne übergeordnete, zentrale Kontrolle und Steuerung. Eine Fülle von Beispielen, Vergleichen und Erzählungen aus der Menschheitsgeschichte lehrt Staunen und Freude angesichts unserer hochkomplexen Selbstorganisation, in der Vertrauen eine zentrale Kategorie bildet und anonyme Beziehungen sich als überlegen erweisen (S. 64f.).

Seabright argumentiert in vier großen Abschnitten: von der Einführung (Tunnelblick), über das Individuum (Vom mörderischen Affen zu ehrbaren Freunden. Wie ist menschliche Kooperation möglich?) und Organisationen wie Unternehmen und Märkten (Unbeabsichtigte Folgen: Von Familienbanden zu industrialisierten Städten) bis zu Gesellschaften und Nationen (Kollektives Handeln: Von Krieg führenden Staaten zu einem Marktplatz der Nationen). Der Mensch sei eine einzigartige Spezies, die allein Arbeitsteilung unter Fremden kenne. Mit der neolithischen Revolution, dem Übergang vom Jäger und Sammler zum sesshaften Ackerbauern, weiche die Konfrontation der Kooperation, argumentiert Seabright.

Welche Institutionen haben das ermöglicht? Der menschliche Tunnelblick bilde die Voraussetzung für Kooperation; er habe positive und negative Folgen. Reziprozität und Opportunismus hätten sich durch die Evolution zu einer Balance entwickelt und machten die Zusammenarbeit mit Fremden vorteilhaft. Das bedeutet, dass wir rational die Kosten und den Vorteil einer Kooperation kalkulieren und automatisch Gleiches mit Gleichem vergelten - Vertrauen wird erwidert. Seabright folgert, dass Menschen ihre Position nicht einfach nur unabhängig davon verbessern, ob es zum Vorteil oder zu Lasten anderer Menschen geht. Vielmehr seien Unternehmen erfolgreicher, die ihre Arbeitnehmer besser behandelten. In der Evolution fungiere das Gesetz der großen Zahlen als Evolutionsgesetz und sorge dafür, dass sich die "richtigen" Institutionen durchsetzen. - Damit beantwortet er Stephan Märkts Abschlussfrage (S. 231). - Die Aufgabenteilung fungiere zudem als Strategie der Risikominderung, Spezialisierung und Wissensmehrung, erhöhe im Einzelfall aber auch das Risiko (S. 42). Risikoverlusten begegneten die Menschen unverändert emotional, indem sie sich fälschlich als Opfer übernatürlicher Kräfte fühlten, statt ökonomischen Gesetzmäßigkeiten ins Auge zu sehen. - Ein Abschnitt, der Ptak und Gegnern einer Reform des Wohlfahrtsstaates ans Herz gelegt sei. - Die Erfindung des Geldes beurteilt Seabright als eine der großen Institutionen. Da Gesetze als Stabilitätsanker fungierten, komme der Zusammenbruch des Vertrauens einem sozialen Erdbeben gleich.

Der dritte Abschnitt beginnt mit der Entwicklung der Städte. Das Geheimnis ihres Erfolgs sei die Nicht-Planung, die Nicht-Intention, die Komplexität und Möglichkeit aus einer Vielfalt Neues zu kreieren. Anhand der Verfügungsrechte für die Wassernutzung, die pfad- und problembedingt in den USA zu zwei unterschiedlichen Lösungen geführt hat, leitet Seabright ab, dass es ein Fehler sei, aus vermeintlicher moralischer Überhöhung, Dinge wie Wasser oder Organe nicht ökonomischen Maßstäben zu unterwerfen. So zeigt er eindringlich den Unterschied zwischen Transaktionen mit und ohne Entgelt auf (S. 147-152) und entzieht damit jedweden Ökonomisierungsvorwürfen den Boden. Auch die Preise mit ihrer klassischen Informationsfunktion kommen nicht zu kurz. Unternehmen sieht Seabright als Inseln der Stabilität und der Information an. Wissen und Symbole ermöglichten eine Arbeitsteilung über Generationen hinweg.

Der vierte Abschnitt ist der kürzeste und schwächste. Die relativ schlicht wirkende Zukunftsbetrachtung mischt sich mit Spenglerschen Tönen. Das Plädoyer gleicht einer Vision für eine auf den Institutionen der Arbeitsteilung beruhenden Weltgesellschaft. Ungeachtet dessen hat Paul Seabright eine vielseitige Erklärung für das internationale Zusammenleben und die dem Menschen immanente Arbeitsteilung geliefert, deren Vorzüge und Hindernisse aufgezeigt und zugleich die tief verwurzelten Ängste angesichts eines anonymen Weltwirtschaftssystems entmythologisiert.

