H. Schlange-Schöningen: Augustus

Cover
Titel
Augustus.


Autor(en)
Schlange-Schöningen, Heinrich
Reihe
Geschichte kompakt – Antike
Erschienen
Anzahl Seiten
IX, 157 S.
Preis
€ 14,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Wendt, Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin

Innerhalb der Reihe "Geschichte kompakt" nimmt sich Heinrich Schlange-Schöningen des Begründers des römischen Kaisertums an. Dabei wird bereits anhand der Gliederung deutlich, wie der Autor das Thema gewichtet: Vergleichbarer Raum wird den Themenblöcken Aufstieg und Machterwerb (S. 27-80) wie Ausgestaltung der Monarchie (S. 81-145) gegeben, woraus bereits die stetig betonte Einbettung der augusteischen Zeit in republikanische Traditionsbezüge erhellt. Die Darstellung ist in sehr klarem, flüssigem Stil gehalten und vermag die entscheidenden Aussagen gut zu pointieren. Dabei ist der in der Reihe übliche Einbezug von Quellen logisch und überzeugend, sowohl in grafisch abgesetzten Zitaten wie auch in den häufigen hilfreichen Verweisen des Autors. Man mag teilweise exemplarische Forschungsmeinungen vermissen, die nur selten Einzug in den Text finden. Die für den Fluss der Darlegung in derartigen Exkursen liegenden Gefahren vermeidet Schlange-Schöningen so jedoch und konzentriert sich auf seine vornehmlich deskriptive Aufgabe. Überblickstafeln, Zeitleisten und separat gekennzeichnete Begriffserläuterungen ermöglichen auch dem nicht intensiv Vorgebildeten das Verständnis; insofern folgt der Autor dem schlüssigen Konzept der Reihe.

Bereits das Einführungskapitel fokussiert den Schwerpunkt des Buchs auf das zentrale Paradoxon, die Wahrnehmung des Augustus zwischen den Extremen seiner Herrschaft und der Ambiguität der Einordnung seiner Person zwischen Republik und Monarchie. Originell und souverän problematisiert Schlange-Schöningen - ausgehend vom Symbolwert, den das augusteische Zeitalter noch für Robert Frost anlässlich der Amtseinführung John F. Kennedys gehabt hatte - die "Widersprüchlichkeit" (S. 5) der Figur des Augustus, die Diskrepanz zwischen Resultat und Aufrichtung des Prinzipats sowie das Echo der Nachwelt und stellt so exemplarisch die Facetten seines Themas vor, die darauf folgend behandelt werden.

Nach einem kurzen Abriss der römischen Weltreichsbildung mit ihren innenpolitischen Implikationen (S. 14-27), der einige Urteile enthält, die dezidiert vorgetragen, aber zumindest streitig sind: So handelte Pompeius laut Schlange-Schöningen aus "Notwehr" und betrachtete die römischen Traditionen als "verbindlichen Wert" (S. 25); ganz im Gegensatz zu Syme 1 oder Raaflaub2, bezeichnet er Octavian als "Erbe[n] Caesars und damit Erbe[n] dieses Bürgerkriegs" (S. 26). Ob eine derartige Parallele statthaft ist, mag dahinstehen, die Traditionslinie des divi filius wird mehrfach und deutlich aufgezeigt. Im Folgenden zeichnet der Autor Herkunft und Aufstieg Octavians nach und betont zu Recht dessen Kompromissbereitschaft, die aus der Notwendigkeit zur Legitimation entsprang (etwa S. 49). Octavians Stellung im zweiten Triumvirat als anfänglich schwächer als die des Lepidus zu werten (S. 54), ist legitim, wenn auch gewagt - dagegen etwa Bleicken 3; die in Auseinandersetzung mit Plutarch formulierte Aussage, Octavian habe nach Philippi mit Rom und Italien die stärkere, da legitimiertere Basis im Kampf um die Macht innegehabt (S. 81), ist gerade vor dem Hintergrund der selbst angeführten Probleme mit Landkonfiskationen und der zu bekämpfenden Rivalen wie Lucius Antonius oder Sextus Pompeius ein Argument ex post, das nicht ohne weiteres zu übernehmen ist. Hingegen ist die Betonung des im Jahr 32 erfolgten Treueeids Italiens als eines konstitutiven Moments für die spätere Princeps-Stellung (S. 76f.) treffend und überzeugend.

