M. Albert (Hg.), Frauen mit Geschichte

Titel
Frauen mit Geschichte. Die deutschsprachigen Klöster der Benediktinerinnen vom Heiligsten Sakrament


Herausgeber
Albert, Marcel
Reihe
Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 42
Erschienen
Anzahl Seiten
XVIII, 588 S.
Preis
€ 58,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Eric Steinhauer, Universitätsbibliothek, Technische Universität Ilmenau

Unter dem etwas blassen Titel „Frauen mit Geschichte“ hat Marcel Albert, Benediktinermönch der Abtei Gerleve, ein Handbuch zur Geschichte der deutschsprachigen Klöster der Benediktinerinnen vom Heiligsten Sakrament vorgelegt. Es werden in Anlehnung an das Gliederungsschema der „Germania Benedictina“ insgesamt 18 Konvente mit ihrer Geschichte vorgestellt. Vorangestellt ist ein ausführlicher Überblicksaufsatz des Herausgebers zur Geschichte der Benediktinerinnen und ihrer Klöster. Literaturangaben zu den einzelnen Häusern und ein ausführliches Register unterstreichen den Nachschlagecharakter des Werkes. Soweit ersichtlich wurde aber das Standardwerk der deutschsprachigen Ordensgeschichtsschreibung von Max Heimbucher nicht berücksichtigt.1 Dies ist schade, da Heimbucher interessante Details zu der institutsspezifischen Frömmigkeitsform der „Genugtuung“ mitteilt, auf die weiter unten noch einzugehen ist.

Nonnen, die nach der Regel des heiligen Benedikt leben, haben eine sehr lange Geschichte. Die Benediktinerinnen prägten als weiblicher monastischer Orden das Mittelalter. Demgegenüber sind die Benediktinerinnen vom Heiligsten Sakrament eine historisch noch junge Gemeinschaft. Sie wurden in der Mitte des 17. Jahrhunderts von Mechthilde de Bar (1614-1698) gegründet, nannten sich zunächst „Benediktinerinnen von der Ewigen Anbetung“ und bildeten als loser Zusammenschluss rechtlich selbständiger, der Jurisdiktion des jeweiligen Ortsbischofs unterstehender Priorate ein so genanntes „Institut“, das im deutschsprachigen Raum seit 1854 präsent ist. Das „Institut“ der Mechthilde de Bar vereint klassische monastische Elemente wie Klausur und Chorgebet mit einer typisch barock-neuzeitlichen Frömmigkeitsform, nämlich eben der ewigen Anbetung des eucharistischen Heilandes, also der konsekrierten Hostie im Tabernakel, mit dem besonderen Aspekt der Sühne und Genugtuung. Die Geschichte der Benediktinerinnen vom Heiligsten Sakrament ist nicht nur für die Ordensgeschichte, sondern auch für die von der religiösen Volkskunde inspirierte Frömmigkeitsgeschichte bzw. Spiritualitätsgeschichte von Interesse. Das liegt vor allem daran, dass Ordensgemeinschaften als Orte institutionalisierter Frömmigkeitspflege die modernisierenden Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils in besonderer Weise nachvollzogen und im Zuge dieser Reformen auch und gerade ihre Frömmigkeitspraxis kritisch gesichtet und umgestaltet haben.

Das vorliegende Handbuch bietet zu dieser, über den engen Bereich der hier vorzustellenden Ordensgemeinschaft hinausgehenden Fragestellung eine Fülle von Material und kann so im Spiegel der einzelnen Konvente die unterschiedlichen Wandlungsprozesse sichtbar machen.

Die vom Herausgeber Marcel Albert kenntnisreich geschriebene Einleitung ist Ausgangspunkt und Rückgrat des Handbuchs. Sie befasst sich mit der Ordensgeschichte des „Instituts“ im engeren Sinn und zeichnet hier vor allem die Verfassungsgeschichte der deutschsprachigen Klöster nach, die mittlerweile in Form einer „Föderation“ zusammengeschlossen sind. Einen Schwerpunkt der Darstellung bilden die beiden Phasen, in denen die Konstitutionen der Schwestern neugefasst wurden. Sie sind zum einen von der Reform des kanonischen Rechts durch den Codex Iuris Canonici von 1917, zum anderen durch das Zweite Vatikanische Konzil geprägt. Das Ringen um die Konstitutionen war eng verbunden mit der Frage nach einer zeitgemäßen Form der institutseigenen Spiritualität. Die von Albert ausgewerteten, zahlreichen archivischen Quellen lassen diesen Prozess gut sichtbar werden.

Wie sah nun die besondere Frömmigkeit der Schwestern aus? Die überkommene Anbetungsfrömmigkeit wurde mit einer starken Sühnehaltung verbunden. So gab es die Übung, dass während der Messfeier eine Schwester als so genannte „Genugtuerin“ mit einem Strick um den Hals an einer mit einer brennenden Kerze geschmückten Säule in der Mitte des Chores kniete und als „Schlachtopfer“ der Sühne ein auf die Stifterin zurückgehendes Genugtuunsgebet sprach, um Schmähungen und unterlassene Anbetung des Heiligsten Sakramentes zu sühnen (S. 10f.). Diese Sühne wurde durch den Kommunionempfang der „Genugtuerin“ besiegelt. Verständlich, dass diese sehr bildhafte Andachtsübung spätestens mit der einsetzenden liturgischen Bewegung problematisch wurde. Tatsächlich haben mehrere Klöster das „Institut“ verlassen, sich der Beuroner Benediktinerkongregation angeschlossen und so die Spannung des „Instituts“ zwischen monastischem Leben und Anbetungsfrömmigkeit in Richtung Benediktinertum aufgelöst. Spätestens mit den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils fand die überlieferte Form der „Genugtuung“ ein Ende und machte einer vertieften Eucharistiefrömmigkeit Platz. Der hier beschriebene Wandel ist im Rückblick ein großer, mentalitätsgeschichtlich aufschlussreicher Reformschritt.

Mit der hier ausführlich besprochenen Einleitung ist der Rahmen für die Einzelartikel vorgegeben. Die von Albert aufgezeigten übergreifenden Entwicklungen lassen sich an der Geschichte der einzelnen Konvente und ihrer Schicksale ablesen. Besondere Authentizität erhalten dabei Artikel, die von Schwestern einzelner Häuser geschrieben worden sind. Interessant ist hier vor allem, wo bei Reformprozessen Schwerpunkte gesetzt und Schwierigkeiten gesehen wurden. Hervorzuheben sind die vielen informativen Fotografien des Bandes (etwa auf S. 346 die Abbildung einer „Genugtuerin“, leider ohne erläuternde Bildunterschrift, vgl. aber auch S. 406). Mariendarstellungen, die regelmäßig Maria mit Äbtissinenstab zeigen und im Chorraum an Stelle einer Äbtissin im Chorstuhl positioniert wurden, sind institutstypisch (S. 347, 367). Maria wird als wahre Oberin und Äbtissin der Konvente angesehen, während die vorstehende Schwester nur den Titel einer Priorin führt (S. 9f.). Ikonografisch bietet der Band gutes frömmigkeitsgeschichtliches Material. Das gilt auch für die Habite der Schwestern, die in der früheren Form mit einer kleinen Monstranz geschmückt waren, welche ebenfalls in einer Großaufnahme dokumentiert wird (S. 12).

Liturgische Quellen werden leider nur am Rande berücksichtigt, dabei wäre doch gerade ein Handbuch der ideale Ort für eine bibliografische Erschließung des schwer erreichbaren, aber zahlenmäßig noch überschaubaren Materials.2

Ein interessanter Aspekt der Wandlungen des Klosterlebens ist die schrittweise und nicht ohne Schwierigkeiten erfolgte Gleichstellung der vormals in drei Klassen aufgeteilten Schwesternschaft (Chorschwestern, Laienschwestern und Pfortenschwestern). Bis in die 1970er-Jahre hinein gab es hier noch deutliche Unterschiede.

Die Geschichte der einzelnen Häuser liest sich neudeutsch gesprochen als ein Prozess permanenten „Downsizings“. Nach einem überzeugenden Gründungsimpuls mit deutlichem Wachstum, erfolgt eine ständige Abwärtsbewegung der Personalstände der Klöster, unbeeindruckt von Reformbestrebungen in Lebensform und Frömmigkeit. Im Ergebnis gibt es heute nur noch wenige, personell einigermaßen konsolidierte Konvente in Deutschland. Von daher ist das Handbuch auch eine Bestandsaufnahme und in gewisser Hinsicht ein Schlusspunkt mit Blick auf eine monastische Zukunft, die sich unter den Bedingungen der Gegenwart ihrer Herkunft vergewissert und den Schritt in die Zukunft wagt. Auffällig ist jedoch, dass von den sieben Schwestern der Anbetungsbenediktinerinnen, die einzelne Artikel geschrieben haben, fünf nach 1960 geboren wurden. Hier liegt eine Traditionsbesichtigung der „jungen“ Generation vor.

Insgesamt hat Marcel Albert zusammen mit seinen Mitarbeitern ein solide bearbeitetes Handbuch vorgelegt. Der einheitliche Aufbau der Beiträge ermöglicht eine vergleiche Betrachtung der einzelnen Niederlassungen. Zugleich konnten die Autoren eigene Akzente bei der Bearbeitung setzen, die bei ordenseigenen Bearbeiterinnen eine nicht unsympathische leicht persönliche Färbung haben. Für Ordenshistoriker mit Schwerpunkt im 19. und 20. Jahrhundert sowie für Wissenschaftler, die auf dem Gebiet der Frömmigkeitsgeschichte arbeiten, lohnt sich die nähere Konsultation des Werkes. Die Geschichte der „Benediktinerinnen vom Heiligen Sakrament“ kann exemplarisch als Geschichte des Wandels katholischer Frömmigkeit im 20. Jahrhundert gelesen werden.

Anmerkungen:
1 Vgl. Heimbucher, Max, Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche, Nachdruck der 3. Aufl. 1933, Paderborn 1987, Bd. 1, S. 307-309.
2 Auf S. 4, Fn. 7 gibt es einen bibliografischen Hinweis auf die Eigenmessen, des Instituts. Frömmigkeitsgeschichtlich für die Anbetungssühnefrömmigkeit interessanter wären aber die Officia votiva de Sanctissimo Sacramento et Reparationis Injuriarum Sanctissimo Sacramento Illatarum in usum Sanctimonialium Ordinis S. P. Benedicti Adorationis Perpetuae Sanctissimi Sacramenti, Köln 1895 (weitere Auflagen).

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