Thomas Eger (Hg.), Erfolg und Versagen von Institutionen - widersprüchliches Bekenntnis zu marktwirtschaftlichen Funktionsmechanismen

Warum sind Volkswirtschaften verschiedener Länder unterschiedlich erfolgreich? Die Antwort von Ökonomen laute in jüngster Zeit zunehmend, die Qualität der Institutionen mache den Unterschied aus, schriebt Thomas Eger in seiner Einleitung zu den unterschiedlich gehaltvollen sechs Haupt- und häufig präzisierenden zusätzlichen Korreferaten der 35. Jahrestagung des Ausschusses für Wirtschaftssysteme und Institutionenökonomik des Vereins für Sozialpolitik im Jahr 2003 zum Thema "Erfolg und Versagen von Institutionen". Damit greifen sie auf, was Nationalökonomen und Sozialphilosophen bereits Mitte des 20. Jahrhunderts in ihren Entwürfen für eine freie Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung thematisiert haben, mehrfache Bezüge auf Hayek deuten dies an.

Das Spektrum reicht von sozialen Sicherungssystemen über Pressefreiheit, Wirtschaftspolitik im Dritten Reich, Good Governance sowie Arbeitsmärkten in Transformationsländern bis zur Volkswirtschaft Argentiniens. Dabei wird die Rolle von Ideologie, Interventionen, Regulierung, Wettbewerb und Rahmenordnung auf einer Makroebene betrachtet, ohne durch individualistische Ansätze ergänzt zu werden. Weitere zentrale Aspekte fehlen: der Wandel und die Anpassungsfähigkeit von Institutionen im Zeitablauf, die Bedeutung staatlicher und privater Macht, die deformierenden Folgen der Wohlfahrtsstaatmechanik.

Hermann Ribhegge verwischt in seinem vergleichenden Aufsatz "Stabilität und Wandel konkurrierender Systeme der Sozialen Sicherung - zur Entropie sozialer Sicherungssysteme" durch den irreführenden oder politisch aufgeladenen Gebrauch von Begriffen wie Entropie und Gerechtigkeit sowie fragwürdige Interpretationen (Zweifel am Wachstum des Sozialstaats) die klar abgrenzbaren Modelle von Friedrich August von Hayek (Wettbewerb der Sozialsysteme) und Hans-Werner Sinn (Marktversagen bei Sozialsystemen). Auch seine Skepsis des überfälligen Wechsels vom Umlage- zum Kapitaldeckungsverfahren irritiert. Hayek hatte vor derartiger Anmaßung von Wissen gerade seine Kollegen gewarnt.

Der lesenswerte analytische und empirische Beitrag von Manfred Tietzel und Dirk Wentzel geht der Frage nach, ob die Pressefreiheit eine erfolgreiche Institution ist. Sie relativieren den Einfluss von Massenmedien, der durch andere Informationsquellen und Bezugsgruppen überlagert werde, genauso wie die These, dass mehr Wettbewerb eine größere Meinungsvielfalt bewirke. Das liege an den Mediengesetzen, die die Neuheit der Informationen zum Selektionskriterium machten. Folglich bestehe kein systematischer Zusammenhang zwischen Medienrelevanz und Nutzerrelevanz. Daher sei eine "dauerhafte und permanente Kontrolle der Politik durch die Medien in allen ihren Kompetenzbereichen […] nicht realisierbar" (S. 86). Die Funktion der "vierten Gewalt" wird zusätzlich relativiert, da Wissen zu oft vergessen werde und die Medienhektik die medial beklagte Kurzatmigkeit der Politik befördere. Barbara Krug weist im Korreferat auf die Ähnlichkeit des Wettbewerbs im Medienmarkt und in der Politik hin, die beide um Mediankonsumenten bzw. -wähler konkurrierten sowie auf wettbewerbsfördernde Elemente wie Reputation, internationale Konkurrenz und Medienalternativen.

