R. Rees: Diocletian and the Tetrarchy

Cover
Titel
Diocletian and the Tetrarchy.


Autor(en)
Rees, Roger
Reihe
Debates and Documents in Ancient History
Erschienen
Anzahl Seiten
XV, 219 S.
Preis
€ 24,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Holger Dietrich, Historisches Institut, Universität Stuttgart

Der vorliegende Band erschien in der Reihe "Debates and Documents in Ancient History", deren Ziel es ist, in knappen Darstellungen zentrale Forschungstendenzen zu bestimmten althistorischen Themen darzulegen und die Argumente mit schriftlichen Quellen sowie dem archäologischen Befund zu unterlegen. Vorwiegend wendet sich der Band an Studierende niederer Semester, bietet aber darüber hinaus auch Fortgeschrittenen interessante Anregungen.1 Aus diesem Antrieb möchte Rees die Grundzüge des Zeitalters Diocletians vor dem Hintergrund der Persönlichkeit eines Kaisers nachzeichnen, dem sowohl von den Zeitgenossen als auch der modernen Forschung Beurteilungen zuteil werden, welche die gesamte Bandbreite von einem Friedensbringer bis zum Totengräber des Römischen Reiches einnehmen.

Nach einer Einführung in die Geschichte und Geschichtsschreibung der Epoche der Tetrarchie werden im ersten Teil des Bandes, der in sechs Kapitel unterteilt ist, wesentliche Fragestellungen zum Militär, zur Verwaltung, Wirtschaft, Festkultur und Religion sowie zu den Besonderheiten in der Struktur der tetrarchischen Herrschaft aufgeworfen ("Unity, Succession and Legitimacy"). Im zweiten Teil sind die zentralen schriftlichen Quellenstellen zu den oben angesprochenen Teilaspekten abgedruckt; darüber hinaus finden sich hier Grundrisse und Abbildungen von Gebäuden, Statuen und Münzen. Im Darstellungsteil wird immer wieder auf die im Materialteil abgedruckten Quellen verwiesen, was es dem Leser erleichtern soll, zu zentralen Aspekten der Darstellung aus den Quellen ein eigenes Bild zu formen.

In der kurzen Einführung weist Rees auf die Quellenproblematik hin und beklagt dabei insbesondere das Fehlen ausführlicher Schilderungen, wie sie beispielsweise Thukydides oder Tacitus für andere Zeitabschnitte der Antike verfasst haben. Man kommt daher gerade in der Zeit der Tetrarchie nicht umhin, bestimmte Sachverhalte anhand verschiedener, sich teilweise widersprechender Quellen zu rekonstruieren. In der problematischen Quellensituation liegt mithin die oben angesprochene Diversität in den Meinungen über Diocletian und seine Zeit begründet. Ebenfalls in der Einführung behandelt Rees Grundtendenzen der politischen Geschichte der Jahre von 284 bis 313.

Im ersten Kapitel ("The Military") hebt Rees die militärische Herkunft und in diesem Zusammenhang besonders die prägende Wirkung des militärischen Umfelds für den weiteren Werdegang der Tetrarchen hervor. Nach der Darstellung der Problematik der Notitia Dignitatum als Quelle für die Zeit Diocletians werden die wichtigsten Veränderungen erläutert, die das Militär unter Diocletian erfuhr: Beispielhaft für die Grenzsicherung werden die syrische Grenze, die Rhein-Donaugrenze von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer und die Südostküste Englands angeführt. Insgesamt werden als wesentliche Veränderungen die Erhöhung der Truppenzahl sowie eine Veränderung in der Strategie der Grenzverteidigung konstatiert, wobei Rees stets vor Verallgemeinerungen warnt und die Unsicherheit in der Datierung vieler Maßnahmen betont.

Ein weiteres Mosaiksteinchen in der Beurteilung der diocletianischen Politik liefert die Neueinteilung des Reiches in Provinzen. Ist dabei von einem zentral gesteuerten Vorgang auszugehen oder handelte es sich eher um Reaktionen auf regionale Problematiken, wie es beispielsweise die Situation in Britannien vermuten lässt (S. 25)? Eine weitere offene Frage ist diejenige nach der Motivation für die unter Diocletian beginnende administrative Neuordnung des Reiches. Unklar bleibt auch, in welchem Ausmaß bereits unter Diocletian eine Trennung von zivilen und militärischen Ämtern vollzogen wurde. In diesem Kapitel entsteht darüber hinaus das Bild einer kaiserlichen Herrschaftsform, die von ständig umherziehenden Amtsträgern gekennzeichnet ist, welche sich dabei aber wohl nur selten persönlich zu festgesetzten Zusammenkünften trafen. Von besonderem Interesse sind die Kommunikationswege im Römischen Reich: Ein effektives und schnelles Nachrichtenwesen war unabdingbare Voraussetzung für die Übermittlung von kaiserlichen Briefen, Edikten und Reskripten an die Mitregenten, die Provinzialverwaltung und die Administration auf lokaler Ebene. Einen illustrativen Einblick in die Verwaltungshierarchie und den Ablauf der Kommunikation zwischen verschiedenen Funktionsträgern bietet das Archiv von Panopolis, wobei Rees hervorhebt, dass in jedem Falle viel, nicht aber unbedingt effektiv geschrieben wurde, was auch an der weit verbreiteten Korruption lag (S. 36).

