C. Schäfer u.a.: Römer und Germanen - Konfrontation und Integration

Cover
Titel
Römer und Germanen. Konfrontation und Integration


Autor(en)
Schäfer, Christoph; Bierweiler, Jan; Meier, Angelika; Timoschenko, Tatjana
Herausgeber
Universität Hamburg; FWU
Anzahl Seiten
1 DVD-ROM
Preis
€50 Einzel-, €125 Schul-, €255 Medienzentrenlizenz
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sven Günther, Institut für Alte Geschichte, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Die Römer sind wieder „in“. Daran kann kein Zweifel bestehen. So finden sich fast wöchentlich nicht nur Dokumentationen zu verschiedenen Aspekten der römischen Geschichte und Kultur auf den Programmtafeln öffentlicher wie privater Fernsehanstalten, sondern auch der so genannte „Sandalenfilm“ hat gerade in jüngster Zeit wieder Konjunktur.1 Hinzu kommen die vielfältigen Aktivitäten von FachwissenschaftlerInnen wie Privatleuten, um die Antike im wahrsten Sinne des Wortes „begreifbar“ zu machen.2 Diesem öffentlichen Interesse steht jedoch diametral die Verknappung der Lehrplanstunden für die griechisch-römische Antike im Geschichtsunterricht bei gleichzeitiger Reduzierung des Stoffes entgegen, obwohl das klassisch-humanistische Bildungsideal nach wie vor einen breiten Raum in den Lehrplänen der Länder einnimmt und zumindest in Rheinland-Pfalz auch in der Landesverfassung festgeschrieben ist.3 Dieser Umstand, der auch nicht ansatzsweise durch den wiederaufstrebenden Latein- und Griechischunterricht4 ausgeglichen werden kann, macht mehr denn je einen lernzielorientierten, effektiven, jedoch weiterhin motivierenden wie quellenbasierten Geschichtsunterricht notwendig, der die SchülerInnen unter Einsatz verschiedener Lernmedientypen zur selbständigen Bearbeitung und Beurteilung verschiedener Aspekte der klassischen Antike befähigt.

Genau dieses Konzept verfolgt die Lehr-DVD „Römer und Germanen – Konfrontation und Integration“ und wird – das Ergebnis der Rezension vorwegnehmend – dem oben formulierten Anspruch vollauf gerecht. Die in Zusammenarbeit des Instituts für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU) und dem Lehrstuhl des Althistorikers Prof. Dr. Christoph Schäfer an der Universität Hamburg entstandene DVD beleuchtet das wechselvolle Verhältnis zwischen dem Imperium Romanum und den Germanen vom 1. Jahrhundert v.Chr. bis in die Spätantike für den beginnenden Geschichtsunterricht in Klasse 6 oder 7 (bzw. für die Erwachsenenbildung). Die wirtschaftlichen, kulturellen, religiösen und militärischen Facetten des Alltagsleben zwischen Römern und Germanen werden dabei sowohl in kurzen Filmsequenzen vorgestellt als auch mit Arbeitsblättern, Quellentexten, Abbildungen und Karten im druckfreundlichen pdf-Format ergänzt und vertieft. Ferner sind auf dem ROM-Teil auch Vorschläge zur Unterrichtsgestaltung in Form eines fertigen Unterrichtskonzeptes, weiterführende Links, einleitende Literatur sowie interaktive Übersichten über Programmstruktur und Begleitmaterialien vorhanden.5

Über das intuitiv geführte Hauptmenü der selbststartenden DVD kann der Benutzer zunächst, neben dem Impressum und dem Hinweis auf die Begleitmaterialien im ROM-Teil, vier Großkapitel mit Untermenüs anwählen, welche die insgesamt 26 Filmsequenzen thematisch gliedern: Schon das Großkapitel „Die Römer und der Norden“ zeigt dabei den innovativen Ansatz der DVD: Einerseits werden beispielsweise das Germanenbild Roms, das wahre Leben einer germanischen Sippe und die Eroberungszüge unter Caesar und Augustus durch so genannte Re-Enactment-Szenen und Animationen eindrucksvoll aufgearbeitet, andererseits fließen auch neueste Forschungsergebnisse in die Kurzfilme ein, wenn etwa in Experteninterviews die Funde einer römischen Zivilsiedlung in Waldgirmes als dauerhafte Siedlungsabsicht gedeutet oder die Ausgrabungen von Kalkriese als Ort der Varusschlacht und dem Ende römischer Avancen auf rechtsrheinische Gebiete wahrscheinlich gemacht werden.

In ähnlicher Manier wird auch das „Leben hinter dem Limes“ beleuchtet. Dabei wird richtigerweise nicht nur Wert auf den militärischen Charakter der Limeserrichtung gelegt, sondern es werden auch die (kontrollierten) kulturellen wie wirtschaftlichen Kontaktmöglichkeiten betont. Ebenso gelingt ein anregender Blick in den Alltag eines Kastells, von einer 3-D-animierten Ankunft mit Begehung der wichtigsten Gebäude und Straßen über das Alltagsleben der Soldaten bis hin zur Ausübung des gerade im militärischen Bereich wichtigen Mithras-Kultes. Auch dem bis heute noch greifbaren Bereich des Lebens in Land und Stadt, insbesondere dem Ausgreifen der römischen Kultur und Religion in alle gesellschaftlichen Schichten, wird breiter Raum eingeräumt, etwa bei der Behandlung der für die Truppenversorgung bedeutenden „villae rusticae“6, der Horti- und Weinkultur oder der Rekonstruktion eines gallo-römischen Tempelbezirkes mit Merkur-Kultstatue auf dem Metzenberg bei Trier.

Die stürmische Zeit der „Germanen im Aufbruch“ beginnt mit einem Blick auf die von Marc Aurel geführten Markomannenkriege und den auch danach immanenten Wanderungsdruck germanischer Volkschaften auf den Limes sowie dessen Fall in einem längerfristigen Prozess um die Mitte des 3. Jahrhunderts n.Chr.7 Neben der Anlage von steinernen Verteidigungsbastionen wie etwa Castra Regina 179 n.Chr., das heutige Regensburg, schlagen sich auch die neuesten Forschungsergebnisse der experimentellen Archäologie durch die Fahrt einer römischen „navis lusoria“, rekonstruiert von Forschern der Universität Regensburg, nieder und liefern zudem noch einige interessante Einblicke in die Verteidigungsstrategien am so genannten nassen Limes.8 Dass Rom bei seiner Verteidigung aber nicht nur auf diese Abschreckung und militärische Präsenz setzte, sondern sich im Gegenteil über eine geschickte Integrationspolitik, beispielsweise über Ansiedlungsprogramme, die Germanen auch zum Freund machte9, wird ebenso betont wie der Ausbau von Trier zur Kaiserresidenz unter Constantin, die Christianisierung, der auch durch spätantike Verteidigungsstrategien nicht aufzuhaltende Wandel, der Rückzug der Römer sowie das Verbleiben von Inseln römischer Kultur inmitten der nun von Germanen kontrollierten Gebiete.

„Der Beginn eines neuen Zeitalters“, das letzte Großkapitel, spannt dann den Bogen über die germanischen Reichsbildungen, den Niedergang des weströmischen Reiches bis hin zur leider viel zu kurz geratenenen Sequenz über „Das Erbe Roms“ – einem Ansatzpunkt, der beispielsweise das weithin geforderte fächerübergreifende Arbeiten etwa mit den Sprachfächern ermöglicht und wenigstens für die Fächer Deutsch und Latein im beigefügten Arbeitsblatt verwirklicht ist.