Oliver Volckharts Aufsatz "Wirtschaftspolitik und bürokratischer Wettbewerb im ‚Dritten Reich', 1933-1939" erweitert den Ansatz von Ronald Wintrobe, der die NS-Polykratie als Wettbewerb begreift. Das Modell wird von Hans Willgerodt in einem ausgezeichneten Kommentar kritisiert, weil es den Nationalsozialismus auf ein "bloßes ökonomisches Tauschverhältnis von property rights gegen Loyalität zwischen charismatischem Führer und untergebenen Gruppen" (S. 116) reduziert. Zudem scheine die Ausgangshypothese Wettbewerb mit Wettkampf bzw. Machtkampf zu verwechseln - eine schwerwiegende Verirrung, die insbesondere dem Charakter des Wettbewerbs als Entdeckungsverfahren zuwider läuft. Angesichts der Oberflächenanalogie lohnt der Griff zur zeitgenössischen Erklärung Hayeks: Der Weg zur Knechtschaft, der mit weniger Theorie mehr erklärt.

Hans-Jürgen Wagner kommt in seinem theoretischen und empirischen Beitrag über die Auswirkungen guter bzw. schlechter Regierung zu dem Ergebnis: "gute Regierungen bedingen wirtschaftliche Wohlfahrt" (S. 136). Dabei umfasst Good Governance seiner Ansicht nach nicht nur den Staat, sondern die gesamte Gesellschaft mit ihren formalen und informalen Institutionen einschließlich des Zusammenspiels von Markt und Staat. Darauf hatte Röpke bereits hingewiesen, der ohne eine kulturelle Verankerung der Marktwirtschaft ihren Fortbestand in Frage stellte. Wagner betont, dass Euckens Hypothese über die entscheidende Bedeutung einer freiheitlichen Wettbewerbsordnung "erstaunlich viel" (S. 15) Erklärungskraft erfahre und unterstellt dieser eine weit gehende Übereinstimmung mit dem "Washington Consensus".

Horst Feldmann bestätigt durch seine Untersuchung von zwölf Transformationsländern einmal mehr Jahrzehnte lange neoliberalen Predigten: Mindestlöhne, Regulierung, besonders hinsichtlich Einstellungen und Kündigungen, mächtige Gewerkschaften und konfrontative Arbeitsbeziehungen erzeugten Arbeitslosigkeit und minderten die Erwerbstätigkeit.

Insgesamt fällt auf, dass den Autoren die Argumente der ordnungspolitischen Klassiker, die sie vielfach verfremden, und das dahinter stehende Wollen nicht immer präsent sind. Gleichwohl weist auch dieser Sammelband auf Ursachen und Auswege der ordnungspolitischen Krise Deutschlands hin, die eine Veränderung der Spielregeln unumgänglich macht.

Nils Goldschmidt, Michael Wohlgemut (Hgg.), Die Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft - bleibt ungewiss

Ist die Soziale Marktwirtschaft in ihrer heutigen Form noch zukunftsfähig? Nun, "ein zukunftsfähiges ordnungsökonomisches Konzept, eine auch sozialethisch dauerhaft belastbare Leitidee, [ist] nicht in Sicht" (S. V) konstatieren die Herausgeber, die angesichts des Stillstands in Politik und Wissenschaft ihren geistigen Wegbereiter Walter Eucken zitieren: "[D]ie Wirklichkeit wird nicht gesehen. Unbrauchbare Ordnungen und reflektierendes Geschwätz, die Ideologien von Machtgruppen und die Doktrinen von Schwärmern beherrschen das Feld." (S. VI) Ziel des 1. Freiburger Symposiums zur Ordnungsökonomik vom September 2003 war es "grundlegende Einsichten über normative und institutionelle Eigenschaften einer Wirtschafts- und Sozialordnung zu gewinnen, die für eine dauerhaft wettbewerbsfähige und gesellschaftlich akzeptable Neuorientierung der Sozialen Marktwirtschaft als Leitidee wirken können" (S. VI). Die wissenschaftliche Arbeit erfolgte in drei nahezu gleich gewichteten Themengruppen: 1. Normative und sozialphilosophische Grundlagen sozialpolitischen Handelns im Rahmen einer marktwirtschaftlichen Ordnung, 2. Sozialtheoretische und sozialpolitische Vereinbarkeit von Freiheit auf dem Markte und sozialem Ausgleich, 3. Der rechtlich-institutionelle Ordnungsrahmen der Sozialen Marktwirtschaft, sein historischer Wandel sowie die Zukunft der wirtschaftlichen und politischen Verfassung.

