H. J. Burgwyn: Empire on the Adriatic

Titel
Empire on the Adriatic. Mussolini's Conquest of Yugoslavia, 1941-1943


Autor(en)
Burgwyn, H. James
Erschienen
New York 2005: Enigma Books
Anzahl Seiten
385 S.
Preis
$ 21.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Malte König, Berlin

Schon Ende April 1941, nur wenige Wochen nach der 'Zerschlagung' Jugoslawiens, fragte sich Ernst von Weizsäcker, wer diesen "Sack voll von Flöhen" im Kriege wohl hüten solle.1 Hellsichtig sah der Staatssekretär im Auswärtigen Amt voraus, dass mit der Aufteilung und Besatzung des Gebietes die erwünschte 'Ruhe auf dem Balkan' noch lange nicht wieder hergestellt war. Die deutschen und italienischen Besatzer standen erst am Anfang einer kriegerischen Auseinandersetzung, die aus ethnischen und religiösen Faktoren stets neue Nahrung schöpfte; Aufstände, Partisanenkriege und brutale Repression standen bald auf der Tagesordnung und sollten diese auf Jahre nicht mehr verlassen.

Hat Klaus Schmider die deutsche Besatzungspolitik und die Partisanenbekämpfung in Jugoslawien erst kürzlich ausführlich dargestellt und analysiert 2, so liefert uns H. James Burgwyn, emeritierter Professor der West Chester University, mit der vorliegenden Untersuchung nun das italienische Gegenstück. Das wechselseitige Spiel der Kräfte, d.h. die institutionellen Konflikte, diplomatischen Rivalitäten und die Beziehungen der italienischen Militärs zu den besetzten Völkern stehen dabei im Mittelpunkt. Zugrunde liegen seiner Studie nicht nur die einschlägig bekannten Aktenpublikationen der italienischen und deutschen Außenministerien, sondern vor allem italienisches Archivmaterial militärischer und diplomatischer Provenienz. Vereinzelt führt Burgwyn außerdem Schlüsseldokumente aus Ljubljana und Belgrad an, die er sich eigens übersetzen ließ.

In eloquenter Weise gelingt es Burgwyn, die unterschiedlichen Intentionen und Lagebewertungen sowie die daraus resultierenden Machtkämpfe zwischen den politischen Kommissaren, den militärischen Verantwortlichen und dem italienischen Außenministerium transparent zu machen. Insbesondere an der Terrorherrschaft des kroatischen Ustaša-Regimes schieden sich die Geister. Generell galt es zwar, die Regierung Ante Pavelić' zu unterstützen, da dieser der Favorit Mussolinis war und trotz aller Unstimmigkeiten auch blieb. Doch den Vertretern der 2. Armee fiel es schwer, untätig zusehen zu müssen, wie die Ustaši Serben und Juden in brutalster Weise verfolgten und dadurch serbische Widerstandsbewegungen ins Leben riefen. In den Augen der führenden Militärs vor Ort war die Zusammenarbeit mit der Ustaša ein Fehler, die Sympathien lagen eindeutig auf der von Draža Mihailović geführten serbischen Četnik-Bewegung (S. 84f.). Als im Laufe des Jahres 1942 die kommunistische Partisanenbewegung unter Tito an Durchschlagskraft gewann, begann die 2. Armee zum Entsetzen der Deutschen und unter Missbilligung des eigenen Außenministeriums, mit den Četniks zu kooperieren - um die eine Widerstandsbewegung gegen die andere auszuspielen (S. 139-143). Eindringlich verdeutlicht Burgwyn nicht nur die Ambivalenz der italienischen Jugoslawienpolitik; er versetzt den Leser auch in die schwierige Position Mihailović’, der den Propagandakrieg gegen Tito und damit die Sympathien der Bevölkerung verlor (S. 76) und dem außer den italienischen Truppen schließlich kein Kooperationspartner mehr zur Verfügung stand (S. 265).

