E. Fensch: Wie Honecker das Fernsehen wollte

Cover
Titel
"So und nur noch besser". Wie Honecker das Fernsehen wollte


Autor(en)
Fensch, Eberhard
Reihe
edition ost
Erschienen
Berlin 2003: Das Neue Berlin
Anzahl Seiten
256 S.
Preis
€ 14,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Heiner Stahl, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

Eberhard Fensch war seit 1968 Mitarbeiter in der Abteilung Agitation des Zentralkomitees der SED, später dann lange Zeit deren stellvertretender Leiter. In dem bei „edition ost“ erschienenen Buch „So und nur noch besser. Wie Honecker das Fernsehen wollte“ schreibt er seine ganz persönliche Mediengeschichte der DDR. Dieses autobiografisch angelegte Buch schwankt zwischen einer in engen Grenzen kritischen Auseinandersetzung mit dem DDR-Mediensystem und der Selbstvergewisserung über die „Richtigkeit“ des eigenen Lebensweges. Die Balance zwischen diesen Polen hält der Autor selten, die persönliche Involvierung erweist sich stärker als die retrospektive Beschreibung aus zeitlicher Distanz.

Fensch war Medienmacher und Kommunikator im Auftrag der Staatspartei, er vertrat die Parteilinie gegen die Widrigkeiten, die sich aus der Diskrepanz zwischen Anspruch und Alltagswirklichkeit in der DDR ergaben. Als typisches Mitglied der Aufbaugeneration des sozialistischen Staates traten persönliche Ziele und familiäre Belange gegenüber den Anforderungen des Kollektivs und der Partei in den Hintergrund. Die Parteidisziplin war der absolute Bezugspunkt seines Handelns. Den Konflikt mit seinem aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrten Vater spart der Autor nahezu aus. „Je mehr ich mich politisch engagiere, umso unausstehlicher wird mein Vater.“ (S. 19) Dieser schaffte den Neuanfang im Gegensatz zum Sohn nicht und ging 1951 schließlich nach Westberlin. Der ehemalige Hitlerjunge Fensch begriff dagegen die SBZ/DDR als Chance. Die Funktionärskarriere verlief bis in die 1950er-Jahre hinein steil nach oben. Die Republikflucht des Vaters war schließlich der Anlass für eine parteiinterne Intrige in der Rostocker SED-Kreisleitung. Infolgedessen wurde Fensch seiner Funktionen enthoben und 1953 zur Bewährung als FDJ-Sekretär an eine Werft nach Wismar geschickt. Der Parteidisziplin folgend stellte der junge Vater auch in diesem Falle alle privaten Verpflichtungen zurück. Er verhielt sich – in seinen eigenen Worten – stalinistisch: „Der Einzelne ist nichts, die Partei ist alles.“ (S. 35) Hier wird die Anschlussfähigkeit an Kollektivvorstellungen deutlich, die über die Zusammenbruchs- und Übergangsgesellschaft der 1940er-Jahre hinaus fortbestehen. Sie sind auch bei Fensch ein Aspekt der volkseigenen Erfahrung.1

In Wismar begegnete der junge Parteisoldat anderen Funktionären, die ihn auf unterschiedliche Weise erneut förderten. Er übernahm die Betriebszeitung und den Betriebsfunk, wurde 1956 Sendeleiter und Redakteur im Studio Rostock, bald darauf kommissarischer Direktor des Schweriner Senders und 1959 Chef des Senders Rostock. Ab August 1961 leitete er schließlich die Wirtschaftsredaktion von Radio DDR I in der Berliner Nalepastrasse. Sein politischer Ziehvater, der Rostocker SED-Bezirksfürst Karl Mewis, übernahm zu diesem Zeitpunkt den Vorsitz der Staatlichen Plankommission. So „sind auch die Würfel für mich gefallen“ (S. 63): Fensch reihte erneut verschiedene Aufgaben und Stationen aneinander, und sein zweiter Aufstieg gestaltete sich nun bruchlos aber nicht weniger fremdbestimmt als der erste. Die Darstellung weist hier einige Parallelen zu Günter Herlts Lebenserinnerungen „Sendeschluß“ auf. 2

Der ZK-Sekretär für Agitation und Propaganda, Werner Lamberz, gewann Fensch für eine Tätigkeit in seiner Abteilung (S. 94). Von nun an war der Wirtschaftsjournalist für die Anleitung von Radio und Fernsehen zuständig. Die Grundlage dafür bildete ein verzweigtes Netz aus persönlichen Bekanntschaften zu den Programmgestaltern: „In der Hauptsache leiste ich Ideenarbeit für die Programme beider Medien und helfe, Problemlösungen zu finden. Ich bin Ratgeber, Hilfsorgan und Kontrollinstanz in einem.“ (S.100) Hier zeigt sich die Feingliedrigkeit des Anleitungssystems, in dem die Realität des Mediums ständig mit der Parteilinie und dem Kontrollregime des Agitationssekretärs Hermann in Übereinstimmung gebracht werden musste (S. 193).

Aus der prinzipiellen Unterstützung des neuen sozialistischen Projekts einerseits und den realen Zwängen von Parteiauftrag und Pflichterfüllung und verkrusteten Betriebs- und Parteistrukturen andererseits, leitet Fensch sein Verständnis von „Problemjournalismus“ im Koordinatensystem der realexistierenden Republik ab. „Wir regten uns darüber zwar auf, aber nahmen es in jener verhängnisvollen Mischung von Parteidisziplin, Selbstzensur und auch taktischem Kalkül hin.“ (S. 77) Hier zeigen sich die Formen der Interventionen von übergeordneter Stelle. Leider bricht der Autor diesen Exkurs zu schnell wieder ab und vermeidet hier eine tiefer gehende Beschreibung und Auseinandersetzung.

Insgesamt sind die Erinnerungen von Eberhard Fensch aufgrund der retrospektiven Selbststilisierungen durchaus problematisch. Andererseits werden in diesen Schlaglichtern auf ein Arbeitsleben im DDR-Partei- und Medienapparat Überlebensstrategien eines Parteiarbeiters im Zentralkomitee freigelegt und die damaligen Überzeugungen offen benannt. Damit kann das Buch Einblicke in das Selbstverständnis eines Medienlenkers im Realsozialismus vermitteln, die der normative Blick der westdeutschen Nachwendeforschung eher verstellt als transparent gemacht hat.

Anmerkungen:
1 Niethammer, Lutz; Plato, Alexander v.; Wierling, Dorothee, Die volkseigene Erfahrung. Eine Archäologie des Lebens in der Industrieprovinz der DDR, Berlin 1991.
2 Herlt, Günther, Sendeschluß, Berlin 1995.

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