Ad 1. Viktor Vanberg unterscheidet normative Prinzipienfragen, die auf das Ideal der Sozialen Marktwirtschaft gerichtet sind von Klugheitsfragen, die auf die zweckmäßige Wahl politischer Instrumente im Rahmen des Ordnungsideals zielen. Wolfgang Kersting greift die liberale Kritik der Sozialstaatsphilosophie auf, deren egalitaristische Begründungen im Zuge einer umverteilenden Gerechtigkeit willkürlich bleiben müssten. In seinem lesenswerten Überblick betont er, dass eine saubere Trennung legitimer und illegitimer Ungleichheitsursachen unmöglich ist und verdeutlicht noch einmal die Gefahr der Gleichheitsidee. Kersting plädiert folgerichtig dafür, statt den Status die Markt- und Wettbewerbsfähigkeit der Bürger zu sichern. Dem setzen die Korreferenten eine kommunitaristische Flankierung bzw. eine gesellschaftliche Inklusion entgegen.

Ad 2. Nils Goldschmidt gibt einer Theorie der Sozialpolitik ordnungsökonomische Orientierung: Für das Verhältnis privater, also marktlicher Koordination und staatlich-administrativer Steuerung benennt er das Kriterium der Zustimmungsfähigkeit der Betroffenen zu den jeweiligen sozialpolitischen Arrangements, für das Verhältnis von Wirtschafts- und Sozialordnung greift er auf die Leitidee der Sozialpolitik mit dem Markt zurück und die Spannung zwischen ökonomischer Leistungsfähigkeit und sozialem Ausgleich ließe sich durch Privilegienfreiheit angehen. Dass Sozialpolitik besondere historische und kulturelle Problemlagen berücksichtigen müsse, ist Tenor mancher Beiträge. Ingo Pies diagnostiziert eine Krise der Sozialstaatsreform und plädiert für eine Auflösung der Denkblockaden durch eine Rationalisierung der Diskussion. Sozialpolitik und Markt seien kein Widerspruch, denn erst der Markt sorge für eine produktive Sozialpolitik und freiwillige Solidarität statt Zwangssolidarität. Alfred Schüller konstatiert, dass die Mauer zwischen Sozialpolitik und Marktsystem aus politisch gewollten massiven Wettbewerbsbeschränkungen bestehe. Internationaler Systemwettbewerb ermöglicht neue (alte!) Kombinationen.

Ad 3. Joachim Starbatty plädiert für eine Privilegien abbauende, wettbewerbsorientierte Ordnungspolitik als Antwort auf die soziale Frage. Daher sei Marktkonformität statt Subsidiarität als Kriterium für die Ausgestaltung von Sozialleistungen geeignet. Dagegen hält Ursula Nothelle-Wildfeuer an einem am christlichen Weltbild anknüpfendem Verständnis von Subsidiarität fest. Gebhard Kirchgässner empfiehlt eine Reform der deutschen Verfassung in Richtung direkt-demokratischer Mitbestimmung und Wettbewerbsföderalismus. Michael Wohlgemut erinnert daran, dass der Wohlfahrtsstaat die rechtsstaatliche Unterscheidung von Staat und Gesellschaft durch "Verstaatlichung der Gesellschaft" und "Vergesellschaftung des Staates" verwischt.

Zusammengenommen belegen die vielfach kaum miteinander vereinbaren Beiträge, dass die konzeptionelle Offenheit des Wirtschaftsstils Soziale Marktwirtschaft ihre Stärke und Schwäche zugleich bleibt. So kann die Spanne der Beiträge von liberalem bis zu sozialdemokratischem Gedankengut die Abkehr von (ordo-)liberalen Prinzipien befördern, die den "modernen Wahn" (Ludwig Erhard) des Wohlfahrtsstaats ermöglicht hat.

Bemängeln lassen sich fehlende internationale Bezüge, zumal unklar ist, ob die Soziale Marktwirtschaft global wettbewerbsfähig ist, ferner die mangelnde Praxisorientierung und dass die Beiträge nur begrenzt Neues bieten.

Dennoch ist das Wollen, das hinter diesem Sammelband steckt, nicht gering zu schätzen. Das Bekenntnis zu Marktwirtschaft und Wettbewerb eint viele Beiträge, genauso das Bekenntnis, dass die Probleme im Sozialstaat begründet liegen. Die Wissenschaft ist der Politik weit voraus, wenn sie statt eines "Entweder-oder" für ein "Sowohl-als-auch" plädiert: "Eine erfolgreiche Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft […] wird deshalb vor allem davon abhängen, die Krise des Sozialstaats mit solchen Mitteln zu bekämpfen, die sowohl den sozialen Ausgleich als auch die Freiheit auf dem Markte fördern - im Interesse aller Bürger." (S. XIV) Die Idee der Sozialen Marktwirtschaft muss für jede Generation neu formuliert werden. Der Band kann dazu einen Anstoß geben. Das trifft auf Ralf Ptak nicht zu.

