E. Baltrusch: Caesar und Pompeius

Cover
Titel
Caesar und Pompeius.


Autor(en)
Baltrusch, Ernst
Reihe
Geschichte Kompakt: Antike
Erschienen
Anzahl Seiten
X, 198 S.
Preis
€ 14,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Joachim Losehand, Wien

Mit "Caesar und Pompeius" des Berliner Althistorikers Ernst Baltrusch wird ein weiteres bemerkenswertes Werk aus der Reihe "Geschichte kompakt" vorgestellt. Entsprechend soll auf die Konzeption der WBG-Reihe und damit auch auf den Anspruch, an dem die einzelnen Monografien zu messen sind, nicht mehr allgemein eingegangen werden.1 Auch wenn ein leiser Anklang an die Doppelbiografien Plutarchs bei der Titelgebung nicht zu überhören ist, stellt "Caesar und Pompeius" keineswegs eine zweifache Lebensbeschreibung oder eine Gegenüberstellung zweier Biografien dar, vielmehr wird im vorliegenden Band "die Krise der römischen Republik im letzten vorchristlichen Jahrhundert [beleuchtet], deren zentrifugale Kraft sich gerade in diesen beiden Persönlichkeiten verdichtet", so die Kurzbeschreibung des Verlages.

Die beiden dramatis personae im Titel, Pompeius und Caesar (warum eigentlich nicht in der Reihenfolge ihres Auftretens in der Geschichte?), scheinen also (nur?) die werbewirksamen Zugpferde dieser kompakten und chronologischen Darstellung der letzten Jahre der späten römischen Republik zu sein, nicht ihr eigentliches Thema. So heißt es denn auch im Vorwort: "ihre Biographien geben den Rahmen ab für die Präsentation" (S. IX). Die der Darstellung zugrunde liegende Ereignisgeschichte dürfte hinsichtlich des chronologischen Verlaufs weitgehend als "kanonisch" gelten; und so werden natürlich weder Fakten der Geschichte der späten römischen Republik bis zur Ermordung Caesars abgeändert, noch neue Erkenntnisse hinzugefügt. Die Struktur orientiert sich also, ähnlich allen anderen Darstellungen dieser Epoche, an der "absoluten Chronologie" der Geschehnisse, welche wiederum konventionell in die gängigen Phasen eingeteilt werden.

So stellt der erste von acht Hauptteilen (S. 1-16) jene kritische Zeit der römischen Republik vor, in die Cnaeus Pompeius hineingeboren wurde, die der junge Mann an der Seite seines Vaters Pompeius Strabo erlebte, in die er dann, ab 83 v.Chr., aktiv für Sulla eintrat und sich seine ersten Meriten und den ersten Triumph erwarb. Der zweite Hauptteil umspannt die Krisen der nachsullanischen Jahre (S. 17-23), Pompeius' erstes Konsulat zusammen mit M. Crassus (S. 24-26) und die Seeräuberkriege sowie den 3. Mithridatischen Krieg und die Neuordnung des Ostens durch den siegreichen Pompeius (S. 27-38). "Caesars Eintritt in die Geschichte" ist Thema des dritten Hauptteils (S. 39-58). Baltrusch stellt hier die innenpolitische Lage bei der Rückkehr des Pompeius aus dem Osten, seinen Triumph, das erste Triumvirat und Caesars erstes (und Pompeius' zweites) Konsulat vor. Eingeschoben ist ein biografisches Kapitel zu Caesar (S. 42-49). Die Zeit zwischen 59 und 50 - der Gallische Krieg, die Erneuerung des Triumvirates auf der Konferenz von Luca 56, danach die Abkühlung und schließlich die Entfremdung (in den Jahren 54 bis 50) - wird im 4. Teil zusammengefasst. Der Bürgerkrieg von der Überschreitung der Provinzgrenze nach Italien (49) bis zur Neuordnung nach der Schlacht bei Munda (45) findet im 5. Teil seinen Platz (S. 90-111), auf den "Staat des Diktators Caesar" nach der Rückkehr aus Spanien richtet der 6. Teil sein Augenmerk. Hintergründe und Interpretation der Ermordung Caesars schließlich werden im vorletzten Abschnitt behandelt (S. 157-177); das Buch schließt mit einer Bewertung der historischen Bedeutung beider Protagonisten im Spiegel der Zeitgenossen und der Nachwelt (S. 178-190). Literaturhinweise, für die die Bezeichnung "Auswahlbibliografie" aufgrund der Regalkilometer, die zu dieser Epoche geschrieben wurden und werden, gerechtfertigt ist, runden diese zu Recht kompakt genannte Darstellung ab (S. 191-194).