Bedeuten schon die inhaltlich wie gestalterisch hochwertigen Filmsequenzen ein großes Plus in einem E-Learning-Markt, der bisher noch mehr auf Masse als auf Klasse setzt, so verdient sich die DVD erst recht mit der Vernetzung zwischen Film und klassischen Arbeitsmaterialen höchstes Lob. Der Unterrichtsentwurf ist nicht nur länderübergreifend anwendbar, sondern mit 14 angesetzten Unterrichtsstunden auch realistisch. Die projektbezogenen und nicht nur auf den beigefügten Unterrichtsentwurf anwendbaren Arbeitsblätter (mit separat dazu ausdruckbaren Lösungsblättern) nehmen nicht nur konkret auf zusammengehörende Filmsequenzen Bezug und unterstützen damit das selbständige Lernen via DVD am PC-Arbeitsplatz, sondern sie bieten auch weiterführenden Wissenstransfer über verschiedene Aufgaben wie etwa Gruppenarbeiten, Recherchen über Lexika oder Internet sowie Weiterschreiben eines Dialoges.

Besonders hervorzuheben sind gerade die für den Geschichtsunterricht so eminent wichtigen beigegebenen Quellenmaterialien, die Aussagen antiker Autoren zu den jeweils angesprochenen Themenbereichen versammeln, ergänzen und vertiefen. Dabei wird die Quelle nicht einfach nur zitiert, nein, in bester (alt-)historischer Arbeitsweise wird eine kurze Einführung zu Autor und Werk gegeben, um den bei lateinischen Autoren zweisprachigen (!) Text nicht losgelöst von Zeit, Person und Ort erscheinen zu lassen, wie dies sträflicherweise in vielen Geschichtsschulbüchern allzu oft geschieht. Hilfreich ist auch die verlinkte Startseite mit ebenfalls verlinkten Übersichten zu Arbeitsblättern, Quellen sowie Karten und Abbildungen, die ein schnelles und zielorientiertes Zugreifen ermöglichen. Einzig die didaktische Reduktion des Kartenmaterials auf die wesentlichen Aspekte des jeweiligen Themas mag nicht zu überzeugen, zumal wegen der farbigen Konturen das Ausdrucken über einen Schwarz-Weiß-Laserdrucker bzw. das Vervielfältigen über Kopiergeräte kaum sinnvoll erscheint.

In nuce, diese DVD ist deshalb so wertvoll, weil klassische Geschichtsarbeit an Quellen nicht durch moderne Medien ersetzt wird, sondern beides zusammenwirkt und so ein einheitliches Ganzes, einen modernen wie fundierten Geschichtsunterricht, hervorbringt.

Eine Bestellung erfolgt direkt über das FWU unter der FWU-Bestellnr.: 4602335, die URL, unter der bestellt werden kann: http://www.fwu.de/db-bm/record.phtml?idnr=FWU-04602335&config=fwu_fwu_