Ralf Ptak, Stationen des Neoliberalismus in Deutschland - Umdeutungsversuch misslungen

Ralf Ptak versucht in seiner Dissertation die Dogmengeschichte des deutschen Neoliberalismus in der Zeit zwischen den 1930er und 1960er-Jahren umzudeuten. Er greift dabei weder auf neue Quellen noch auf eine Theorie zurück, sondern begnügt sich mit einer hermeneutischen Methode.3

Ptaks Argumentation basiert auf einer Konstruktion: Neoliberalismus, Ordoliberalismus und Soziale Marktwirtschaft seien in Deutschland weit gehend deckungsgleich, der Ordoliberalismus "eine gemeinsam agierende Strömung" (S. 17). Um eine Diskreditierung des (historischen) Neoliberalismus zu ermöglichen, werden mit einem Federstrich die beträchtlichen Unterschiede der Schulen innerhalb eines Ordoliberalismus im weiteren Sinne eingeebnet - die sozialstaatliche Wirtschaftsstilidee Müller-Armacks (sozialliberal), der Wirtschafts- und Sozialhumanismus Röpkes und Rüstows (wertkonservativ-liberal), die im engeren Sinne ordoliberale Freiburger Schule um Eucken. Darüber hinaus verwischt er die Grenzen zum individualistischen Neoliberalismus des altliberalen Friedrich August von Hayek mit seinem wirtschaftlichen und (!) gesellschaftlichen Entwurf einer "Verfassung der Freiheit" oder wenig kompromissbereiten Verfechtern eines Minimalstaats wie Ludwig von Mises. Es verwundert nicht, dass Ptak seiner Hypothese regelmäßig widerspricht. Bereits das erste Kapitel der in drei große Abschnitte gegliederten Arbeit befasst sich mit dem Ordoliberalismus als theoretische Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft und interpretiert die Entstehung des Ordoliberalismus seit der Weltwirtschaftskrise anhand der unterschiedlichen (!) Programmatik der verschiedenen Schulen.

Das weit reichende Gleichsetzen ordoliberalen Gedankenguts mit der NS-Ideologie im Hinblick auf die Wirtschaftsordnung widerspricht nicht nur der Weltanschauung und vielen Lebenswegen emigrierter Neoliberaler, sondern stellt die beispielhaft in dem Bestseller Hayeks "The Road to Serfdom" systematisch entwickelte Kritik am braunen und roten Sozialismus auf den Kopf.4 Wieso die Theoriebildung des ordoliberalen Lagers nach 1945 "im Kern abgeschlossen" war (S. 295) bleibt angesichts Rüstows Ortsbestimmung der Gegenwart (1950-1957), der großen Würfen Hayeks der 1970er-Jahre oder Euckens 1952 posthum erschienen Grundsätzen der Wirtschaftspolitik unverständlich.

Mit seinem unverbesserlichen Bürsten gegen den Strich hat der Kölner die Chance vergeben, eine lesenswerte Zusammenstellung des Forschungsstandes sachlich auszubreiten, so im Kapitel 3 mit dem ordoliberalen Aufbau einer wirtschaftlichen Nachkriegsordnung und in Kapitel 4 mit der Sozialen Marktwirtschaft als politischer Strategie, das ordoliberale Programm partiell umzusetzen. Bei Ralf Ptak wird Hermeneutik zur Kunstlehre des Missverstehens.

Gerold Blümle et al. (Hgg.), Perspektiven einer kulturellen Ökonomik - versperrt den Blick

Von der Wirtschaftswissenschaft zur "Wirklichkeitswissenschaft" (S. 5) - ein ehrgeiziges Vorhaben, dass mehr über den Zustand der Volkswirtschaftslehre als über deren Zukunft aussagt. Die Bilanz des Sammelbandes fällt gemischt aus. Methode, Qualität, Aufbau, Form und inhaltliche Stoßrichtung der Beiträge gehen nicht zusammen. Befremdlich wirkt das künstliche Aufbauen eines (überholten) Feinbildes, die Neoklassik als unterstelltes Maß aller Dinge, die anschließend zusammen mit dem Homo oeconomicus angegriffen wird. Das kann bis hin zur "Ökonomophobie" (Hayek) von Wolfgang Reinhards "Historischer Wirtschaftsanthropologie" reichen, der über die Dominanz der Marktbeziehungen schwadroniert, nur um zu dem Schluss zu kommen, dass dies "möglicherweise […] heute keineswegs in ‚Reinkultur' der Fall ist" (S. 367). Die Erkenntnisse der Österreichischen Schule, des letzten Kultursoziologen Rüstow und von Behaviouristen wie Simon werden allenfalls unzureichend berücksichtigt. Stattdessen droht der Blick auf die Möglichkeiten einer Verbindung von Ökonomie und Kultur verstellt zu werden und zwar durch eine unüberschaubare Zahl von Kulturdefinitionen und unspezifische, zum Teil beliebig anmutende kulturelle Perspektiven. So gleicht der Beitrag von Kurt Dopfer einem Wortgeklingel. In die Kategorie "Viel Lärm um Nichts" fällt Marco Lehmann-Waffenschmidts und Robert Böhmers sechszeiliger Titel, der mit der Forderung der Einführung eines Bürgergeldes für Ostdeutschland endet. Heino Heinrich Nau bietet eine historische Zusammenstellung von Kulturkonzepten in den Wirtschaftswissenschaften auf 14 Seiten plus sieben Seiten (!) Literaturverzeichnis an.