Der Blick auf das Inhaltsverzeichnis rechtfertigt nicht zweifelsfrei den Titel "Caesar und Pompeius". Jede andere (kompakte) Übersicht zu dieser Epoche muss zwangsläufig in gleichem Maße diese beiden Zentralgestalten spätrepublikanischer Geschichte berücksichtigen, ohne deshalb nur sie namentlich im Titel zu führen. Ersetzt also das Buch von Baltrusch ähnliche, früher publizierte Einführungen oder ergänzt (und bereichert) "Caesar und Pompeius" die Literatur zur Zeit zwischen 100 und 44 v.Chr.? Zunächst muss gesagt werden, dass natürlich nur in seltensten Fällen ein Werk alle vorangegangenen ersetzt bzw. obsolet macht. Ohne Zweifel stellt Baltruschs Überblick jedoch "the state of the art" bezüglich der behandelten Epoche und der Kategorie "Einführungen" dar, nicht allein, weil sich darin weitgehend die Forschungsliteratur bis 2003 berücksichtigt findet - auch wenn diese Auswahl nicht immer überzeugend und, vor allem bei der neueren Literatur, etwas willkürlich wirkt. Darüber hinaus weist das Literaturverzeichnis einige Mängel auf: So wird z.B. Robin Seager 2 "A. N. Seager" genannt (wahrscheinlich, weil A. N. Sherwin-White dort als nächster Autor angeführt wird). Dass 2002 eine 2. verbesserte Auflage seines für den angelsächsischen Raum als Standardwerk anzusehenden Buches erschienen ist, wird nicht vermerkt. Die ebenfalls 2002 erschienene Pompeius-Biografie von Pat Southern bleibt unerwähnt.3

Zwei Fragen können bei der näheren Beurteilung des vorgestellten Buches helfen: Soll ein interessierter Leser, der über kompakte Übersichtsdarstellungen und Einführungen eigentlich schon "hinausgewachsen" ist, dieses Buch berücksichtigen? Und: Empfiehlt sich das Buch der definierten Zielgruppe, also Schülern und Studenten (S. VII u. X), zur Lektüre? Spätestens mit der Pompeius-Biografie von Karl Christ 4 gewinnt das Buch von Baltrusch für den Forschenden, der sich mit dem Pompeius-Bild auseinandersetzt, einen, wenn auch inhaltlich nicht neuen, so doch dezidierten Blick auf die Person des Pompeius nach der Niederlage von Pharsalos. Für Christ wurde Pompeius nach Pharsalos "zu einem lethargischen, unsicheren und gebrochenen Mann geworden, dem Wille, Dynamik und Zuversicht fehlten, zu einem Menschen, der sich in sein Schicksal fügte".5 Gegen diese landläufige Meinung hält Baltrusch wie bereits Peter Greenhalgh 1981 6 fest, dass Pompeius in Amphipolis schon "wieder klare Gedanken gefaßt und seine momentane Lage bedacht zu haben [scheint], die ja keineswegs aussichtslos war" (S. 105). Auch Matthias Gelzer vertrat in seiner Monografie über Pompeius einen ähnlichen Standpunkt.7 Somit kann dieser kompakte Überblick in Einzelheiten ohne weiteres auch als ein Beitrag des Berliner Althistorikers zu aktuellen Themen der Forschung verstanden werden.

Schließlich zum Nutzen für die anvisierte Zielgruppe: Ganz allgemein ist die Sprache von "Caesar und Pompeius" ein weiterer Beleg dafür, dass die Tendenz in den Wissenschaften, einfache Sachverhalte kompliziert auszudrücken, erfreulicherweise rückläufig ist. Jungen Lesern stellt der Text also keine unüberwindlichen Hürden in den Weg: Die notwendigen Informationen werden klar und unter Verzicht auf Detailverliebtheit vermittelt, ohne andererseits jemals kursorisch zu wirken. Es ist somit durchaus sinnvoll, interessierten Schülern mit diesem Buch einen fundierten und auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden aktuellen Überblick über die Epoche in die Hand zu geben. Für Schüler wie Studenten gleichermaßen von Vorteil ist der behutsame, aber konsequente - und aus wissenschaftlicher Sicht unabdingbare - Einsatz von Quellenzitaten. So wird etwa gleich auf der ersten Seite einer der zentralen Begriffe der geistigen Grundlagen der res publica durch ein - man lese und staune - lateinisches Zitat eingeführt; die beigefügte deutsche Übersetzung schmälert nicht dieses für eine, einem breiten Leserkreis zugedachte Darstellung schon fast frivol zu nennende Wagnis.

