Cover
Titel
Paul Carell. Ribbentrops Pressechef Paul Karl Schmidt vor und nach 1945


Autor(en)
Benz, Wigbert
Anzahl Seiten
112 S.
Preis
€ 16,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Carsten Dams, Dokumentations- und Forschungsstelle für Polizei- und Verwaltungsgeschichte, Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW

Paul Karl Schmidt, Pressechef des Auswärtigen Amts von 1940 bis 1945, gehört nicht zu den prominentesten Funktionären des NS-Staates. Gleichwohl war er einer der bedeutendsten Propagandisten des ‚Dritten Reichs’. Unter seinem Pseudonym Paul Carell prägte er dann in der Bundesrepublik mit seinen apologetischen Bestsellern „Unternehmen Barbarossa“, „Die Wüstenfüchse“ und „Stalingrad“ das Bild einer heldenhaften Wehrmacht. Wer also war Paul Karl Schmidt alias Paul Carell? Hierauf gibt der Historiker und Pädagoge Wigbert Benz in einer lesenswerten Studie Antwort.

Geboren 1911 trat Schmidt als 19-jähriger Schüler 1931 in die NSDAP ein und engagierte sich als Redner und später im Studentenbundsdienst. Er studierte Psychologie in Kiel und promovierte dort. Gleichzeitig machte er in der Partei Karriere, wie seine verschiedenen Ämter verdeutlichen: Stellvertretender Gaustudentenbundsführer Schleswig-Holstein, Gauredner, Gaustudentenführer und Gauhauptstellenleiter in Schleswig-Holstein. Ein ähnliche Karriere machte der zwei Jahre ältere Franz Alfred Six, der die Presseabteilung des SD aufgebaut hatte.1 Beide gehörten zu der Gruppe der nationalsozialistischen Studentenführer, die sich als wissenschaftliche Tatmenschen begriffen und die akademische Ausbildung und nationalsozialistische Überzeugungen miteinander vereinten. Diese wurden von Michael Wildt treffend als „Generation des Unbedingten“ beschrieben.2

1938 gelangte Schmidt ins Auswärtige Amt, da er durch seine Rednertätigkeit und die wissenschaftliche Ausbildung als Propagandaexperte galt. Im Oktober 1940 wurde er durch von Ribbentrop zum Chef der Nachrichten- und Presseabteilung im Auswärtigen Amt ernannt, nachdem er die Position des Stellvertreters bereits seit dem Frühjahr 1939 innehatte. Innerhalb der SS stieg er zugleich zum Obersturmbannführer auf. Eine solche atemberaubende Karriere war auch im NS-Herrschaftssystem die Ausnahme und unterstreicht, dass Schmidt kein Mitläufer war.

Zu seinen Aufgaben gehörte die Leitung der täglichen Pressekonferenzen des Auswärtigen Amts und er lenkte die deutsche Presse in außenpolitischen Fragen. Zudem war Schmidt für die Beeinflussung der Auslandspresse zuständig. Seine Abteilung umfasste zu Spitzenzeiten 200 Mitarbeiter. Auch dies zeigt die Bedeutung Schmidts, den man ohne weiteres zu den einflussreichsten Propagandisten des NS-Systems zählen darf. Am Beispiel des Judenmords in Ungarn 1944 zeigt Benz, wie Schmidt diesen propagandistisch vorbereitete (S. 37-47).

Schmidt wurde nach Kriegsende für zweieinhalb Jahre interniert. Obwohl die Alliierten über seine Rolle im NS-System durchaus informiert waren, gelang es ihm, sich als Zeuge der Anklage anzudienen und sich so trotz seiner exponierten Stellung glimpflich aus der Affäre zu ziehen. Es wurde gegen ihn nie ein Gerichtsverfahren eingeleitet.

Der Kalte Krieg erlaubte Schmidt die Fortsetzung seiner beruflichen Karriere: Er schrieb zunächst Broschüren, die für den Marschallplan und die europäische Einigung warben. In den 1950er-Jahren schrieb er dann für die damals populäre Zeitschrift „Kristall“ als Paul Carell Artikel über den Zweiten Weltkrieg, die den Grundstein für seine schriftstellerische Karriere legten. Weiterhin schrieb er unter anderen Pseudonymen für die „Zeit“ und die „Welt“. Für den „Spiegel“ betreute er die berühmt-berüchtigte Serie zum Reichstagsbrandprozess. Paul Karl Schmidt war die Integration in die prosperierende Nachkriegsgesellschaft gelungen. Mit seinem Buch „Unternehmen Barbarossa“ landete er dann 1963 einen internationalen Bestseller. Verlegt wurden seine Bücher im Ullstein-Verlag von Axel Springer, für den Schmidt zudem als Berater, Redenschreiber und Sicherheitschef tätig wurde. Wie eng das Verhältnis von Schmidt zu Axel Springer war, verdeutlicht die Tatsache, dass Schmidt derjenige war, der die Identifizierung von Springers Sohn nach dessen Selbstmord 1980 übernahm. Paul Karl Schmidt starb 1997 als erfolgreicher Autor und Apologet des Vernichtungskriegs der deutschen Wehrmacht. Kriegsverbrechen tauchten in der Welt Paul Carells nur auf Seiten der Roten Armee auf.

Auf knappem Raum hat Benz eine materialreiche Darstellung vorgelegt, die in weiten Teil überzeugt. Kritisch ist anzumerken, dass Benz zu mitunter überlangen Zitaten neigt, die zudem nicht eingerückt oder besonders hervorgehoben sind und somit den Lesefluss stören. Bisweilen verfällt Benz zudem in den Stil einer Anklageschrift, möglicherweise aus Empörung, dass Schmidt nie angeklagt wurde. Dennoch überwiegt das positive und Benz ist es zu verdanken, dass Paul Karl Schmidt mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Vor allem die Wirkungsgeschichte seiner Nachkriegsschriften und Bücher dürften ein lohnendes Forschungsfeld sein.

Anmerkungen:
1 Hachmeister, Lutz, Der Gegnerforscher. Die Karriere des SS-Führers Franz-Alfred Six, München 1998.
2 Wildt, Michael, Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg 2002.

Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension