F. Torma: Eine Naturschutzkampagne in der Ära Adenauer

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Titel
Eine Naturschutzkampagne in der Ära Adenauer. Bernhard Grzimeks Afrikafilme in den Medien der 50er Jahre


Autor(en)
Torma, Franziska
Erschienen
München 2004: Martin Meidenbauer
Anzahl Seiten
213 S.
Preis
€ 36,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Geulen, Institut für Geschichte, Universität Koblenz-Landau

Magisterarbeiten werden selten veröffentlicht und noch seltener wird daraus ein wirklich lesenswertes Buch. Franziska Tormas Studie über "Bernhard Grzimeks Afrikafilme in den Medien der 50er Jahre" ist aber nicht nur lesenswert, sondern ein echter Beitrag zur deutschen Kulturgeschichte der frühen Bundesrepublik. Sieht man von stilistischen Mängeln und gelegentlichen Redundanzen ab, hat Torma ein hoch interessantes und in den meisten Teilen überzeugendes Buch zur eigenartigen Rolle der afrikanischen Wildnis im Bewusstsein der deutschen Gesellschaft in den 1950er-Jahren geschrieben.

Ihre Hauptthese lautet: Grzimeks bekannte Afrikafilme ("Kein Platz für wilde Tiere" und "Serengeti darf nicht sterben") waren nicht zuletzt deshalb so erfolgreich, weil sie als ein Medium zur Einübung postfaschistischer Friedfertigkeit rezipiert wurden. Gerade indem Grzimek in seinen Filmen typische Motive der imperialen und nationalsozialistischen Großmachtträume aus Deutschlands Vergangenheit aufnahm, sie aber in den neuen Kontext des internationalen Naturschutzes stellte, wurden sie zugunsten eines nachkolonialen und zivilen deutschen Selbstbildes "diskutiert und verabschiedet". Insbesondere Grzimeks scharfe Kritik an der Großwildjagd stellte ein solches Medium dar, in dem nicht nur die Jagd an sich, sondern ihre imperiale Tradition und die an sie geknüpften Bilder vom "großen weißen Jäger" zur Disposition gestellt und in ein neues, ziviles Bild von der Verantwortung Deutschlands für Afrika umgemünzt wurden. Im Kontext dieser hintergründigen, gesellschaftspolitischen Relevanz seiner Afrikafilme konnte Grzimek noch von der Tradition zehren, die zu verabschieden er antrat und sich zugleich selber als der neue deutsche Afrika-Held inszenieren.

Letzteres wird bei Torma allerdings nur am Rande deutlich, wie ihre Analysen überhaupt zu unkritisch bleiben. Der Hauptthese vom Afrika-Naturfilm als Zivilisierungsmedium der deutschen Gesellschaft wird jede weitergehende Frage nach dem "Erfolg" dieses Mediums, nach seinen Kehrseiten und eventuell gegenläufigen oder problematischen Effekten geopfert. Überzeugender sind demgegenüber die konkreten Analysen der Motive, Repräsentationsformen und Bilder, aus denen Grzimek seine moralischen Botschaften zusammensetzte und deren Effektivität Torma nicht nur an den Filmen selber und an Grzimeks Schriften, sondern ebenso an ihrer breiten zeitgenössischen Rezeption verdeutlichen kann, die in Zuschauerzuschriften, Zeitungsartikeln und Leserbriefen dokumentiert ist. Die Natur etwa, bis dahin beherrscht, genutzt oder gepflegt, in jedem Fall aber vom Menschen reguliert, wurde bei Grzimek als ein Raum imaginiert, der nur dann wirklich als Natur gelten konnte, wenn er unberührt und menschenleer ist. Diese Vision einer "reinen Wildnis" richtete sich nicht nur gegen ihre imperiale Ausbeutung, sondern ebenso gegen die in Afrika selbst beheimateten Kulturen, was etwa Bevölkerungsverschiebungen zum Schutz der Natur durchaus in den Horizont des Grzimekschen Programms rückte. Auch dieser Punkt aber wird von Torma zugunsten der positiv zivilisierenden Effekte, die das neue Naturbild im Kontext der innerdeutschen Befindlichkeit am Ende der 1950er-Jahre hatte, nur angedeutet.

