A. Behmel: Erfolgreich in den Geisteswissenschaften

Titel
Erfolgreich im Studium der Geisteswissenschaften.


Autor(en)
Behmel, Albrecht
Reihe
UTB M 2660
Erschienen
Tübingen 2005: UTB
Anzahl Seiten
272 S.
Preis
€ 15,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Gerrit Jasper Schenk, Historisches Institut, Universität Stuttgart

Mit Behmels Buch erscheint ein weiterer Ratgeber für Studierende auf dem offenbar unaufhaltsam expandierenden Markt einschlägiger Werke – und man darf sich fragen, ob die Besprechung eines derartigen Werkes für den Leserkreis von H-Soz-u-Kult überhaupt angezeigt ist. Angesichts der Probleme vieler Studienanfänger und auch höherer Semester mit dem Studium geisteswissenschaftlicher Fächer, angesichts teils hoher Abbrecherquoten und Versuchen, mit neuen Studiengängen und letztlich auch dem Absenken des wissenschaftlichen Niveaus diesen Phänomenen zu begegnen, lohnt sich aber doch ein genauerer Blick. Denn auch wenn man hier vieles liest, was man mehr oder weniger ähnlich oder mit anderem Schwerpunkt auch andernorts finden kann 1, unterscheidet sich der Ratgeber durch einen, wie der Rezensent meint, originellen Ansatz von vergleichbaren Büchern. Ein zentrales Anliegen Behmels, das durch viele Seiten schimmert, ist nämlich die ganz praktisch aufgefasste Darstellung dessen, was man als allgemeine Tugenden für jeden, der Geisteswissenschaften studieren möchte, kurzum: als grundsätzliche “Studierfähigkeit” bezeichnen könnte.

Behmel hat versucht, neben dem studentischen auch den Blick der Hochschullehrer auf den Lehrbetrieb und die Studierenden (und beider Defizienten) einzubeziehen. Fundiert hat er diesen durch eine Umfrage bei Dozenten nach ihren Erfahrungen aus der Arbeit mit Studierenden. Wissenschaftliche Validität kann seine Umfrage trotz seiner Beteuerung, dass “mit einiger Sicherheit ein relativ vollständiges interdisziplinäres Meinungsbild zu den einzelnen Themen vorgelegt werden kann” (S. 256), wohl schwerlich beanspruchen, doch eröffnet sie ihm immerhin die Möglichkeit zu wohlbegründeten, ganz praktischen Ratschlägen, “wie man als Student sein Auftreten und seine Chancen im Hochschulbetrieb verbessern kann” (S. IX). Über den gesamten Text hinweg und an jeweils passender Stelle begegnen dem Leser also die eigens kenntlich gemachten Fragen an die Dozenten und als Antwort eine Zusammenfassung, in der Behmel die entsprechenden Stellungnahmen der Dozenten auswertet. Ergänzend findet man als “Tipp” gekennzeichnete, prägnante Zitate namentlich genannter Dozenten zu Einzelproblemen von der Studienfachwahl (S. 23) bis hin zu Ratschlägen für die Lerntechnik (S. 225). Insistiert wird hier z.B. auf allgemeinen Fähigkeiten der Studierenden als Voraussetzung für akademischen Erfolg wie z.B. intellektuellem Mut (S. 1), Hartnäckigkeit beim Umgang mit den Malaisen der Massenuniversität (S. 9), guten sprachlichen Fähigkeiten (S. 44, 53) und nicht zuletzt Lesefleiß (S. 182). Thematisiert werden auch die Mängel des Massenbetriebs: mangelndes Feedback durch die Studierenden (S. 43), die zunehmende Plagiatsproblematik bei Hausarbeiten (S. 122) und überfüllte Lehrveranstaltungen (S. 226). Manche Ratschläge und Empfehlungen mögen zum Teil recht schlicht klingen, doch wäre vermutlich schon ein gutes Stück des Reformweges zur idealen Universität zurückgelegt, würden Studierende allein schon den Ratschlag beherzigen, sich täglich um dreieinhalb Stunden gründliche Fachlektüre zu bemühen. Dass ein intensives Studium dann als intellektuelles Abenteuer auch Vergnügen bereiten kann und sollte, versucht Behmel immer wieder deutlich zu machen.

