Cover
Titel
Beiträge zu E-Learning und Geo-Information in den Geschichtswissenschaften.


Herausgeber
Freitag, Klaus; Ruffing, Kai
Reihe
Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft Geschichte und EDV 1
Erschienen
St. Katharinen 2005: Scripta Mercaturae Verlag
Anzahl Seiten
II, 138 S.
Preis
€ 19,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sven Günther, Institut für Alte Geschichte, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Sucht man heutzutage mit der wohl bekanntesten deutschen Suchmaschine www.google.de unter dem Stichwort "E-Learning" nach Informationen zu diesem Thema, gerät man schnell in das Datengewirr von etwa 63 Millionen Treffern weltweit.1 Viele Plattformen und Websites schmücken sich dabei nur allzu gerne mit diesem Zauberwort der New Media-Gesellschaft und preisen das Innovative dieser Strategie, gehen aber oftmals über allgemeine Versprechungen nicht hinaus und bleiben eine überzeugende Antwort auf die vielfältigen Fragen in Theorie und Praxis schuldig. Diesen schier undurchdringlichen Dschungel (auch für den Laien) zu lichten und einige wesentliche sowie fundamentale Aspekte des Themas für die Geschichtswissenschaften aufzuzeigen und nutzbar zu machen, hat sich der von Klaus Freitag und Kai Ruffing herausgegebene Band in der damit neu begründeten Reihe "Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft Geschichte und EDV" (AAGE) zur Aufgabe gestellt. Der Erstlingsband erweist sich insofern als wegweisend für die "Arbeitsgemeinschaft Geschichte und EDV" (AGE), als dass der 1993 gegründete Verein mit seinen Projekten nicht bei der heute selbstverständlichen Nutzung elektronischer Ressourcen für Recherche und Unterstützung von Forschungsarbeiten haltgemacht hat, sondern hiermit sein Satzungsziel, die "Förderung des EDV-Einsatzes als Mittel der Forschung und Lehre in den Geschichtswissenschaften"2, beständig und dynamisch weiterentwickelt. Die Beiträge befassen sich dabei nicht nur mit der Beschreibung konkreter Projekte im E-Learning-Bereich, speziell zur Antike, sondern gehen auch auf die Details der inhaltlichen wie formalen Aufarbeitung von Informationen für ein E-Learning-Angebot ein.

Den Auftakt bildet der sehr persönlich gehaltene, aber dadurch nicht minder interessante Bericht von Beat Näf, Professor für Alte Geschichte an der Universität Zürich, über "Erfahrungen bei der Entwicklung und beim Einsatz der 'Geschichte der Antike. Ein multimedialer Grundkurs' (CD-ROM / Webversion)" (S. 1-25). Näf schildert zunächst sein eigenes (wissenschaftliches) Wachsen mit und an der technologischen Weiterentwicklung von Personalcomputern, deren Leistungsfähigkeit in den 1990er-Jahren des 20. Jahrhunderts enorm zunahm. Dabei habe sich der PC nicht nur einen nicht mehr wegzudenkenden Platz in der Wissenschaft als Speicherort für wissenschaftliche Informationen gesichert, sondern seit Ende der 1990er-Jahre auch mehr und mehr eine didaktische Funktion übernommen, nämlich über eine spezielle Software Lerneinheiten für einen entsprechenden Benutzerkreis bereitzustellen. In diese Entwicklung von hochwertigem Didaktikmaterial fällt dann auch sein an der Universität Zürich bearbeitetes Teilprojekt des Antiquit@s-Programmes 3, die "Geschichte der Antike. Ein multimedialer Grundkurs". Dieser Grundkurs ermöglicht es, sich entweder online oder via CD-ROM in die Geschichte des Altertums sowie in die Methoden und Hilfswissenschaften des Faches Alte Geschichte einführen zu lassen.4 Ein interaktives Lernmodul simuliert dabei Prüfungsfragen, welche die einzelnen Kapitel und Basistexte vorbereiten. Eindrucksvoll beschreibt Näf, wie sehr sich in der Zeit des Projektes sein Leben vom forschenden Wissenschaftler weg und hin zum Wissenschaftsmanager wandelte. Mithin ist der Beitrag auch eine (negative) Abrechnung mit den überkommenen (hier: schweizerischen) Verwaltungsstrukturen von Wissenschaft, die für den kreativen Part bei der Erstellung von E-Learning-Programmen (wie bei jeglicher Forschung) wenig Raum, Zeit und Geld lassen.

