I. Frank: Lexikon des Mönchtums und der Orden

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Titel
Lexikon des Mönchtums und der Orden.


Autor(en)
Frank, Isnard W.
Erschienen
Stuttgart 2005: Reclam
Anzahl Seiten
400 S.
Preis
€ 14,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Eric W. Steinhauer, Universitätsbibliothek, Technische Universität Ilmenau

Nachschlagewerke und Lexika dienen der Orientierung in unübersichtlichem Wissensgelände. Je komplexer ein bestimmter Bereich ist, desto notwendiger sind sie. Die Ordensgemeinschaften der katholischen Kirche sind in ihrer Vielfalt nicht nur für den Laien ein schwer zu beherrschendes Gebiet und damit ein idealer Gegenstand für Nachschlagewerke. Der launige Theologenspruch, dass selbst der liebe Gott die Zahl der Frauenorden nicht genau kenne, bestätigt das anschaulich. Gleichwohl sind wirklich brauchbare Nachschlagewerke für den Ordensbereich rar. In Deutschland nur wenig bekannt ist das zehnbändige Dizionario degli Istituti di Perfezione1, das deutsche Standardwerk immer noch das mittlerweile in vielen Einzelheiten überholte Handbuch von Max Heimbucher.2 Lexikalisch verdient vor allem die 3. Auflage des Lexikon für Theologie und Kirche (LThK) Beachtung, vor allem wegen der exzellenten Artikel des Freiburger Kirchenhistorikers und Franziskaners Karl Suso Frank. Die neue Auflage des evangelischen Pendants Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG) fällt, naturgemäß mag man sagen, demgegenüber ab. Als eigentliches Nachschlagewerk für Orden ist ein von dem Münchener Kirchengeschichtler Schwaiger herausgegebenes Lexikon zu erwähnen.3 Es kann durchaus als Standardwerk gelten, wenngleich die einzelnen Artikeln bedingt durch die Vielzahl der Autoren unterschiedliche Qualität aufweisen. Auch werden die gerade in der Neuzeit zahlreich gegründeten Kongregationen nur sehr am Rande behandelt. Erwähnt sei noch die sehr beachtliche Kulturgeschichte der Orden von Dinzelbacher und Hogg, die sich freilich nur auf die großen Ordensverbände konzentriert, dort aber unbedingt zu empfehlen ist.4

Ein erster Blick also in die vorhandene Literatur weckt Neugier und Erwartungen an das von dem Dominikaner Isnard Frank, Emeritus für Kirchengeschichte und Bruder des schon erwähnten Karl Suso Frank, erstellte Lexikon des Mönchtums und der Orden, eine vollständige Neubearbeitung des von Johanna Lanczkowski besorgten Kleinen Lexikons des Mönchtums und der Orden.5 Im Vorwort benennt Frank sehr klar sein Thema: Es geht um katholische Orden, und es geht um das Abendland. Damit ist das Lexikon von Orthodoxie und außerchristlichem Mönchtum entlastet und kann sich ganz dem geschlossenen Kulturphänomen des abendländischen Ordenslebens zuwenden. Sehr lesenswert ist die Einleitung in Theologie, Phänomen und Geschichte des Ordenslebens. Frank schreibt sehr pointiert und formuliert angesichts der gegenwärtigen Krise des Ordenslebens eine deutliche Kritik an der nachkonziliaren Reformeuphorie, die auch zu einem Verfall klösterlicher Kultur geführt hat (S. 42f.).

An die Einleitung schließt sich der Lexikonteil an, darauf folgt eine nützliche Liste mit den wichtigsten Ordensabkürzungen. Der Band wird durch ein ausführliches Literaturverzeichnis beschlossen mit einer kenntnisreichen Auswahl der einschlägigen Literatur. Auf ein Register hat Frank verzichtet, so dass der Leser mit dem Lexikonteil und seinen Verweisen allein zurechtkommen muss.