Zuweilen wird deutlich, woran die Ökonomie heute krankt - Formelgewirr, Sprachgewirr, Entfremdung von der Wirklichkeit. Kultur ist aber ein Modell der und für die Wirklichkeit. Den Band durchzieht der kalte Hauch der Neoklassik.

Fairer Weise gilt es zuzugestehen, dass dieser Band Prolog einer kulturellen Ökonomik sein soll. Insofern liegt es mitunter in der Natur der Sache, dass mehr Fragen aufgeworfen als Perspektiven beleuchtet werden.

Der verstorbene Horst Hegemann hat allerdings einen guten Einstieg verfasst, der fünf Arten von Institutionen (nach Kiwitt/ Voigt) erläutert: Konventionen, ethische Regeln, Sitte, private Regeln, positives Recht. Kultur gehe aber darüber hinaus und umfasse die Sicht der Welt. Um die mit der Mikroökonomie nicht fassbaren "Blinden Flecken" berücksichtigen zu können, fordert Hegemann stärker wirtschaftsgeschichtlich und wirtschaftssoziologisch etwa mit dem Konzept des Wirtschaftsstils zu arbeiten. Dieses Rettungsangebot dürfte für die Wirtschaftsgeschichte zu spät kommen. Werner Berg zeigt im Grunde genommen die Lücke auf, die sich hinter den Klassiker auftut: Elias, Hayek und Weber sind immer wieder seine Bezugspersonen, wenn er Kultur als wichtige Determinante des ökonomischen Prozesses versteht. Ähnlich ergeht es Christian Sartorius in seinem Beitrag "Die Bedeutung kultureller Evolution für die Entstehung von Ordnung und Koordination": "Koordination und Kooperation sind die entscheidenden Grundlagen für den Anstieg struktureller und funktioneller Komplexität, der über den Großteil der Natur- und Menschheitsgeschichte hinweg beobachtbar ist." Weiterlesen heißt in diesem Fall Seabright lesen.

Holger Flörkemeier kommt in seinem Beitrag "Kulturelle Vielfalt, Transaktionskosten und Außenhandel" zu dem Ergebnis, dass kulturelle Unterschiede zwischen Ländern als Handelshemmnisse wirken und Integration nur auf regionaler Ebene sinnvoll ist. Damit greift er die alte liberale Forderung der Dezentralisierung auf. Nils Goldschmidt und Bern Remmele "Kultur UND Ökonomie (Weber Revisited)" trennen Lern- und Konstruktionsprozesse der Kultur, plädieren statt einer Dichotomie von Holismus und Individualismus für Wechselbeziehungen und betonen die Zeitgebundenheit ökonomischer Ansätze. So kommen sie zu dem vielleicht auch umkehrbaren Ergebnis "Ökonomik ist Kulturwissenschaft" (S. 120), also der kulturellen Bedingtheit ökonomischen Denkens und Handelns.

Durch den brillanten Beitrag von Guy Kirsch verblassen viele Aufsätze. Hier hat die theoretische Perspektive sehr praktische Folgen, bestechende Logik und Anschaulichkeit. Der Schweizer begreift Wohlfahrt als Funktion von Bedürfnisbildung und von Bedürfnisbefriedigung - Wohlfahrtskultur trachte danach, "das Unbehagen lustvoll in einen Zustand des Behagens zu überführen" (S. 193). Voraussetzung dafür sei ein gewisses Ausmaß an Unbehagen zuzulassen. Demgegenüber habe das Illfare-Kulturparadigma statt Bedürfnisbefriedigung das "Leiden am und im Leben in dieser Welt unmittelbar angegangen" (S. 197). Christliche Mystik und Buddhismus suchten "Erfüllung jenseits von allem irdisch-diesseitigen Streben" (S. 199). Zwar sei ein Wechsel zwischen den Paradigmen möglich, aber es gäbe einen "doppelten Sperrklinkeneffekt" nach Verlassen eines der Paradigmen. Daher weise die Wohlfahrtsorientierung den meisten Gesellschaften der Welt den Weg. Diese These für islamische Gesellschaften zu prüfen, erscheint viel versprechend.