Wie wichtig gerade der kreative Part bei der Erstellung dieses E-Learning-Angebotes innerhalb der Produktplanungs- und -umsetzungsphase gewesen ist, stellt Stephan Näf in seinem Beitrag "Der Konstantinsbogen - Herstellung einer Animation für den multimedialen Grundkurs 'Geschichte der Antike'" (S. 27-41) vor. Im Zusammenhang mit dem Projektkurs "Interaktives Multimedia" und einer Einführung in das Autorenprogramm Macromedia Director 5 an der Neuen Kantonsschule Aarau erstellten die SchülerInnen mithilfe der Software in fünf Arbeitsphasen eine Lerneinheit über das Bildprogramm des Konstantinsbogens. Anschaulich erläutert Näf, wie die Entwicklung des Produktes mit einer gezielten Planung sowie einer Definition in Form eines Anwendungsprofils begann, über die Materialgenerierung, das Erstellen eines Drehbuchs und eines Grunddesigns fortschritt und mit den schwierigen Phasen der Programmierung/Medieneinbindung und dem abschließenden Testing/Mastering endete. Diese Gesetzmäßigkeiten des Ablaufes zu erkennen und erst mit und nach dieser gründlichen Planung in ein Projekt zu starten, sind seiner Meinung nach ein guter Weg, um ein lauffähiges und fehlerfreies Programm zu erstellen, da so eventuelle Modifizierungen und Probleme am leichtesten abgefedert werden können.

Mit der Erstellung der lauffähigen Version eines E-Learning-Programmes endet jedoch der Entwicklungs- und Auswertungsprozess noch lange nicht, wie Gerold Ritter und Andreas Kränzle in "Die Erhebung und Auswertung von Benutzerdaten zur Erfolgskontrolle von E-Learning-Angeboten am Beispiel von Ad fontes" (S. 43-62) evident machen. Anhand des Archivtrainingprogrammes "Ad fontes" 6 zeigen die Autoren auf, wie die vielfältigen Benutzerdaten, die teils automatisch, beispielsweise über die Zugriffsstatistik des Webservers, teils freiwillig über eine Benutzeranmeldung generiert werden, zur statistischen Auswertung genutzt werden können. Somit sind nicht nur bloße Benutzerzahlen feststellbar, sondern auch differenzierte Aussagen etwa über die Benutzerklientel, deren Alter, Geschlecht, Herkunft sowie über die durchschnittliche Lernzeit und den Lernfortschritt möglich. Alle diese Daten können zur Überprüfung der anfangs erstellten Anwendungsprofile herangezogen werden. Es ist dann auch möglich, Modifizierungen am Angebot vorzunehmen, um vermehrt das Zielpublikum anzusprechen.