Frank führt in einem Alphabet sowohl die einzelnen Ordensgemeinschaften als auch einschlägige Realien auf. Bedeutende Ordensstifter werden ebenfalls berücksichtigt, weniger bedeutende erhalten einen Verweis zu der von ihnen gestifteten Gemeinschaft. Gründer ganz kleiner Gemeinschaften freilich sind lexikografisch nicht erfasst, wenngleich sie innerhalb der Lemmata ihrer Gemeinschaft durchaus genannt werden, so etwa der Franziskaner Amandus Bahlmann, Gründer der Missionsschwestern von der Unbefleckten Empfängnis (S. 163). Spätestens hier hätte ein Register gute Dienste geleistet. Das Beispiel der genannten Missionsschwestern soll die Benutzbarkeit des Lexikons näher illustrieren. Bahlmann hat zwar die Schwestergemeinschaft formal gegründet, entscheidend war aber die deutsche Ordensfrau Elisabeth Tombrock.6 Erwähnt wird sie nicht. Gerade aus Sicht der Frauenforschung müsste eine moderne Darstellung des Ordenslebens die Rolle der hinter dem männlichen Kleriker oft zurücktretenden, in der Praxis aber ungleich wichtigeren „Mitgründerin“ stärker in den Blick nehmen. Die Missionsschwestern heißen mit offiziellem deutschem Titel „Missionsschwestern von der Unbefleckten Empfängnis der Mutter Gottes“, nicht wie Frank schreibt „Missionarinnen von der Unbefleckten Empfängnis“. Dieser Lapsus mag dahinstehen, jedenfalls findet der Leser unter dem Buchstaben „M“ weder den einen noch den anderen Namen. Etwas versteckt in der Einleitung findet sich aber der Hinweis, dass gerade die neuzeitlichen Gemeinschaften unter ihrem namengebenden frömmigkeitlichen Begriff zu finden sind (S. 41). Also wäre es hier die „Unbefleckte Empfängnis“ als marianische Devotion. Aber auch unter „U“ findet sich kein Eintrag und kein Verweis. Bei „Empfängnis“ ist es nicht besser. Fündig wird man unter dem lateinischen Begriff „Immaculata“. Es ist sehr zu bezweifeln, ob ein Nichtfachmann in Catholica und Ordensfragen hier gesucht hätte. Ein solcher Leserkreis bildet aber die Hauptzielgruppe des vorliegenden Lexikons. Ausgehend von „Immaculata“ soll ein weiterer Orden gesucht werden. Die Konzeptionistinnen, eine der großen beschaulichen Ordensgemeinschaften, in Deutschland freilich nicht vertreten, finden sich ebenfalls nur unter „Immaculata“. Das ist umso bemerkenswerter, als bei den Ordensabkürzungen unter OCon. auf einen nicht existenten Artikel „Konzeptionistinnen“ verwiesen wird. Bei den Abkürzungen übrigens, die alle im Lexikon behandelten Gemeinschaften enthalten sollen (S. 319), fehlen die schon erwähnten Missionsschwestern. Sie kürzen sich SMIC ab, wie man dem LThK leicht entnehmen kann.7

Wendet man den Blick weg von diesen mehr lexikografischen Einzelheiten, so erstaunt das Werk durch eine große Detailfülle. Vor allem die in den meisten Konkurrenzwerken nur am Rande oder gar nicht behandelten Gemeinschaften des 19. und 20. Jahrhunderts werden in weitem Umfang berücksichtigt. Allerdings gibt es für die allerneuste Zeit Lücken. Die so genannten „Neuen geistlichen Gemeinschaften“ sucht man vergeblich, ebenso das Ordensleben des nachkonziliaren Traditionalismus, etwa die Petrusbruderschaft (FSSP).8 Man kann aber sagen, dass das Spektrum des katholischen Ordenslebens, sofern es bis Mitte des 20. Jahrhunderts gegründet worden ist, Berücksichtigung gefunden hat. Folgerichtig gibt es auch einen Artikel zu „Opus Dei“ (S. 231f.).

Kurz sei noch auf liturgische Aspekte eingegangen. Frank bringt hier viele einzelne Begriffe. Leider vermisst man Hinweise auf das gerade bei den Orden reich vorhandene liturgische Eigengut. So hatten etwa die Karmeliten und Dominikaner eigene Riten. Hier hätte sich vielleicht ein größerer Artikel über Liturgie und Orden angeboten. Schwer zu entschuldigen ist das Fehlen eines Lemma über Bibliothek. Das abendländische Mönchtum war ein gutes Jahrtausend der zentrale Akteur des Buchwesens und der Schriftüberlieferung.9 Ein Artikel Skriptorium ist aber vorhanden.

Trotz dieser Anmerkungen bleibt insgesamt ein sehr positiver Eindruck des neuen Lexikons. Es erreicht zwar nicht den Detailreichtum des LThK, im Vergleich zu dem Lexikon von Schwaiger ist das vorliegende Werk aber erheblich informativer. Allerdings ist bei einer neuen Auflage, die dem Werk unbedingt zu wünschen ist, genauso unbedingt ein ausführliches (!) Register anzulegen.

Anmerkungen:
1 Rom 1974-2003. Band 10 (2003) hat Frank übersehen.
2 Heimbucher, Max, Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche, Nachdr. der 3. Aufl. von 1934, Paderborn 1987.
3 Schwaiger, Georg (Hg.), Mönchtum, Orden, Klöster, München 2003.
4 Dinzelbacher, Peter; Hogg, James L., Kulturgeschichte der christlichen Orden in Einzeldarstellungen, Stuttgart 1997.
5 Stuttgart 1993, Nachdruck 1995 und 2001.
6 Zu den Missionsschwestern: Steinhauer, Eric, Der Wert kleinerer Schwesternarchive für die Ordens- und Frömmigkeitsgeschichte. Das Beispiel der Wilkingheger Missionsschwestern, in: Kirche und Frömmigkeit in Westfalen. Gedenkschrift für Alois Schröer, Münster 2002, S. 225-237 (online unter: http://www.db-thueringen.de/servlets/DocumentServlet?id=2328).
7 Frank, Karl Suso, Art. Unbefleckte Empfängnis Marias – V. Religiöse Gemeinschaften, in: LThK 10, Sp. 382.
8 Ders., Art. Petrus – VII. Religiöse Gemeinschaften, in: ebd., Bd. 8, Sp. 101.
9 Vgl. Buzas, Ladislaus, Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, Wiesbaden 1975, S. 17-94.

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