R. Lesaffer (Hg.): Peace Treaties and International Law

Cover
Titel
Peace Treaties and International Law in European History. From the Late Middle Ages to World War One


Herausgeber
Lesaffer, Randall
Erschienen
Anzahl Seiten
XX, 481 S.
Preis
£75.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Niels Fabian May, Eppingen

Seit dem Ende des Kalten Krieges wird das internationale Recht von der Wissenschaft wieder mit erhöhter Aufmerksamkeit betrachtet. Die lange Vernachlässigung zeigt sich aber noch immer darin, dass man für die Vertragstexte vor 1648 auf die alten Editionen zurückgreifen muss, beispielsweise auf Dumonts „Corps universel diplomatique du droit de gens“ (1726-1731). Seit Oktober 2004 sind einige Verträge auch über die Homepage des Instituts für Europäische Geschichte in Mainz verfügbar, die mit der digitalen Edition der frühneuzeitlichen Friedensverträge eine Herkules-Aufgabe in Angriff genommen haben. Hingewiesen sei hier auch auf die seit Januar verfügbare vorbildliche Edition der Westfälischen Friedensverträge im Rahmen des APW-Projekts, die hinsichtlich der Edition von Verträgen sicherlich Maßstäbe setzen wird.1

Der Forschung zum internationalen Recht wurden Ende der 1990er-Jahre zwei große Impulse gegeben: Einerseits durch die Gründung des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt und anderseits durch das neue Veröffentlichungsorgan „The Journal of the History of International Law“. Eine Bilanz der Bemühungen der vergangenen Jahre zieht der vorliegende Band, der auf eine Tagung in Tillburg 2001 zurückgeht.

Der Rahmen ist überaus weit gesteckt, wesentlich weiter als es der Titel vermuten lässt: Während nach der Einleitung im ersten Teil die Grundentwicklungslinien von 1454 bis 1920 nachgezeichnet werde, beschäftigt sich der zweite Teil „Thinking peace: voices from the past“ mit den römischen bzw. mittelalterlichen Traditionsquellen für das moderne internationale Recht. Der dritte Teil überschrieben mit „Thinking peace: towards a better future“ widmet sich ideengeschichtlichen und institutionellen Entwicklungslinien des Völkerrechts. Im letzten Teil „Making peace: aspects of treaty practice“ werden die jeweiligen Auswirkungen der Vertragspraxis auf die weitere internationale Entwicklung nachgezeichnet. Sehr hilfreich ist der Index aller behandelter Verträge eingangs des Buches, mit dem Verweis auf die jeweilige Edition und einem Verweis auf die entsprechende Seite des vorliegenden Bandes, wo der Vertrag genannt wird. Leider wird meist auf die Edition in großen Reihen wie beispielsweise die „Consolidated Treaty Series“ oder auf Dumont verwiesen, obwohl manche Verträge in neueren Editionen verfügbar wären. Hervorgehoben sei das gute Stichwortverzeichnis am Ende des Buches, was für Tagungsbände leider nicht selbstverständlich ist. Der im Anhang abgedruckte „Tractatus de confederatione“ wählt leider für Textvarianten die Hochstellung von Buchstaben, beispielsweise in der Reihung „ffffff“, was das Auffinden im Teil „Corrections and other readings“ zeitweise schwierig macht.

Im ersten Teil werden die Grundentwicklungslinien von Lodi (1454) bis Versailles (1920) nachgezogen. Diese Aufgabe übernehmen Randall Lesaffer, Heinz Duchhardt und Heinhard Steiger. Der Beitrag Lesaffers zeigt deutlich die Transformationen, die vor allem durch die Reformation ab 1550 auf die Verträge einwirken. Die Autorität der respublica christiana ist durch die beginnende Glaubensspaltung untergraben, auch wenn der Eid als Garantieformel bis ins 17. Jahrhundert erhalten bleibt. Jedoch verschwinden nach 1540 alle konkreten Referenzen auf die kanonische Rechtsprechung oder Sanktion; der Papst verliert als Rechtswahrungsinstanz seine Bedeutung. Im Gegensatz dazu nähert sich Duchhardt in seinem Beitrag, der die Zeitspanne zwischen dem Westfälischen Frieden und der Französischen Revolution umfasst, auf kategorisierende und typologisierende Weise. Immer wieder weist er auf Forschungslücken hin, die in nächster Zeit zu schließen sein werden. Der nachfolgende Artikel von Heinhard Steiger beschäftigt sich mit der Zeit zwischen dem Vertrag von Paris (1814) bis zu den Versailler Friedensverträgen (1919/20). Dieser Beitrag besticht vor allem durch seine klare Strukturierung. Von den vielfältigen Transformationen, auf die aufmerksam gemacht wird, sind zwei besonders hervorzuheben: Einerseits das Verschwinden traditioneller Ordnungsstrukturen wie der Kirchenstaat oder die Monarchie der Habsburger und die gleichzeitige Schaffung eines internationalen Ordnungsmechanismus im Rahmen des Völkerbundes.