Im Hinblick auf die Alleinherrschaft nach Actium beschreibt Schlange-Schöningen zunächst die allmähliche Herausbildung einer "Prinzipatsverfassung" (S. 97) in ihrer diffizilen Ambivalenz zwischen Republik und Monarchie (der Autor selbst spricht von "Janusköpfigkeit", S. 6), danach folgt ein erstaunlich ausführlicher Abschnitt (S. 100-113) zum Thema der kultischen Gestaltung des Prinzipats. Hierin muss eine geglückte Wertung gesehen werden; innerhalb der augusteischen Herrschaftskonzeption nimmt die differenzierte Nutzung der sakralen Möglichkeiten eine Schlüsselrolle ein, die Schlange-Schöningen auch mit Blick auf die reichsweit propagierte Herrschaftsideologie feststellt. Die Ausgefeiltheit (oder "Raffinesse", wie der Autor es ausdrückt, S. 111) der Repräsentation macht er etwa am Beispiel der ara Pacis in ihrem Bezug auf das Horologium fest und folgt dabei explizit Buchner 4 in dessen Analyse. Eine Vergöttlichung zu Lebzeiten in Rom lehnt Schlange-Schöningen mit der überwiegenden Mehrheit der Forschung ab (S. 112); die kultische Komponente, exemplarisch in der Verherrlichung der lares Augusti, sieht er als ein besonderes Bindungsinstrument der plebs urbana an den Princeps. Es folgen die letzten Kapitel (114-145), die knapp und prägnant das Wirken des Monarchen in Rom und außerhalb des Imperiums darstellen. Hier herrscht die Ereignisgeschichte vor, jeglicher andere Ansatz würde den gesetzten Rahmen naturgemäß sprengen. Rom steht dabei stetig im Mittelpunkt des Interesses; die Auswirkungen der Monarchie auf das Reich hätten womöglich etwas mehr Raum verdient, ein angesichts von 145 Textseiten zugegeben ans Vermessene grenzender Anspruch.

In seiner Schlussbewertung fasst Schlange-Schöningen zusammen, Augustus' Erfolg habe auf dem Geschick beruht, mit dem er die "komplizierte Konzeption" der res publica restituta, die im Grunde "zuviel politisches Feingefühl und zuviel Kompromissbereitschaft" verlangt habe (S. 143), gehandhabt habe. Allein dies und die so erklärliche Zustimmung zu seinen Maßnahmen hätten den Fortbestand der Alleinherrschaft gesichert. Die in seiner Nachfolge auftretenden Tyrannen Caligula und Nero seien am Fehlen eben dieser Fähigkeiten gescheitert, ohne dass eine Alternative zur Prinzipatsherrschaft je aufgeschienen sei. Die von Augustus geschaffene "Dynamik der Herrschaftsakzeptanz" (S. 145, an Flaigs "Akzeptanz-System" erinnernd 5) sei zum Parameter geworden, dem sich die Kaiser auf Jahrhunderte zu unterwerfen hatten. Schlange-Schöningen zeigt Augustus als Referenzfigur, die auch durch die spätantike Annäherung an das Christentum bis in die Neuzeit "eine der wichtigsten, positiven Bezugsgrößen im politischen Diskurs" geblieben sei (S. 145), womit der Schluss die Eingangsthese aufgreift. Die Auswahlbibliografie überzeugt durch die stringente Begrenzung auf die entscheidenden Werke, die thematisch gegliedert aufgeführt werden. Insbesondere für Studenten ergeben sich so ein schlüssiger Überblick und ein erleichterter Einstieg in eine vertiefende Beschäftigung mit der Thematik. Glücklicherweise wurde der Bedeutung der aufgeführten Titel als zentrales Auswahlkriterium Vorrang eingeräumt, anstatt primär die aktuellsten Erscheinungen aufzunehmen.

Schlange-Schöningen legt ein ausgezeichnet lesbares Einführungs- und Überblickswerk vor, das seinen Wert gerade seinem konventionellen Zuschnitt verdankt. Es schließt eine Lücke zwischen der Kurzdarstellung Ecks 6 und Kienasts Referenzbiografie.7 Revolutionäre Thesen können nicht das Ziel eines solchen Ansatzes sein; die Ausgewogenheit des Urteils, insbesondere in der Bewertung des Prinzipats, sowie die kompetente didaktische Vermittlung stehen im Vordergrund. Gekonnt sind darüber hinaus einige Gewichtungen vorgenommen, die den Komplex des Prinzipats perspektivisch gliedern. Insbesondere die trotz des knappen Umfangs vorgenommene Unterstreichung der Bedeutung wie der Ambivalenz des Augustuskults innerhalb der Herrschaftskonzeption ist ein Verdienst des Autors (ganz im Kienastschen Sinne 8). Leider sind einige Druckfehler dem Lektorat entgangen; dies schmälert den Wert dieses gerade für Studenten sehr empfehlenswerten Werks jedoch nicht im Geringsten.

Anmerkungen:
1 Syme, R., The Roman Revolution, Oxford 1939, S. 51.
2 Raaflaub, K., Dignitatis contentio. Studien zur Motivation und politischen Taktik im Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius, München 1974, S. 208f.
3 Bleicken, J., Zwischen Republik und Prinzipat. Zum Charakter des Zweiten Triumvirats, Göttingen 1990, S. 8.
4 Buchner, E., Die Sonnenuhr des Augustus, Mainz 1982.
5 Flaig, E., Den Kaiser herausfordern: die Usurpation im Römischen Reich, Frankfurt am Main 1992, S. 174ff.
6 Eck, W., Augustus und seine Zeit, München 1998.
7 Kienast, D., Augustus. Princeps und Monarch, Darmstadt 1999.
8 Kienast (wie Anm. 7), S. XV.

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