Das Kapitel "Economics" beginnt mit einem Rückgriff auf die Ergebnisse des ersten Kapitels ("The Military"), indem eine direkte Verbindung zwischen den veränderten militärischen Strukturen und Erfordernissen (Erhöhung der Truppenzahl, defensive Taktik ohne ausgreifende Operationen mit Aussicht auf reiche Beute) und den sinkenden Staatseinkommen hergestellt wird. Rees beschreibt daraufhin die von Diocletian eingeleiteten Maßnahmen, den sinkenden Einnahmen entgegen zu steuern (Einführung der Indiktion, neuer census). Ungeachtet der (Miss-)Erfolge oder der geografischen Verbreitung seiner Maßnahmen (Rees behandelt intensiv das so genannte Höchstpreisedikt Diocletians) betont Rees, dass man insgesamt davon ausgehen kann, dass hinter allen Reformen, wenn nicht eine bis ins Detail geplante Wirtschaftspolitik, so doch zumindest eine Politik stand, die auf jeweils akute Problematiken mit rational nachvollziehbaren Prinzipien reagierte.

Im vierten Kapitel ("Ceremonial") zeigt Rees die wachsende Bedeutung des Hofzeremoniells auf. Besonderes Augenmerk legt er dabei auf den adventus der Kaiser in den Städten des Reiches, dessen Bedeutung bei der hohen Reisetätigkeit der Imperatoren augenfällig ist (vgl. auch Kapitel 2). Als zentrale Quelle werden in diesem Zusammenhang die Panegyriken genannt. Zwar habe Diocletian das Hofzeremoniell nicht neu erfunden, bedingt durch seine verhältnismäßig lange Regierungszeit habe er es jedoch zu einem festen und integrativen Bestandteil des römischen Festkalenders gemacht. Das Jahr sei gerade in dieser Zeit durch hohe kaiserliche Festtage gegliedert worden, wobei traditionelle Feste offenbar immer mehr in den Hintergrund gedrängt wurden. Besonderes Augenmerk wird auch auf die Beurteilung der signa Iovius und Herculius gelegt, welche die Augusti Diocletian und Maximian für sich in Anspruch nahmen. Dabei ist davon auszugehen, dass sich lediglich einem Kreis den Kaisern nahe stehender Personen die Bedeutung der Beinamen erschloss, den meisten Teilen der Bevölkerung dürften die hinter den göttlichen Namen stehenden Implikationen weitestgehend unbekannt gewesen sein (S. 55f.).

Das Kapitel "Religion" beginnt mit der herausragenden Bedeutung der Darstellung des eine Opferhandlung vollziehenden Kaisers, wie man sie auf der Decennalienbasis vom Forum Romanum oder am Galeriusbogen in Thessaloniki sehen kann. Mit der im Jahr 303 einsetzenden Christenverfolgung wird ein kaiserliches Reskript in Verbindung gebracht, in dem es um die Frage geht, wie mit den Manichäern verfahren werden soll: Darin wird ihnen nahe gelegt, wesentliche Aspekte ihres Glaubens aufzugeben, andernfalls müssten sie mit Sanktionen rechnen. In diesem Zusammenhang räumt Rees den "großen" Christenverfolgungen in der Zeit von 303 bis 313 breiten Raum ein. Das offensichtliche Scheitern der kaiserlichen Zwangsmaßnahmen gegen die Christen wurde in der christlichen Literatur als triumphaler Sieg der Märtyrer und damit der Standhaftigkeit des christlichen Glaubens im Allgemeinen gedeutet. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass in den Panegyriken sowie bei Aurelius Victor und Eutropius keine direkten Hinweise auf die Verfolgungen zu finden sind (S. 70), sollte die Zeit der Verfolgung einer kritischen Betrachtung unterzogen werden, wobei stets die regionalen Unterschiede bei der Umsetzung der Edikte sowie die zahlenmäßig höchst unterschiedliche Verteilung der Christen im Reichsgebiet zu berücksichtigen sind.