Souverän argumentiert Rainer Klump. Kultur verstanden als geteilte Werte ermögliche eine politische Abstimmung über eine gerechte Verteilung. Dies sei wichtig, da nicht alle Probleme über den Markt lösbar seien. Insofern sollte die Ökonomie die soziale Verteilung stärker fokussieren, zumal die Effizienz hinreichend betrachtet worden sei. Sonst drohe die Gefahr zu einer reinen Effizienzwissenschaft ("Management Science") zu schrumpfen. Bemerkenswert ist schließlich Joachim Zweynerts Vergleich von Deutschland und Russland hinsichtlich des Konflikts, der durch die Veränderung der Wirtschaftsstruktur und sich zu langsam anpassenden Denkmustern entsteht. In beiden Ländern herrschten sehr holistische Denkmuster vor. Nur in Deutschland sei es jedoch mit der Sozialen Marktwirtschaft als "life style" gelungen, den mentalen Modellen der Deutschen zu entsprechen und diese auch verändern zu können.

Fazit: Ausschließlich auf dem Eigennutz kann letztlich keine Ordnung gründen und auch keine wissenschaftliche Theorie, das ist das gemeinsame Ergebnis der "Perspektiven einer kulturellen Ökonomik" und Stephan Märkts Dissertation.

Stephan Märkt, Ordnung in einer arbeitsteiligen Wirtschaft - ein kleiner Schritt zur großen Ordnungstheorie

Stephan Märkt hat sich die Aufgabe gestellt, die "institutionellen Grundlagen von Volkswirtschaften zu untersuchen und zu fragen, welche Bausteine eine umfassende Ordnungstheorie ausmacht" (S. 18). Er kann dabei an Vorarbeiten anknüpfen, die bis Adam Smith und darüber hinaus ins 17. Jahrhundert zurückreichen. Die Dissertation ist ein knapper, präziser Forschungseinblick ausgewählter akteurszentrierter Ordnungstheorien, der systematisch, wenn auch vielfach streitbar und hier leider nicht mehr aufzeigbar, deren Stärken und Schwächen benennt. Ausgangspunkt ist die zutreffende Feststellung, dass es derzeit "keine in sich geschlossene und überzeugende wirtschaftliche Ordnungserklärung gibt" (S. 7). Die untersuchungsleitende Frage gleicht der von Paul Seabright: Warum kooperieren Menschen, auch jene, die sich nicht kennen, und wie lässt sich die Bildung zuverlässige Erwartungen über das Einhalten von Kooperationen erklären (S. 219)?

Nach der Definition zentraler Begriffe und einer Skizze von Ordnungstheorien in historischer Perspektive anhand von Hobbes, Smith, Durkheim und Parsons nutzt Märkt Luhmanns Systemtheorie als Startpunkt, der Rational Choice Schule, Spieltheorie, Konstitutionenökonomik und Douglas Norths Institutionentheorie bis zu Max Weber eine ganze Kette von Ordnungstheorien folgen. Alle Theorien dienen als Bausteine, deren festgestellten Defizite zu einer neuen Theorie überleiten, die diese zwar beheben kann, aber dennoch unvollständig bleibt. Max Weber liefert die Syntheseleistung. Im Ergebnis soll die Wirtschaft nicht nur als spontane Ordnung begriffen werden, sondern auch als rechtlich, durch formelle und informelle Institutionen, durch Form und Geist geschützte und gestützte Ordnung erscheinen. Damit seien Entstehung, Pfadabhängigkeit und Wandel von Institutionen als Denk- und Verhaltensgewohnheiten einschließlich der Handlungsbeschränkungen erklärbar.