Der zweite Teil „Thinking peace: voices from the past“ geht auf die antikrömischen und mittelalterlichen Wurzeln des internationalen Rechts genauer ein. Karl-Heinz Ziegler konstatiert in seinem Beitrag „The influences of medieval Roman law on peace treaties“ (S. 147-161), dass der direkte Einfluss der römischen Rechtstradition begrenzt war, aber dennoch nicht unterschätzt werden sollte, der sich vor allem durch den „process of a general rising of scholary standard“ (S. 160) auswirkte. Hanna Vollrath verdeutlicht im anschließenden Beitrag, dass rituelle Handlungen wie Friedenskuss oder Unterschrift nicht bindend sind, solange es keine Institutionen gibt, die die Einhaltung des gesetzten Rechtsbestandes garantieren. Diese Aufgabe wurde während des 12. Jahrhunderts allmählich vom kanonischen Recht übernommen. Der letzte Aufsatz des dritten Teils von Laurens Winkel beschäftigt sich mit dem Nachweis des Einflusses des römischen Rechts, vor allem des Prinzips des „uti possidetis“ auf die westfälischen Friedensverträge. Leider zitiert der Autor nicht nach der Edition der APW. Die Rezeption der Studie über Le Brun hätte sicherlich noch manchen Erkenntnisgewinn beisteuern können.2

Im dritten Teil setzt sich Marc Bélissa mit der französischen Völkerrechtssituation der Aufklärung vor allem anhand der Schriften Gabriel Bonnot de Mablys auseinander. Ingo Hueck widmet sich in seinem Beitrag den unterschiedlichen institutionellen Verankerungsmechanismen des Völkerrechts in Form von Zeitschriften, Instituten und Universitätslehrstühlen, um die Position Deutschlands zu den Haager Konferenzen 1899 und 1907 zu verdeutlichen. Die deutsche Position ist bis zum Zweiten Weltkrieg durch eine Verharmlosung des Krieges gekennzeichnet, die Ablehnung gegen internationale Regelmechanismen ist vor allem ausgangs des 19. Jahrhunderts gewaltig. Abschließend versucht Andreas Osiander in seinem Beitrag „Talking peace: social science, peace negotiations and the structure of politics“ eine neue Methodologie zu etablieren. Während der politische Realismus der internationalen Beziehungen immer von unveränderlichen Grundkonstanten ausgegangen ist, plädiert Osiander für eine Herangehensweise, die man als hermeneutisch bezeichnen könnte. Eine zentrale Rolle nehmen somit die Dokumente zu den Friedensverhandlungen selbst ein. „[W]e can learn much more about the assumptions underlying European politics in the mid-seventeenth century by studying the wealth of documentation left by the Peace Congress of Münster and Osnabrück than we can by studying, say, the (near-)contemporary writings of Hugo Grotius.“ (S. 313f.) So attraktiv dieser Ansatz dem Historiker auch scheinen mag, so sollte doch nicht vergessen werden, das gerade bei den westfälischen Friedensverhandlungen beispielsweise mit Théodore Godefroy, Jacob Lampadius oder Isaak Volmar ausgewiesene Juristen wesentlich auf die Verhandlungen Einfluss nahmen, auch wenn eine genauere Untersuchung dazu noch aussteht.

Im vierten Teil untersucht Ronald G. Asch das ius foederis der Reichsstände im Rahmen der Verfassung des Reichs. Der Autor hebt hervor, dass dieses Recht nicht als Kennzeichen der Souveränität gesehen werden darf, sondern vielmehr als „Widerstandsrecht“ (S. 334) verstanden werden sollte. Ob das Reich deswegen „a genuine state“ (S. 337) war, lässt sich nach Asch sowohl positiv als auch negativ beantworten. Stephen C. Neff untersucht die ökonomischen Aspekte von Friedensverträgen und zeigt an einer Vielzahl von Beispielen, dass beispielsweise den frühneuzeitlichen Friedensverträgen fast immer Handelsverträge folgten.

Der Band beleuchtet ein weites Spektrum des internationalen Rechts. Die ausgewogene Mischung von Historikern und Juristen unter den Autoren zeugt von der Bemühung, die beiden Disziplinen einander weiter anzunähren. Leider gelingt die Verkettung nicht immer, wie manchmal schon die Literaturauswahl zeigt. Die Zuordnung der Artikel zu den jeweiligen Abschnitten ist nicht immer deutlich. Insgesamt aber handelt es sich um einen fundierten Beitrag zur Geschichte des internationalen Rechts.

Anmerkungen:
1 www.pax-westphalica.de [Acta Pacis Westphalicae. Supplementa electronica 1]. Es werden die Originaltexte (ohne kritischen Apparat) und die älteren mehrsprachigen Übersetzungen bereitstellt.
2 Truchis de Varennes (Alberic de), Un diplomate franc-comtois au XVIIe siècle: Antoine Brun 1599-1654, Besançon 1932.

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