Das letzte Kapitel ist insbesondere drei zentralen Aspekten der tetrarchischen Propaganda gewidmet, der Concordia-, Nachfolge- und Legitimitätsfrage. Durch die auf Münzen, in Edikten, Inschriften oder mit den berühmten Porphyrgruppen im Vatikan oder in Venedig propagierte similitudo wird die concordia der Herrscher nach außen dokumentiert. Kurz nur spricht Rees an, dass die Realität durchaus anderen Charakter gehabt haben könnte (S. 76).2 Eine Besonderheit in der diocletianischen Nachfolgeregelung stellt die Tatsache dar, dass die leiblichen Nachkommen der Augusti stets übergangen wurden und im Jahre 305 die Augusti Diocletian und Maximian von ihrem imperium zurücktraten. Über die Motive des Rücktritts ist bereits in der Antike viel spekuliert worden, und Rees betont, dass auch heute vieles nur hypothetisch bleiben kann. Anhand der Beispiele der Usurpationen des Carausius, Maxentius und des Aufstieges Constantins legt Rees dar, dass Legitimität in erster Linie ein Produkt aus persönlichen Qualitäten und Voraussetzungen sowie dem Erfolg der Propaganda gewesen ist, die andere von der Rechtmäßigkeit des eigenen Handelns überzeugen sollte. Die dynastische Verwandtschaft war in der tetrarchischen Nachfolgeregelung nicht das entscheidende Kriterium (S. 7), auch wenn die Tetrarchen stets bestrebt waren, zum Beispiel durch Heirat verwandtschaftliche Beziehungen herzustellen, wobei man dabei deutlich hervorheben muss, dass letztendlich gerade die bewusste Missachtung familiendynastischer Gesichtspunkte zum Scheitern der Tetrarchie einen wesentlichen Beitrag geleistet hat.

Den Band beschließt ein umfangreicher Anhang: Auf eine Zeittafel (sie reicht vom Amtsantritt Diocletians 284 bis zum Tod des Maximinus Daia 313) folgt zu jedem Kapitel des Bandes ein kurzer Abriss über die aktuelle Forschungsdiskussion. Für die praktische Nutzung problematisch ist das Fehlen einer Zusammenstellung der wesentlichen Quelleneditionen; zwar werden die wichtigsten (in der Regel nur englischsprachigen) Ausgaben genannt (S. 202), die dazugehörigen bibliografischen Angaben muss sich der Leser jedoch aus der umfangreichen Bibliografie selbst zusammenstellen. Auch das Fehlen eines Registers bleibt kritisch anzumerken. Insbesondere den studentischen Nutzer sollen auf drei Seiten zusammengestellte Fragen zu den in dem Buch vorgestellten Themenkomplexen zur Weiterarbeit anregen. Eine umfangreiche Bibliografie, ein kurzes Glossar und eine Zusammenstellung der wesentlichen Internetressourcen stehen am Ende eines Buches, das eine fundierte Einführung in die aktuelle Forschungsproblematik eines sehr spannenden Abschnitts der römischen Geschichte darstellt. Dass dabei mehr Fragen gestellt als Antworten gegeben werden, liegt nicht an fehlender Sachkenntnis des Autors, sondern ist durch die problematische Quellenlage motiviert. Doch gerade das macht das Buch sehr anregend und leitet den Leser zu weiterer Beschäftigung mit verschiedenen Themenkomplexen an.

Anmerkungen:
1 In der deutschsprachigen Forschungsliteratur ist dem hier besprochenen Werk sowohl dem Aufbau und der Zielsetzung als auch dem chronologischen Rahmen nach der folgende Band zur Seite zu stellen: Brandt, Hartwin, Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Diokletian und Konstantin bis zum Ende der konstantinischen Dynastie (284-363) (Studienbücher Geschichte und Kultur der alten Welt), Berlin 1998.
2 Zur Problematik der concordia vgl. etwa Pabst, Angela, Divisio Regni. Der Zerfall des Imperium Romanum in der Sicht der Zeitgenossen (Habelts Dissertationsdrucke Reihe Alte Geschichte 23), Bonn 1986, S. 44-119; Kolb, Frank, Diocletian und die erste Tetrarchie. Improvisation oder Experiment in der Organisation monarchischer Herrschaft? ( Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte 27), Berlin 1987, S. 73-79; Flaig, Egon, Den Kaiser herausfordern. Die Usurpation im römischen Reich, Frankfurt 1992, S. 551-555.

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