Ein anderer interessanter Aspekt ist die sehr genau untersuchte Funktion der zu schützenden "wilden Tiere" selber, die bei Grzimek, wie es Torma treffend beschreibt, präzise die Rolle übernahmen, die in früheren Zeiten der "edle Wilde" besaß. In diesem Sinne waren die Afrikafilme geradezu kunstvoll inszenierte Fortsetzungen einer seit der Aufklärung tradierten Zivilisationskritik. Diese formulierte Grzimek in einigen Passagen von "Serengeti darf nicht sterben" sogar so radikal, dass er Schwierigkeiten mit der Wiesbadener Filmbewertungsstelle bekam, die sie aufgrund einer zu weit gehenden Verunglimpfung der abendländischen Kultur streichen wollte. Dass es zu dieser Zensur am Ende nicht kam, zumal Grzimeks generelle Botschaft auch schon längst ins öffentliche Bewusstein gedrungen war, deutet Torma als Beleg für ein sich liberalisierendes Klima in der Bundesrepublik am Ende der 1950er-Jahre.

Dieser Ansatz, das vermeintlich abseitige Thema des Naturfilms im Hinblick auf das moralische und politische Selbstverständnis der frühen Bundesrepublik zu befragen, ist die überzeugende Grundidee des Buches. Zugleich wird hier aber auch ein echtes Problem der zeitgeschichtlichen Forschung deutlich, die sich beim Blick auf die 1950er-Jahre bisweilen in der Dichotomie von Überhang und Neubeginn, von antiliberaler und liberaler Mentalität, von totalitärem und demokratischem Befinden der Deutschen zu verrennen droht – als seien Demokratisierungsprozesse mit der moralischen Läuterung und mentalen Lossagung von undemokratischen Vergangenheiten identisch. Demgegenüber machen Tormas Analysen der Grzimekfilme implizit sehr deutlich, dass Liberalisierungseffekte und die Entstehung eines neuen, friedlich-liberalen Selbstbildes durchaus auch mit der Fortsetzung totalitärer Ideologieelemente veränderter Gestalt einhergehen können.

So leuchtet es zwar ein, Grzimeks Vision einer unberührten Natur als neues, friedfertiges und nicht mehr vom Großmachtdenken geprägtes Konzept zu deuten, das in diesem Sinne auch rezipiert wurde. Andererseits aber ist die Vision der Herstellung einer "reinen Natur" immer schon zentrales Motiv einer ganz anderen, nämlich rassistischen Zivilisationskritik gewesen und Grzimeks Wahrnehmung der Afrikaner als ein eigentlich störendes Element in ihrem eigenen Lebensraum weist durchaus in diese Richtung. Zudem hatte der moderne Naturschutzgedanke generell seinen historischen Ursprung inmitten des Hochimperialismus und wurde von diesem Kontext lange geprägt. Und schließlich sind in den Grzimekfilmen die klassischen Motive kolonialer und imperialer Weltverbesserung mindestens so präsent wie die Kritik an der modernen Naturausbeutung.

All das zeigt, dass die Formen und Medien, in denen sich die Deutschen an die Demokratie gewöhnten, komplexer und ambivalenter waren, als dass man sie in ihrer Funktion eindeutig zuordnen könnte. Mit dem Bild vom Abstreifen eines alten und Annehmen eines neuen Befindens kann wohl weder die "Stunde Null" noch das erste bundesrepublikanische Jahrzehnt ausreichend beschrieben werden. Auch die Transformationen und Wandlungen, durch die neue Erfahrungen mit alten harmonisiert wurden und das Alte im Neuen erhalten blieb, wollen verstanden sein. Insofern aber Tormas Studie in ihrer dichten Analyse von zwei Filmen und deren Rezeption zumindest implizit eben diesen Problemhorizont öffnet, ist ihr Buch unbedingt lesenwert.

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