Nachdem die ersten drei Beiträge eher den Entstehungsablauf eines E-Learning-Angebotes abhandelten, nehmen die beiden folgenden Aufsätze verstärkt die Einbindung von Geo-Informationen bei E-Learning-Produkten in den Blick. Gyula Pápay ergründet dabei die "Anwendung von Methoden der digitalen Bildbearbeitung zur Erforschung der Herausbildung der Kartennetzentwurfslehre in der Antike" (S. 63-71). 7 Da aus der Antike kein Erdglobus überliefert ist, jedoch die Globen in den theoretischen Schriften von Ptolemäus eine zentrale Rolle einnehmen, hat Pápay zudem den computergestützten Versuch unternommen, "die Rekonstruktion des ptolemäischen kartografischen Weltbildes auch in dreidimensionaler Form durchzuführen" (S. 69). Ferner weist er durch einen Vergleich zwischen dem virtuell erzeugten "ptolemäischen Globus" und dem Globus in Raffaels Bild "Schule von Athen" (1509/10) überzeugend nach, dass "eine Weltkarte von Ptolemäus für den 'Raffael-Globus' keineswegs als Modell dienen konnte" (S. 71). Als Vorlage für Raffael komme nur ein in der Renaissance angefertigter Globus in Betracht, der später verloren gegangen sei.

Lehrreich, nur mit viel zu vielen orthografischen und grammatischen Fehlern im Text 8, ist die Abhandlung von Consuelo Fabiana Zoccari: "Geschichte anschaulich machen. Aufgaben und Möglichkeiten der computergestützten Kartographie" (S. 73-108). Mit reichem Bildmaterial versehen, skizziert Zoccari die Bedeutung von historischen Karten im Geschichtsstudium anhand der unterschiedlichen Darstellung des alten Italien in einigen historischen Atlanten, wie den "Formae Orbis Antiqui", dem "Atlante storico De Agostini", den beiden deutschen Standardwerken "Großer Historischer Weltatlas" und "Westermanns Großer Atlas zur Weltgeschichte" sowie dem neuesten internationalen Standardwerk, der "Barrington Atlas of the Greek and Roman World". Da dessen Karten zumeist schon digital erzeugt wurden, wägt Zoccari im Folgenden ab, ob eine solche computergestützte Kartografie der Antike eher mit normalen Grafikprogrammen oder über Geo-Informationssysteme (GIS) wie etwa ArcView 8.x 9 ausgeführt und erstellt werden sollte. Seiner Meinung nach liegen dabei die Vorteile der GIS-Projekte klar auf der Hand. So erlaubt ArcView 8.x den Zugriff auf Datenbanken, u.a. mit bereits visualisierten Daten, ebenso ist ein webbasiertes interaktives Projekt möglich; die Abgleichung von ausgeführten Operationen geschieht auf der Karte automatisch, während dies bei Grafikprogrammen zusätzlichen Arbeitsaufwand, wie etwa Einscannen und Nachbearbeiten, erfordert.

Zum Abschluss des Bandes greift Alexander Krikellis in seiner interessanten Studie über "Software-Ergonomische Gestaltungsprinzipien" (S. 109-138) einen bisher unterschätzen Bereich nicht nur bei der Gestaltung von E-Learning-Programmen auf, nämlich die Beachtung der Bedienerfreundlichkeit der Soft- und Hardware für den Endbenutzer. Die Computer-Ergonomie will durch eine benutzerfreundliche Ausrichtung von Programmen und Steuerelementen physische wie psychische Belastungen und Gesundheitsbeeinträchtigungen der Nutzer vermeiden und hat dazu mit DIN 66234 und ISO 9241 maßgebliche Normen für die Computeranwendung herausgegeben, welche die ganze Breite der computergestützten Arbeitswelt, von der Wahrnehmbarkeit der Zeichen auf dem Bildschirm bis hin zur Gestaltung des Arbeitsplatzes, abdecken. Doch auch innerhalb dieser Normen sind noch viele Variablen und Fehler möglich, die einem Programm den Weg zum Erfolg erschweren. So sind beispielsweise die Abstimmung von Schrift- und Hintergrundfarbe für die Lesbarkeit erforderlich, jedoch sind dabei auch religiöse und/oder ethnisch-kulturelle Assoziationen zu berücksichtigen. Die Ausdifferenziertheit dieser möglichen Gestaltungsprinzipien und das Aufzeigen von Fallen und Fehlern machen den Beitrag für jeden Gestalter zu einem Muss.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass dieser Band, trotz einiger formaler Mängel 10, einen breiten wie tiefen Einblick in die scheinbar schöne neue Welt des E-Learning eröffnet. Mehr Fachbeiträge dieser Art werden dazu beitragen, die E-Learning-Angebote zukünftig auch inhaltlich fundierter aufzustellen.