Anmerkungen:
1 Neben der amerikanischen Produktion „Gladiator“ sei die deutsche Komödie „Germanikus“ genannt, ebenso die ZDF-Produktionen „Augustus – Mein Vater, der Kaiser“ und „Nero“. Eine aktuelle Übersicht über Fernsehdokumentationen mit antiken Themen findet sich unter: <http://www.zabern.de/zabern/tips/index.php> (30.12.2005); für den englischsprachigen Raum (tagesaktualisiert): <http://www.atrium-media.com/rogueclassicism/> (30.12.2005)
2 So etwa die zahlreichen Römerfeste oder die anschaulichen archäologischen Grabungen, etwa in Mainz am römischen Theater; siehe dazu: <http://www.theatrum-mainz.de/> (30.12.2005).
3 So VerfRLP Art. 38: „Bei der Gestaltung des höheren Schulwesens ist das klassisch-humanistische Bildungsideal neben den anderen Bildungszielen gleichberechtigt zu berücksichtigen.“
4 Zur wachsenden Beliebtheit des Latein- und Griechischunterrichts siehe: Schmoll, Heike, Immer mehr Latein, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.12.2005, S. 1.
5 Systemvoraussetzungen für die PC-Nutzung: DVD-Laufwerk und DVD-Player-Software, empfohlen ab Windows 98. Für die Begleitmaterialien im pdf-Format liegt die auch für Windows 98 nutzbare Version des Adobe Acrobat Readers 5.0 bei. Eine Kurzübersicht über die DVD sowie die 10 seitige Begleitkarte im pdf-Format finden sich unter: <http://www.fwu.de/db-bm/record.phtml?idnr=FWU-04602335&config=fwu=fwu> (30.12.2005).
6 Die ansonsten souveräne und angenehme Sprecherin Susanne Stangl hätte das Wort „villae“ allerdings nicht kurz sprechen dürfen; vgl. die Mahnung von: Weeber, Karl-Wilhelm, Art. „Gutshof“, in: Ders., Alltag im alten Rom. Das Landleben. Ein Lexikon, Düsseldorf 2000, S. 94-100, hier S. 95. Insgesamt fällt auf, dass die Schauspieler in den Szenen die so genannte „pronuntiatio restituta“ verwenden, die Sprecherin aber die klassische Universitätsaussprache. Zur Lebendigkeit der lateinischen Sprache vgl.: Stroh, Wilfried, Art. „Lebendiges Latein“, in: Cancik, Hubert; Schneider, Helmuth; Landfester, Manfred (Hgg.), Der Neue Pauly. Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte Bd. 15, Stuttgart 2001, Sp. 92-99.
7 Als eindrucksvolles Inschriftenzeugnis für Fall und Verteidigung des Limes hätte man hier durchaus auch den Augsburger Siegesaltar von 260 n.Chr. in den Blick nehmen können, da sich hier sowohl außenpolitische Bedrohung durch die Germanen als auch innerer Zerfall des Reiches an der Gründung des Gallischen Sonderreiches exemplarisch zeigen lassen; vgl. jetzt Bakker, Lothar, Der Augsburger Siegesaltar, in: IMPERIUM ROMANUM. Römer, Christen, Alamannen – Die Spätantike am Oberrhein, hg.v. Badischen Landesmuseum Karlsruhe, Stuttgart 2005, S. 96-101. Insgesamt sind die beiden Bände der großen Landesausstellung zum Römerjahr 2005 in Baden-Württemberg als Ergänzung und Vertiefung zur DVD sehr zu empfehlen: IMPERIUM ROMANUM. Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau, hg.v. Archäologischen Landesmuseum Baden-Württemberg, Stuttgart 2005; IMPERIUM ROMANUM. Römer, Christen, Alamannen – Die Spätantike am Oberrhein, hg.v. Badischen Landesmuseum Karlsruhe, Stuttgart 2005.
8 Zur „navis lusoria“: Ferkel, Hans; Konen, Heinrich; Schäfer, Christoph, Navis Lusoria. Ein Römerschiff in Regensburg, St. Katharinen 2004. Weitere Informationen unter: <http://www.vefag.de/> (30.12.2005).
9 Leider fehlen Aussagen zur Integration der germanisch-provinzialen Oberschicht über die Vergabe von militärischen oder administrativen Posten. Vgl. dazu jetzt: Freis, Helmut (†), Die Integration der provinzialen Oberschicht im römischen Reich, in: Riemer, Ulrike; Riemer, Peter (Hgg.), Xenophobie – Philoxenie. Vom Umgang mit Fremden in der Antike, (PawB 7) Stuttgart 2005, 131-144. Die Integration von (sozial niedriger gestellten) Peregrinen über die Verleihung des römischen Bürgerrechts durch sog. Militärdiplome nach fünfundzwanzigjähriger Dienstzeit in der römischen Armee wird bereits im Großkapitel „Leben hinter dem Limes“, Unterkapitel „Eine Grenze wird errichtet“, Filmsequenz „Ein Treffen am Limes“ angesprochen.

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