Im ersten Kapitel wird das Hochschulsystem in Deutschland vorgestellt. In klarer Sprache wird der Studienanfänger informiert: von der Verwaltungsstruktur einer Universität über die Tücken beim Lesen eines Vorlesungsverzeichnisses bis hin zu den gebräuchlichsten Prüfungsformen (und wie man sie möglichst gut absolviert). Teile dieses Kapitels sind allerdings nicht gut recherchiert, werden angesichts des Umbaus der Hochschullandschaft sehr rasch veralten oder sind schon veraltet. Nur drei Beispiele: Behmel erklärt zwar ausführlich die alte C-Besoldungsstufen-Hierarchie und die Rolle der Habilitation (S. 13ff.), aber nirgends wird die neuere Entwicklung von der Einführung der W-Besoldung über das in manchen Bundesländern erhöhte Lehrdeputat für Ordinarien bis hin zur Einrichtung der Juniorprofessur skizziert. Entsprechend findet man auch keine Informationen über die in die Geisteswissenschaften vordringenden B.A.-Studiengänge.2 Der Begriff “Bachelor” wird zwar im Anhang (S. 245) erklärt, aber nicht gerade zufrieden stellend nur als “Vorstufe zum Doktorgrad, spätlat. baccalaureus, Ritter” - im Register ist er hingegen gar nicht erst zu finden. Wer dort unter “Bologna” sucht, um sich über den so genanten “Bolognaprozess” zu informieren, der für viele Veränderungen in der europäischen Hochschullandschaft verantwortlich gemacht wird, erfährt zwar (S. 235) ein wenig von der ehrwürdigen Geschichte der italienischen Hochschule, aber nichts über die gegenwärtige Entwicklung. Im zweiten Kapitel wird die Universität als eine Art Arbeitsgemeinschaft der Lehrenden und Lernenden beschrieben. Hier nimmt Behmel besonders häufig die Perspektive der Dozenten ein, um aus dieser Sicht zu erklären, worauf es bei einem erfolgreichen Studium ankommt. Griffig formuliert fordert er, die Studierenden sollten “außen Amerikaner, innen Chinese” sein: von amerikanischer Kontaktfreude und Freundlichkeit im Umgang, aber verbunden mit dem Arbeitsethos und der Disziplin von Chinesen (S. 56). So scheut er sich auch nicht, von den Studierenden einen Achtstundentag einzufordern und den Trend zum Langzeitstudium zu kritisieren (S. 57, 59f.). Mit sehr konkreten und hilfreichen Ratschlägen wartet sein drittes und längstes Kapitel über die wissenschaftliche Arbeit auf. Hier informiert Behmel von der Kunst, einen Text zu lesen, ein Referat vorzubereiten und (auch multimedial) zu präsentieren bis hin zum Schreiben und Formatieren von Hausarbeiten seine Leser äußerst detail- und kenntnisreich. An einleuchtenden Beispielen verdeutlicht er, wo die häufigsten Fehler lauern und wie man sie vermeiden kann. Nicht fehlen darf in einem Ratgeber für angehende Geisteswissenschaftler ein Kapitel über die Arbeitstechniken von der Recherche in der Bibliothek bis zum zweckmäßigen Umgang mit Geistesblitzen (Kapitel 4) und schließlich auch über die Überwindung von Schwierigkeiten und Krisen im Studium (Kapitel 5). Abschließend wirft Behmel noch einen kurzen, fast schon verkürzenden Blick auf die Geschichte der Hochschulen (Kapitel 7). Ein Anhang mit Begriffserklärungen, Abkürzungen, Literaturhinweisen und einem Register beschließt den Band.

Auch wenn man nicht mit allem einverstanden sein mag, was Behmel vorschlägt und rät, so hebt sich sein Ratgeber durch die Perspektivierung der Lehr- und Lern-Situation an der (geisteswissenschaftlichen) universitas doch aus der Reihe einschlägiger Ratgeber hervor. Viele Ratschläge an Lernende wie Lehrende fordern, wie der Rezensent meint, zu Recht Tugenden ein, auf denen eine generelle Studier- und Lehrfähigkeit unabhängig von kurzfristigen Moden und rezenten Reformversuchen erst beruht. Insofern ist der Ratgeber sehr wohl eine Empfehlung wert. Seine Lektüre allein wird freilich noch nicht eine hinreichende Bedingung für ein erfolgreiches Studium der Geisteswissenschaften sein.

Anmerkungen:
1 Vgl. mit jeweils anderem, breiter oder enger gefasstem Fokus z.B. Hülshoff, Friedhelm; Kaldewey, Rüdiger, Mit Erfolg studieren. Studienorganisation und Arbeitstechniken (Beck Studium), München 1993; Franck, Norbert; Stary, Joachim (Hgg.), Die Technik wissenschaftlichen Arbeitens. Eine praktische Anleitung (Uni-Taschenbücher 724), Paderborn 2003; Sesink, Werner, Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten. Mit Internet – Textverarbeitung – Präsentation, München 2003; Burchert, Heiko; Sohr, Sven, Praxis des wissenschaftlichen Arbeitens. Eine anwendungsorientierte Einführung (Studien- und Übungsbücher der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften), München 2005.
2 Vgl. dazu etwa den Versuch von Bröning, Tobias, Dein Weg zum Bachelor. Vom Studienwunsch zur Abschlussarbeit, Berlin 2005.

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