Anmerkungen:
1 <http://www.google.de/>; die Suche unter dem Stichwort "E-Learning" ergab am 17.10.2005 63.300.000 Einträge.
2 Die Satzung, eine Liste des Vorstandes und aktuelle Berichte und Projekte sind unter <http://www.age-net.de/> (25.10.2005) abrufbar. Die AGE stellt die deutsche Sektion der International Association for History and Computing (I-AHC) dar und vertritt Deutschland in den Gremien dieser weltumspannenden Vereinigung.
3 Das Antiquit@s-Lernprogramm ist ein Teilprojekt des Swiss Virtual Campus (<http://www.virtualcampus.ch/>) und erreichbar unter: <http://elearning.unifr.ch/antiquitas/> (25.10.2005).
4 Online unter der Adresse: <http://www.hist.unizh.ch/eag/> (25.10.2005). Der Verlag J.B. Metzler, Stuttgart bietet eine CD-ROM des Programms (ISBN 3-476-02007-X) als Ergänzung und Begleitung des von Hans- Joachim Gehrke und Helmuth Schneider herausgegebenen Studienbuches zur Geschichte der Antike (Geschichte der Antike. Ein Studienbuch, Stuttgart 2000); zur CD-ROM vgl. die Rezension von Ernst Baltrusch in H-Soz-u-Kult vom 28.07.2004: <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-3-070/> (25.10.2005).
5 Vgl. <http://www.macromedia.com/software/director/> (25.10.2005).
6 Das "Ad fontes"-Archivlernprogramm ist abrufbar unter: <http://www.adfontes.unizh.ch/> (25.10.2005).
7 Leider fehlt die im Beitrag als beiliegend angekündigte CD-ROM mit dem virtuellen Globus zum Weltbild der Antike und einer Powerpoint-Präsentation, auf deren Folien im Text verwiesen wird. Laut den Herausgebern soll jedoch eine Download-Möglichkeit im Internet geschaffen werden, um die Dateien zur Verfügung zu stellen. Dem Band soll hierzu ein entsprechender Hinweis beigelegt werden.
8 Um nur einige Beispiele zu nennen: S. 77 muss es heißen: "für die Alte Geschichte", nicht: "für die alte Geschichte"; ebd.: "Zu diesem Zweck wird der Artikel in zwei Teile geteilt." statt: "Zu diesem Zweck, wird der Artikel in zwei Teilen geteilt."; ebd.: "setzt" statt "setz"; S. 74: "Samnitischen Kriegen" statt: "Sannitischen Kriegen"; S. 75: "Diese Karte war […] begonnen und […] beendet worden." statt: "Diese Karte war […] begonnen und […] beendet." Insgesamt fanden sich bei zurückhaltender Anwendung der deutschen Grammatik, Zeichensetzung und Orthografie weit über 50 Fehler auf 16 Textseiten!
9 Informationen unter: <http://www.esri.com/software/arcview/> (25.10.2005).
10 Neben den bereits erwähnten auffällig vielen Fehlern in Grammatik, Orthografie und Zeichensetzung, insbesondere im Beitrag von Zoccari, aber selbst im Inhaltsverzeichnis (z.B. in der Ankündigung des Beitrags von Alexander Krikellis: "Software-Ergonomische Gestaltungsprinzipien" statt: "Software-Ergonomische Gestaltunsprinzipien") ist im Rezensionsexemplar S. 34 schief gedruckt. Ein gründlicheres Lektorat ist in jedem Falle anzumahnen.

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