Schade ist in dem Zusammenhang, dass einer kurzen Schau auf die Quellenlage, die "so günstig wie für kaum eine Epoche" (S. IX) ist, dennoch kein Platz eingeräumt wurde. Während zwar "Senat" oder "Volksversammlungen" erklärt werden (S. 2), muss man erst aus dem "Urteil der Zeitgenossen und der Nachwelt" heraussezieren, wer Cassius Dio, Plutarch oder Sallust waren, wann, wo und in welcher Sprache sie geschrieben haben. Auch entsteht der Eindruck, manche Quellenzitate oder -verweise (nicht nur in den mit dem Buchstaben "Q" markierten grauen Kästen) seien eher beliebig in den Text gestreut worden, so dass sie bei allem inhaltlichen Bezug oft Fremdkörper bleiben. So wäre es wohl besser gewesen, wenn Baltrusch eine der Schlüsselszenen im Leben des jungen Pompeius (als Sulla ihn mit imperator anredete, S. 19; vgl. Plut. Pomp. 8,4) und nicht die kurz darauf erfolgte Scheidung von seiner ersten Frau (S. 20; vgl. Plut. Pomp. 9,3-4) mit einem Quellenhinweis versehen hätte. Es ist nur als vorbildlich zu bewerten, dass Fachbegriffe wie das Amt des "Aerartribunen" erklärt werden (S. 26) - nicht jeder Student, selbst höheren Semesters, wird dies so knapp wie gleichzeitig umfassend beschreiben können. Trotzdem scheint es dem Lesefluss wenig förderlich, diese Erläuterungen ("E") mitten in die Texte zu stellen. Ein Glossar am Ende des Buches hätte diesen sicher von vielen begrüßten Dienst am Leser ebenfalls befriedigend erfüllt.

Inhaltlich besticht das Buch vor allem dadurch, dass Baltrusch nicht eine reine Aufzählung der politischen wie militärischen Ereignisgeschichte bietet, sondern wie im Kapitel "Die außerordentlichen Imperien des Pompeius und ihre historische Bedeutung" (S. 29ff.) auch aktuelle Forschungsdiskussionen darstellt 8, ohne sie freilich im Text explizit zu nennen (im Literaturverzeichnis wird aber auf die Arbeit von Giradet hingewiesen). Weitere Beispiele dazu sind die ausführliche Behandlung von Caesars Reichspolitik (S. 147ff.) und daran anschließend seine Zukunftspläne (S. 151ff.), wobei dem geplanten Partherkrieg plausiblerweise der größte Raum eingeräumt wird. Ungenutzt blieb eine Parallele zwischen Pompeius und Caesar: ihre Baupolitik. Zwar wird deren jeweilig prominentestes Bauvorhaben sogar mittels einer Plan-Skizze illustriert (S. 83, 122), jedoch keine Verbindung zwischen diesen Monumenten des eigenen Selbstverständnisses und der Propaganda hergestellt.9

Trotz mancher, eher der Zweitkorrektur anzulastender Fehler 10, überwiegen die laudanda, nicht die vituperanda: Die Tiefe und Breite, die Klarheit und Lebendigkeit der Darstellung sind nicht anders als anregend zu nennen; anregend für den interessierten Leser, sich weiterhin und intensiver mit dieser Epoche zu beschäftigen, die ihm so kompetent und kompakt nahegebracht wurde.

Anmerkungen:
1 Vgl. die kritische Würdigung der Reihe bei Udo Hartmann, Rez. zu: Sommer, Michael, Die Soldatenkaiser, Darmstadt 2004, in: H-Soz-u-Kult, 06.04.2004 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-2-014>; weiters: Martin Clauss, Rez. zu: Jaspert, Nikolas, Die Kreuzzüge, Darmstadt 2003, in: H-Soz-u-Kult, 30.06.2004 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-2-216>; Jörg Schwarz, Rez. zu: Prietzel, Malte, Das Heilige Römische Reich im Spätmittelalter, Darmstadt 2004, in: H-Soz-u-Kult, 28.05.2005 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2005-2-150>.
2 Seager, R., Pompey the Great. A Political Biography, Oxford 1979.
3 Southern, P., Pompey the Great, Stroud 2002.
4 Christ, K., Pompeius. Der Feldherr Roms, München 2004.
5 Christ (wie Anm. 4), S. 165.
6 Greenhalgh, P., Pompey. The Republican Prince, London 1981, S. 165.
7 Gelzer, M., Pompeius, Lebensbild eines Römers, Stuttgart 1984, S. 200.
8 Girardet, K. M., Imperia und provinciae des Pompeius 82 bis 48 v. Chr., Chiron 31 (2001), S. 153-209; vgl. auch Heftner, H., Plutarch und der Aufstieg des Pompeius. Ein historischer Kommentar zu Plutarchs Pompeiusvita, T. 1 (Kap. 1-45), Frankfurt am Main 1995.
9 Vgl. Gros, P.; Sauron G., Das politische Programm der öffentlichen Bauten, in: Kaiser Augustus und die verlorene Republik, Berlin 1988, S. 51-56.
10 So starb Pompeius nicht am Vorabend seines 56. Geburtstages (S. 109), sondern am Vorabend vor der Vollendung seines 58. Lebensjahres, so Vell. 2, 53,3.

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