Zum Schluss zeigt der Max-Weber-Kollegiat der Universität Erfurt künftige Forschungsschwerpunkte auf. Sie betreffen die Durchsetzung von Ideologien, die (Lern-)Psychologische Fundierung der Ordnungstheorie, die Rolle der Emotionen für den Aufbau von Institutionen und die Frage, wie die "richtigen" Werte aufgezeigt und durchgesetzt werden können? Aspekte die leider auch bei "Perspektiven einer kulturellen Ökonomik" fehlen. Hayek argumentierte, dass soziale Gebilde Ergebnis menschlichen Handelns aber nicht menschlichen Entwurfs seien. Insofern ließe sich die Suche nach der Einheitstheorie als (von der theoretischen Physik inspirierte) Fiktion verwerfen. Schließlich macht Abschied von der Zentralperspektive den Blick frei für die Einheit der Vielfalt, die Märkt zuvor aufgezeigt hat.

In den Wirtschaftswissenschaften nichts Neues?

Was verbindet die Vielzahl der Beiträge? Ausgehend von Paul Seabright ließe sich folgende Argumentationslinie entwickeln: Dem Menschen sind Kooperation und Selbstorganisation durch seinen Tunnelblick in Verbindung mit angeborenem reziprokem und opportunistischen Verhalten in die Wiege gelegt. Die internationale Arbeitsteilung ist gleichsam der natürliche Lauf der Menschheitsgeschichte. Ländern, denen es gelingt die "richtigen" Spielregeln zu definieren, zu implantieren und anzupassen, sind besonders erfolgreich. Dazu zählen eine gute Regierung und eine wettbewerbsorientierte Rahmenordnung mit einem möglichst geringen Ausmaß an Regulierung, so dass der Weg der Befriedigung von Partikularinteressen verschlossen bleibt. Dies weist den Ausweg aus der bundesdeutschen Krise von Wirtschaft und Gesellschaft. Auf Grund der Pfadabhängigkeit gilt es zusätzlich zu beachten, dass eine Ordnung nicht allein auf Eigennutz begründet werden kann, sondern sozialethischer Ausgleichsprinzipien bedarf. Dies läuft auf eine Sozialpolitik mit dem Markt hinaus. Eine Erforschung historischer und kultureller Faktoren ist zur Substanziierung dieser Formel erforderlich und bietet der formalisierten ökonomischen Theorie einen Ausweg. Kultur fungiert dabei als Modell der Wirklichkeit und für die Wirklichkeit. Eine akteurszentrierte Ordnungstheorie, die aus einer methodologisch auf Max Weber aufsetzenden Institutionenökonomik bestehen könnte, vermag Entstehung, Pfadabhängigkeit und Wandel von Institutionen zu erklären.

Ist dies im Hinblick auf die ordnungspolitischen Klassiker lediglich alter Wein in neuen Schläuchen? Eugen Roth schrieb einmal: "Die Wissenschaft, sie ist und bleibt, was einer ab vom anderen schreibt. Doch trotzdem ist, ganz unbestritten, sie immer weiter fortgeschritten."

Das "neue Denken", das Bernhard von Mutius 5 für erforderlich hält, begegnet uns bereits vielfach, auch wenn reichlich Raum zur Verständigung über Disziplingrenzen hinweg bleibt. Ungebrochen gilt es, Bedingungen zu schaffen, um das Beste zu erreichen - die menschenwürdige Gesellschaft, das Hauptanliegen der ordnungspolitischen Klassiker.

Anmerkungen:
1 Ordnungspolitische Politikberatung leisten unter anderem Stiftung Marktwirtschaft (www.stiftung-marktwirtschaft.de) und das Unternehmerinstitut der Arbeitsgemeinschaft selbstständiger Unternehmer (www.asu.de). Beispiele für Foren mit ordnungspolitischer Ausrichtung sind www.liberty.li und www.forum-ordnungspolitik.de.
2 Siehe beispielhaft für die Wirtschaftsgeschichte: Ambrosius, Gerold, Staat und Wirtschaftsordnung. Eine Einführung in Theorie und Geschichte, Stuttgart 2001; Wischermann, Clemens; Nieberding, Anne, Die institutionelle Revolution. Eine Einführung in die deutsche Wirtschaftsgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2004 und von Prollius, Michael, Wirtschaftsgeschichte nach 1945, erscheint im Frühjahr 2006 bei UTB.
3 Eine umfassende Auseinandersetzung mit den Argumenten von Ralf Ptak nimmt Nils Goldschmidt in ORDO 56 (2005) vor.
4 Exemplarisch: Opposition als "Legendenbildung" (S. 291), "ausgeprägte[s] autoritäre[s] Element" des Ordoliberalismus nur im Zusammenhang mit Nationalsozialismus nachvollziehbar (S. 11), Anpassung nach Untergang des Nationalsozialismus (S. 155f.).
5 Von Mutius, Bernhard (Hg.), Die andere Intelligenz. Wie wir morgen denken werden, Stuttgart 2004.

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