Bemühte sich die 2. Armee vorwiegend um die Befriedung und Sicherung des hinzugewonnenen 'Lebensraumes', so fassten die politischen Kommissare in Dalmatien, Slowenien und Montenegro die Faschisierung der Bevölkerung in den Blick. Eine wirksame Formel zur Italianisierung der Gebiete fand aber keiner der zivilen Bevollmächtigten. Nach Ansicht der Militärs, denen zunächst die Hände gebunden waren, entwickelte sich ein Territorium wie Montenegro vielmehr zu einem "Hospital" für Partisanen (S. 95). Die Assimilationspolitik scheiterte, die Aufstände nahmen zu, so dass Dalmatien, Slowenien und Kroatien schließlich zur militärischen Operationszone erklärt wurden. Unter der Führung von General Mario Roatta kam nun eine harte Repressionspolitik zum Zug, in welcher die Partisanen als Kriminelle betrachtet wurden und somit außerhalb des Kriegsrechts standen. Ausdrücklich wies Roatta im März 1942 seine Truppen darauf hin, dass Gewaltexzesse nicht disziplinarisch verfolgt werden würden. Nicht "Zahn um Zahn", sondern "Kopf um Zahn" lautete nun die Devise (S. 137). In der Praxis drehte sich die Beweispflicht daher bisweilen um: zivile Gefangene hatten ihr Unschuld zu beweisen, wollten sie nicht erschossen werden (S. 295).

H. James Burgwyn unterstreicht, dass sich die italienische Besatzungspolitik in den jugoslawischen Gebieten weder kohärent noch geradlinig entwickelte. Das 'Empire-building' Roms stagnierte relativ schnell, da ihm kein stringenter Plan zugrunde lag, sondern lediglich ad-hoc-Entscheidungen verschiedener Instanzen. Zu den widersprüchlichen Zielsetzungen von Gouverneuren, Diplomaten und Militärs trat die Rivalität mit den deutschen Besatzern. Denn in Jugoslawien, so Burgwyn, hatte das deutsch-italienische Achsenbündnis längst die Züge eines "kalten Krieges" angenommen (S. 167). Der von kroatischer und deutscher Seite gewünschten Auslieferung von Juden, die in Dalmatien Zuflucht gesucht hatten, kamen Roatta und Luca Pietromarchi, Vertreter des Außenministeriums, z.B. nicht nach, obwohl Mussolini bereits seine Einwilligung gegeben hatte. Mochten für Pietromarchis Entscheidung vielleicht humanitäre Gründe ausschlaggebend gewesen sein, so sah Roatta vor allem das Vertrauen der kooperierenden Četniks gefährdet, die befürchten mussten, ebenfalls ausgeliefert zu werden (S. 185-195). Als die Deutschen im Mai 1943 schließlich zur Entwaffnung der Četniks schritten, verletzte dieser Schritt auch das Prestige und den Ehrenkodex der 2. Armee (S. 234).

Wird auch die metaphernreiche Sprache Burgwyns nicht jedem deutschen Historiker gefallen, so ist doch festzuhalten, dass die wechselhaften, unübersichtlichen Verhältnisse in den von Italien besetzten Gebieten Jugoslawiens selten so klar auseinander dividiert wurden.3 Als Nachschlagewerk eignet sich dieses Buch allerdings nicht, da die Überschriften bisweilen keinen Hinweis auf den Inhalt des jeweiligen Abschnitts bieten. Dass das neunte Kapitel die Zusammenfassung und Schlussanalyse der Untersuchung bildet, bemerkt man erst während der Lektüre. Der große Vorteil einer solchen narrativ angelegten Geschichtsschreibung ist aber der, dass das Buch trotz seines deprimierenden Inhaltes anregend wirkt und man es gerne liest. Burgwyn bietet uns ohne Zweifel einen tiefen Einblick in die internen Machtkämpfe und äußeren Widerstände, von denen die Umsetzung der faschistischen Imperialismusträume begleitet und behindert wurde. Vor allem indem er die 'politiktreibende' Rolle der 2. Armee herausstellt, differenziert und erweitert Burgwyn unser Wissen über die italienische Besatzungspolitik in Jugoslawien.

Anmerkungen:
1 Hill, Leonidas (Hg.), Die Weizsäcker-Papiere 1933-1950, Frankfurt am Main 1974, S. 248.
2 Schmider, Klaus, Partisanenkrieg in Jugoslawien 1941-1944, Hamburg 2002.
3 Vgl. aber auch die kürzlich erschienene Studie Rodognos zur faschistischen 'Neuordnung' des Mittelmeerraumes: Rodogno, Davide, Il nuovo ordine mediterraneo. Le politiche di occupazione dell’Italia fascista in Europa (1940-1943), Turin 2003.

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